Oberhausen. Die Kölner Choreographin Reut Shemesh braucht wenige Worte für ihr Bewegungstheater – und zeigt in Buschhausen „Mutterschaft als Horrortrip“.

Für das Musiktheater in Oberhausen fiel der letzte Vorhang, so beschreiben es die zahlreichen Theaterchroniken von Gerd Lepges, eigentlich schon vor 30 Jahren: am 29. Februar 1992. Seitdem ist das Theater Oberhausen ein Schauspielhaus – sollte man meinen. Doch mit der letzten Spielzeit von Florian Fiedler erlebt das Tanztheater eine Renaissance mit bizarrer Note: Choreographinnen und Choreographen inszenieren fürs Schauspiel-Ensemble. Wollen sie professionelle Tänzer dabei haben, müssen sie Gäste mitbringen.

Nun, Monika Gintersdorfer brachte für die wortreiche Abrechnung „Sturmtief O’Hara“ gleich ihr eigenes Ensemble „Le Fleur“ mit – und machte die Ensemble-Spieler zu Gästen eines Tanztheaterfilms, der immerhin sein Publikum am PC schon mal mit den beeindruckenden Räumen der Buschhausener Probebühne bekannt machte. Jeremy Nedds Choreographie „The Sun Died“ dagegen lief im Gasometer als Rollschuh-Tragödie heillos ins Leere. Die gelungenste Verquickung von Tanz und Schauspiel zeigte bisher Joana Tischkaus Playback-Musical „Karneval“ als giftige Frohsinns-Satire.

Bad Mothers? Bad Babies! „Mit Maske wirkt der Körper sogar stärker“, sagt die Choreographin Reut Shemesh.
Bad Mothers? Bad Babies! „Mit Maske wirkt der Körper sogar stärker“, sagt die Choreographin Reut Shemesh. © Theater Oberhausen | Isabel Machado Rios

Für ihr Projekt „Cobra blonde Witness“ hatte Reut Shemesh sogar schon mit Tanzmariechen geprobt – möchte die eigene Arbeit aber nicht mit Tischkaus glitzernder Inszenierung vergleichen. Außerdem hat sich das Oberhausener Ensemble von der 40-jährigen Wahl-Kölnerin aus Tel Aviv eine ganz andere Produktion gewünscht: „Bad Mothers“ bringt eine für selbstverständlich gehaltene Überforderung auf den bissigen Begriff. Helikopter-Mama oder Rabenmutter: Neues Leben auf die Welt zu bringen, ist oft mit Angst verbunden – Angst nicht nur ums Kind, sondern auch vor dem Verlust der eigenen Freiheit. Zur eigenen Verantwortung von Müttern kommen die Erwartungen von anderen, vorgetragen in einem Stakkato von Ratschlägen und Bewertungen.

Die Anti-Logik eines Alptraums

Reut Shemeshs Arbeiten, sagt Dramaturg Raban Witt, „haben viel Theatrales“. Da ergebe sich das Miteinander von Choreographie und Schauspiel ganz von selbst: „Beide Welten bereichern sich, wenn sie aufeinandertreffen.“ Und obwohl „Bad Mothers“ während einer Stunde mit wenig gesprochenem Text auskommen wird, sagt die Tänzerin und Choreographin: „Für mich ist die Stimme auch Bewegung: als Luft, die aus dem Körper tritt.“

Das mag rätselhaft klingen – und die Anmerkungen des Dramaturgen zu diesem „sehr assoziativen Abend“ sind nur wenig erhellender: Das Publikum erlebe „Mutterschaft als Horrortrip“, so formuliert’s Raban Witt. Die Inszenierung folge keinem konventionellen Handlungsfaden, sondern vielmehr der Anti-Logik eines Alptraums. Reut Shemesh verweist auf „die Stunde vor der Geburt: Du bist zwischen Tod und Leben; es ist sehr spirituell. Ich spreche aus Erfahrung als Mutter und Tochter.“

Design-Studenten machen Foyer-Zelt zum Ausstellungsraum

Die Premiere von „Bad Mothers“ auf der Probebühne 2 ist bereits ausverkauft. Bis zum 13. April folgen elf weitere Vorstellungen, die nächsten am Sonntag, 20. März, um 18 Uhr sowie am Freitag, 25., Samstag, 26., Mittwoch, 30., und Donnerstag, 31. März, jeweils um 19.30 Uhr.Karten kosten 23 Euro, ermäßigt 5 Euro, erhältlich unter 0208 8578 184 sowie per Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.deEine Kartenstelle will das Theater an den Aufführungsabenden auch in Buschhausen einrichten – und die Besucher in einem besonderen Foyer-Zelt empfangen. Für die Premiere wird es zum Ausstellungsraum: Der Studiengang Design der Hochschule Düsseldorf präsentiert Videoarbeiten und Objekte zum Thema „Bad Mothers“.

Die Musik zu diesem Bewegungs-„Trip“ entsteht einerseits auf der als geradezu Godot’scher Raum eingerichteten Bühne „als Singen, Klatschen, Stampfen“, so Raban Witt, und auf einer zweiten Ebene als jene elektronischen Klänge, die Simon Bauer beisteuert – auch als Erfinder und Erbauer seiner Instrumente.

„Es ist kein einfacher Weg“, sagt Reut Shemesh und meint vor allem den knappen Zeitrahmen bis zur Uraufführung am Freitag, 18. März. „Es sind manchmal unterschiedliche Sprachen“, meint Raban Witt, wenn Tanz- und Schauspiel-Erfahrungen zusammentreffen. Doch die Regie der Choreographin vermittle „Direktheit und Präsenz“. Das Spiel mit fiesen Baby-Masken und in glänzenden Superheldinnen-Outfits von Andrea Barba wird diese Qualitäten brauchen können.