Einige Reiseanbieter gehen von einem Ansturm aus. Auch in Mülheim herrscht grundsätzlich Optimismus – aber deutlich vorsichtiger.
Auf einen „Buchungs-Run“ bereiten sich aktuell mehrere große Fluggesellschaften vor. Dazu sollen noch mehr Ziele angeflogen und mehr Personal eingestellt werden. Die Mülheimer Reisebüros stimmen noch nicht alle vorbehaltlos in diesen Jubel mit ein – ein gewisser Grundoptimismus ist aber zu spüren.
Von Zehntausenden Buchungen am Tag berichtete Jens Bischof, Chef der Lufthansa-Tochter Eurowings, zuletzt in verschiedenen Medien. Manch einer in der Branche plant sogar mit einer vollen Vorkrisenkapazität von 2019.
„Solche Unternehmen müssen natürlich auch Nachrichten produzieren für ihre Shareholder“, möchte Michael Zytniak, Inhaber des Check-in-Centers in Saarn, diese Schlagzeilen mit Vorsicht genießen.
Dass die Nachfrage nach Reisen signifikant angezogen hat, bestätigt aber auch der Mülheimer. „Es gibt viel Flexibilität durch Stornierungsmöglichkeiten, und es scheint auch politisch gewollt zu sei, dass die Leute im Sommer wieder reisen können“, glaubt Zytniak.
Er kann sich aktuell über einen starken Jahresstart freuen. „Im Januar ist immer ,Highlife’ in den Reisebüros, und das ist auch dieses Jahr so“, sagt der Check-in-Chef – und ist damit deutlich euphorischer als andere Kollegen aus Mülheim.
Auch Christian Rulf macht mit „CPS-Reisen“ im Januar und Februar normalerweise die Hälfte seines Jahresumsatzes. „Da sind wir noch lange nicht. Wir sind vielleicht bei 30 bis 50 Prozent von 2019“, ordnet der Saarner ein.
Auch André Schoof von der Broicher Urlaubsfabrik sieht das „Buchungsverhalten noch längst nicht wieder auf dem Niveau von 2019. Das hat viel damit zu tun, dass sich die Einreisebedingungen und Regularien beinahe wöchentlich ändern“, sagt Schoof. Die Politik tue ihr Übriges dazu, „um die Leute maximal zu verunsichern.“ Im Laufe des Jahres geht aber auch er von einem deutlichen Ansturm aus. Denn – und da sind sich alle einig – die Reiselust bei den Menschen ist riesig. „Die Leute lechzen danach“, weiß Schoof.
Besser nicht zu kurzfristig buchen
Doch der ein oder andere entscheidet sich offenbar noch eher kurzfristig. Davon rät Christian Rulf ab. „Noch kann ich aus dem wählen, was ich haben möchte, und muss nicht das nehmen, was übrig bleibt. Im Moment laufen Zimmer mit privatem Pool oder mit direktem Meerblick wie geschnitten Brot, die wird es aber kurzfristig nicht mehr geben“, betont Rulf und weist auf die flexiblen Möglichkeiten für die Verbraucher hin: „Wenn ich Magenschmerzen habe, kann ich die Reise ohne Angabe von Gründen absagen.“
Solche Modelle stürzen die Tourismus-Dienstleister freilich in ein Dilemma, schließlich haben sie damit doppelte Arbeit bei ausbleibendem Ertrag. „Stornierungen gehen am Geschäftsmodell eines stationären Reisebüros vorbei“, bringt es André Schoof auf den Punkt.
Die Reisen im Jahr 2022 werden sich vor allem innerhalb von Europa bewegen. Fernreisen haben noch einen schweren Stand, weil viele Länder sogar einen Einreisestopp verhängt haben. Christian Rulf empfiehlt für Fernreise-Fans die Dominikanische Republik. „Auch Thailand hat seit Dienstag verbesserte Einreisemöglichkeiten“, weiß der Inhaber von CPS-Reisen.
Neue Reise-Regelungen in der EU
Seit Dienstag gelten neue Empfehlungen für das Reisen innerhalb der Europäischen Union. Dabei sollen nun nicht mehr die Infektionszahlen des jeweiligen Landes maßgeblich sein, sondern der Immunisierungsstatus des oder der Reisenden. Zusätzliche Negativtests sind dann nicht mehr notwendig. Allerdings handelt sich dabei lediglich um Empfehlungen. „Es kocht immer noch jeder sein eigenes Süppchen. Das ist schade, dass man das nicht vereinheitlicht“, sagt Christian Rulf, Inhaber von CPS-Reisen in Saarn.Die Immunisierung läuft laut der neuen Regelungen bei zweifach Geimpften nach neun Monaten ab und nicht mehr nach einem Jahr. Der Genesenen-Status gilt sechs statt wie in Deutschland nur drei Monate.
Gewinner der letzten ein bis zwei Jahre ist Griechenland. Portugal ist deutlich gestiegen, während Spanien nach wie vor funktioniert. „Viele bleiben am liebsten innerhalb von Europa, weil man dort im Zweifel auch viel leichter wieder nach Hause kommt“, sagt Michael Zytniak aus dem Check-in-Center.
Eine Folge der Pandemie ist, dass die Urlauber große Hotelanlagen zunehmend meiden. „Privatsphäre und Freiraum spielen eine Rolle. Die Leute wollen ein Stück weit Urlaub für sich machen, sodass Ferienhausurlaub total im Trend liegt“, erklärt André Schoof. Auch Kreuzfahrten werden nach wie vor gut nachgefragt. „Der Freiraum pro Passagier ist nie größer gewesen als jetzt.“