Gelsenkirchen. Die evangelische Gemeinde konzentriert sich unter Sparzwang in der Altstadtkirche. In den anderen Bezirken im Stadtsüden entstehen „Stützpunkte“.

„Kirchen sind besondere Immobilien“, weiß Andreas Chaikowski, und dass Gemeinde- und Jugendhäuser in der Wahrnehmung der Menschen ebenso besonders wahrgenommen werden. „Es sind Landmarken in der Stadt, und viele verbinden damit auch ihre Lebensgeschichte mit Taufe, Konfirmation, Heirat“, räumt der Vorsitzende des Presbyteriums ein. Die Emmaus-Kirchengemeinde, 2014 entstanden aus den evangelischen Gemeinden Schalke mit Feldmark und Altstadt mit Neustadt und Rotthausen, steht vor dem schwierigen Weg. Dem, massiv zu sparen.

Die dazu vorgesehene Gemeindeversammlung konnte unter Corona-Bestimmungen im Advent 2021 nicht stattfinden, die Bekanntmachung des Presbyteriums wurde in den Gottesdiensten verlesen. Protest verschaffte sich in den Kirchen Raum. Besonders in Rotthausen wurde um die Fortsetzung der Jugendarbeit gebangt, wenn das Gemeindezentrum an der Schonnebecker Straße geschlossen wird.

Mitglieder der Gelsenkirchener Emmaus-Jugend verteilten vor dem Gottesdienst in Rotthausen Herzen mit Trauerflor an die Besucher als Zeichen des Protests.
Mitglieder der Gelsenkirchener Emmaus-Jugend verteilten vor dem Gottesdienst in Rotthausen Herzen mit Trauerflor an die Besucher als Zeichen des Protests. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Die Versammlung soll deshalb auch eine Plattform für Fragen und Anregungen der Gemeinde sein, meint Chaikowski, „denn wir sind im Gespräch miteinander“. Die Umsetzung der ersten Maßnahmen steht etwa für 2024/25 an.

Jugendzentrum in Gelsenkirchen-Schalke schon geschlossen

Allerdings ist seit dem Jahreswechsel das Jugendzentrum an der Magdeburger Straße schon außer Betrieb. Sechs Stunden in der Woche an zwei Nachmittagen stand die Einrichtung als teil-offene Tür (ToT) für Jugendgruppen zur Verfügung.

Die Schalker Pfarrerin Andrea Hellmann erzählt, über die Vermietung der Immobilie versuche die Gemeinde, Einnahmen zu erzielen. Es gebe dazu Gespräche mit dem Sozialwerk St. Georg, das dort eine Verwaltungsstelle einrichten wolle.

Zwei Immobilien der Gemeinde wurden verkauft

Unter demselben Aspekt seien auch das Martin Luther-Haus als Wohnquartier an die Wichernhaus GmbH und das Katharina von Bora-Haus an einen Investor veräußert worden, der dort eine KiTa errichten will. In Schalke, wie auch im Bereich der Friedenskirche an der Pothmannstraße in der Feldmark, seien die Amigoinaner ansässig. „Wir setzen auf Zusammenarbeit“, schildert Chaikowski.

Gern schlägt er die kaufmännische Seite nicht auf, aber die Frage bleibt offen: „Können wir es uns leisten, an jedem Sonntag in vier Kirchen jeweils einen Gottesdienst zu feiern? Oder einmal im Monat zentral in der Mitte? Und mit 100 statt 30 Besuchern?“. Chaikowski blickt auf das Team mit Andrea Hellmann, Nina Cieselski, Kirsten Sowa, Diakonin Nicole Stach. Einem offiziell „inter-professionellen Team“ mit der letztgenannten Pfarrerin.

Pfarrer Andreas Chaikowski, Vorsitzender des Presbyteriums der Emmaus-Kirchengemeinde
Pfarrer Andreas Chaikowski, Vorsitzender des Presbyteriums der Emmaus-Kirchengemeinde © Archiv FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Denn mit der Verabschiedung von Pfarrer Peter Gräwe, Pfarrerin Sonja Timpe-Neuhaus und Pfarrer Rolf Neuhaus waren unter dem Strich 1,5 Pfarrstellen vakant. Eine halbe Stelle wurde im Nachgang genehmigt, die mit der Diakonin nachbesetzt werden konnte.

