Mülheim. Mülheim: Den Tourismus-Dienstleistern gehen selbst lange erzielte Umsätze wieder verloren. Sie fühlen sich von der Politik nicht genug gehört.

Von allen Wirtschaftszweigen, die unter der Corona-Krise leiden, hat es die Tourismusbranche wohl am härtesten getroffen. Die Inhaber mehrerer Mülheimer Reisebüros schlagen jetzt Alarm.

Seit sechs Wochen steht das Geschäft von André Schoof still. Der 35-Jährige betreibt in Broich und Heißen die „Urlaubsfabrik“. Doch die ist zum Stillstand gekommen. In den letzten sechs Wochen hatte sie ganze drei Buchungen. „Wir machen faktisch keine Umsätze mehr“, sagt Schoof.

Mülheimer Reisebüro: Bestandsbuchungen gehen wieder verloren

Schlimmer noch: Den Reisebüros gehen auch Bestandsbuchungen verloren, die vor Monaten generiert worden sind. Die Kunden können ihre Reisen kostenlos stornieren. „Dadurch fressen sich die Löcher von zwei Seiten rein“, beklagt der Mülheimer. Seine Kollegin Andrea Fleck vom Speldorfer Reisebüro verdeutlicht: „Seit Oktober arbeiten wir mehr oder weniger umsonst.“

Der Alltag besteht aktuell vor allem aus Stornierungen. Außerdem muss den Kunden erklärt werden, wie sie ihr Geld zurückbekommen. „Ich sitze acht Stunden am Tag am PC, wofür ich aber kein Geld bekomme“, schildert Bettina Thömmes vom Saarner Reisebüro.

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„Manchmal möchte man den Laden abschließen“

Expertin hofft auf bewussteres Reisen

Andrea Fleck vom Speldorfer Reisebüro hofft inständig, dass die Menschen nach der Corona-Krise wieder möglichst schnell in Reiselaune kommen.

Da die Krise bei Vielen auch ein Stück weit das Bewusstsein verändert, wünscht sich die Urlaubsexpertin, dass in Zukunft noch bewusster gereist wird. Soll heißen: Nicht für zehn Euro mit dem „Billigflieger“ nach Mallorca oder Mailand und am Abend wieder zurück.

„Die Menschen sollen sich wieder bewusst machen, dass Reisen etwas Besonderes ist“, sagt Andrea Fleck.

„Manchmal möchte man den Laden am liebsten abschließen“, hadert Andrea Fleck, betont aber gleichzeitig: „Wir wollen nicht jammern. Wir machen es für die Kunden, damit die nicht im Regen stehen.“ Sie und ihre Kollegen fungieren zurzeit als eine Art Kummerkasten der Kunden, denen ein oft lange im Voraus geplanter Urlaub geplatzt ist.

Denn bis auf wenige Ausnahmen seien die Veranstalter komplett abgetaucht. „Ich würde mir wünschen, dass sie uns eine Lösung anbieten und auf uns zukommen“, sagt Andrea Fleck. Sie sieht dort auch einen Fehler im System.

Deutschland-Reisen gehen an den Reisebüros vorbei

An der schwierigen Situation der Branche wird wohl auch die Tatsache nichts ändern, dass bald wieder Reisen innerhalb Deutschlands erlaubt sein sollen. „Wir haben gute Deutschland-Produkte, aber die gehen an den Reisebüros vorbei“, sagt die Saarnerin Bettina Thömmes. Beim Urlaub im Ausland wird es schwierig bleiben. „Es wird Reiseziele geben, die noch lange nicht bereist werden können“, glaubt André Schoof.

Die zur Zeit herrschende Verunsicherung sei einfach zu groß. Selbst Reisen im Herbst seien betroffen, und die ersten Kunden würden auch schon ihren Winterurlaub stornieren. „Bis Ende des Jahres wird sich nicht viel tun“, glaubt Bettina Thömmes.

Geschäftsaufgaben sind schon im Bereich des Möglichen

Täglich tauscht sich André Schoof deutschlandweit mit anderen Inhabern von Reisebüros aus. „Es gibt mehrere Kollegen, denen es jetzt schon so schlecht geht, dass sie über Geschäftsaufgaben nachdenken“, berichtet er. Die „Urlaubsfabrik“ selber könne sich wohl noch ein halbes Jahr über Wasser halten. „Dann habe ich aber Fremdkapital aufgebraucht und das tut richtig weh.“

Der 35-Jährige wünscht sich staatliche Unterstützung, vielleicht in Form eines Fonds. „Es ist der Tod für eine gesamte Branche, wenn es keine politische Unterstützung gibt“, sagt Schoof. Doch er fühlt sich nicht ernst genommen. „Die Tourismusbranche wird oft als Spaßbranche angesehen, doch da hängen fast drei Millionen Arbeitsplätze dran“, stellt er klar.

Saarnerin demonstrierte vor dem Landtag

Bettina Thömmes aus dem Saarner Reisebüro geht es genauso. „Die Politik hat uns schon bei der Thomas-Cook-Pleite im Stich gelassen“, klagt sie an. Sie war selbst bei einer Demo vor dem Düsseldorfer Landtag dabei. „Wir brauchen finanzielle Hilfen, die nicht zurückzahlbar sind. Ein Kredit hilft mir nicht“, macht sie klar.

„Ich erwarte gar nicht, dass man mich besser stellt, als den Gastronomen. Es kann aber nicht sein, dass ich ein ganzes Jahr rückwirkend bluten muss“, sagt André Schoof. Sein Anliegen hat er bereits öffentlich vorgetragen. Zuletzt traf er sich mit Monika Griefahn, der OB-Kandidatin der Mülheimer SPD.