Die Zahl der Gemeindeglieder sinkt weiter

Und weitere Zahlen sprechen für sich. „Bei der Fusion der Altgemeinden vor gut sieben Jahren waren es etwa 14.500 Gemeindeglieder, heute etwa 11.500. 2030 rechnen wir mit nur noch rund 8000, ein Schwund von 40 Prozent. Wir haben im Jahr zwischen 250 und 300 Bestattungen, in der Bevölkerungsstruktur der Stadt liegen Menschen mit evangelischem Bekenntnis bei vielleicht 25 Prozent, an manchen Stellen bei nur 13“, zählt Chaikowski auf.

„Für etwa 3000 Gemeindeglieder sieht die evangelische Kirche eine Pfarrstelle vor, 2030 schätzungsweise für vielleicht 5000. Wir verlieren allein etwa 400 Gemeindeglieder pro Jahr“, beschreibt Chaikowski Richtlinien und Trend.

Sozialverträgliche Umsetzung beim Personal

Das hat Folgen. Der Vorsitzende des Presbyteriums klärt weiter auf: „So entsteht ein enormer Handlungsdruck. Unsere Haushaltsführung ist seit Jahren auf Kante genäht, wir haben keine Deckungsreserven mehr.“ Immerhin werde es wohl gelingen, die Einsparungen im Personalbereich bei der Konzentration der kirchlichen Angebote in der Altstadt sozialverträglich umzusetzen, ohne betriebsbedingte Kündigungen, etwa durch den Wechsel einiger Mitarbeiter in den Ruhestand.

Versammlung in der Altstadt

Unter besonderen Bedingungen kann das Presbyterium die Emmaus-Gemeinde zur förmlichen Gemeindeversammlung am Sonntag, 30. Januar, um 15 Uhr in die Altstadtkirche am Heinrich-König-Platz einladen. Eine vorherige Anmeldung über das Gemeindebüro ist erforderlich: 0209 25890 oder gewat-kg.emmaus@ekvw.de. Es gilt die 2G plus-Regel: Impfausweis oder Impfbescheinigung / Impfzertifikat des RKI oder Bescheinigung über die Genesung und Schnelltest 24 Std. oder PCR-Test 48 Std. oder geboostert, und gültiger Lichtbildausweis, FFP2-Maske und Abstand sind verpflichtend.Etwa 150 Besucher können maximal zugelassen werden, die Versammlung soll möglichst nicht mehr als 90 Minuten dauern.

Chaikowski macht in einem Rückblick klar: „Die Gemeinden mit den Kirchen und Gemeindehäusern waren ursprünglich für viel mehr Menschen gedacht. In den hohen Zeiten zur Gründung waren es allein in Schalke so viele wie heute in ganz Emmaus.“

Konzentration in Gelsenkirchen-Mitte, der Altstadt

Die Gebäudekonzeption nach dem Beschluss des Presbyteriums sieht vor: In der Friedenskirche, der Kreuzkirche, der Kirche Rotthausen werden ab den Sommerferien ‘22 nur an wenigen Tagen Gottesdienste gefeiert; die Kreuzkirche soll entwidmet und veräußert und umgenutzt werden, entsprechende Gespräche mit der Diakonie-Holding laufen bereits; auch die Kirchen in Schalke und Rotthausen sollen abgegeben werden. Das Gemeindehaus Rotthausen soll vermarktet oder verkauft oder auch umgebaut werden.

Die Gemeinde will durch „Stützpunkte“ in den einzelnen Bezirken präsent bleiben. Und zu Rotthausen unterstreicht Chaikowski: „Das heißt nicht, dass die Jugendarbeit dort platt gemacht werden soll.“ Eine Fortführung der Arbeit in eigener Regie oder in noch offener Form auch öffentlich refinanziert in „passenden Räumen an passendem Standort“ werde diskutiert.

Insgesamt sei das Ziel, das auch eine Chance biete: „Nicht in zu viele und zu große Gebäude zu investieren, sondern in die Arbeit mit den Menschen und für die Menschen.“