Mülheim. Blinder Alarm bei der Mülheimer Feuerwehr: Versagende Technik und der menschliche Faktor sind meistens die Gründe. Warum das nicht strafbar ist.

Die Feuerwehr fragt nicht erst nach, ob es wirklich brennt. Sie rückt aus. Denn nur schnelles Handeln kann Leben retten. Doch es gibt auch Fehlalarme: Bei Brand- und Hilfseinsätzen ist die Feuerwehr im vergangenen Jahr 702 Mal vergeblich ausgerückt. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: versagende Technik und: den menschlichen Faktor.

„Blinder“ Feuer-Alarm kam im vergangenen Jahr genau 436 Mal vor: Jemand hat im guten Glauben den Feuerwehrnotruf 112 gewählt, aber die vermeintliche Gefahrensituation hat sich am Ende nicht bestätigt, so Steffen Dannenberg, Leitstellen-Chef der Mülheimer Feuerwehr. Ob es nun eine unklare Rauchentwicklung ist, oder ein merkwürdiger Geruch: Es gibt viele Situationen, in denen Nachbarn oder Zeugen von einem Notfall ausgehen und die 112 anrufen.

Rund 110.000 Anrufe kommen im Schnitt jährlich bei der Mülheimer Leitstelle an

Lichtspiegelungen können sogar erfahrene Feuerwehrleute täuschen. So kann sich Feuerwehrsprecher Thorsten Drewes noch gut an einen Einsatz vor vielen Jahren erinnern, wo über Nacht nicht ausgeschaltete Flipper- und Geldspielautomaten in einem oberen Stockwerk eines Gebäudes verdächtig vor sich hin geflackert haben. „Das hätte“, erinnert sich Feuerwehrmann Drewes, „durchaus ein Feuer sein können.“

In einem solchen Fall müssen sich Anrufer keine Sorgen machen, sie müssen nicht die Übernahme der Einsatzkosten oder gar ein Bußgeld befürchten. Ähnlich ist das auch bei Rauchmeldern, die Fehlalarm geben. „Der Bürger soll uns ja im Zweifel auch anrufen. Dafür sind wird schließlich da“, betont Dannenberg. Die Kollegen in der Leitstelle könnten sehr gut einschätzen, was zu tun sei. Rund 110.000 Anrufe kommen im Durchschnitt jährlich bei der Leitstelle an, so Dannenberg.

Feuerwehrsprecher Thorsten Drewes (links) und Steffen Dannenberg, Chef der Leitstelle, in der „Kommandozentrale“ der Hauptwache in Mülheim-Broich.
Feuerwehrsprecher Thorsten Drewes (links) und Steffen Dannenberg, Chef der Leitstelle, in der „Kommandozentrale“ der Hauptwache in Mülheim-Broich. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Fehlalarm bei Rauchmeldern, das ist in Mülheim in 2020 insgesamt 43 Mal (in der Summe von 436 enthalten) passiert. Meist sind ja dann die Haus- oder Wohnungsbesitzer nicht daheim, wenn die Feuerwehr vor der Tür steht. Die dann aber auch nicht sofort mit derselben ins Haus fällt: „Wir bemühen uns, so schadenfrei wie möglich vorzugehen, vieles kann man ja schon von außen sehen“, erklärt Feuerwehrsprecher Thorsten Drewes. Ein Blick durchs Fenster bringe oft Klarheit, mit Hilfe der Drehleiter auch in den oberen Stockwerken. Doch beim leisesten Verdacht werde man sich Zugang zur Wohnung verschaffen, betont er.

Brandmeldeanlage werden oft versehentlich ausgelöst – auch in Mülheim

Große Unternehmen, Krankenhäuser oder auch Einkaufszentren haben häufig Brandmeldeanlagen, die direkt mit der Feuerwehrleitstelle verbunden sind. Rund 350 Objekte sind in Mülheim damit ausgestattet. 263 Mal sind die Mülheimer Löschzüge in 2020 ausgerückt, um zu löschen, und am Ende lag nur eine technische Störung im System vor. Auch eine hohe Staubentwicklung, etwa bei Bauarbeiten, oder auch Wasserdampf könnten die Brandmeldeanlagen aktivieren, erläutert Steffen Dannenberg.

Die farbigen Leuchten signalisieren in der Mülheimer Hauptfeuerwache, dass ein Notruf eingegangen ist.
Die farbigen Leuchten signalisieren in der Mülheimer Hauptfeuerwache, dass ein Notruf eingegangen ist. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Unter der Rubrik „böswillige Anrufe“, die zum überflüssigen Ausrücken der Löschfahrzeuge alarmieren, wurden in 2020 genau drei Fälle gezählt. Da diese aber nicht strafrechtlich verfolgt wurden, nimmt der Leitstellen-Leiter an, dass möglicherweise Schulkinder oder Unbekannte einen Feuermelder ausgelöst haben. Aktuell werde allerdings ein Fall verfolgt, wobei die Feuerwehrleitstelle 68 Mal angerufen wurde. Auch der Polizeinotruf sei offenbar mehrfach missbräuchlich angerufen worden. Zu den laufenden Ermittlungen konnte der Leitstellenchef nichts sagen, allerdings betont Dannenberg: „Sollte sich eine böswillige Absicht herausstellen, wird eine Strafanzeige gestellt werden.“ Da arbeite die Feuerwehr eng mit der Polizei zusammen.

Böswillige, arglistige Anrufe sind in digitalen Zeiten selten geworden

Böswillige Anrufe, die die Einsatzkräfte arglistig täuschen, das gab es in früheren Jahren, vor der Digitalisierung und vor der Handynutzung, noch weitaus öfter, erinnert sich Thorsten Drewes. Heute kann die Feuerwehr jeden Anruf zurückverfolgen. Sogar bis in die Hosentasche.

Keine Notrufe über Twitter & Co.

Man sollte den Notruf wählen, wenn man in Not ist oder jemand Hilfe braucht. Aber man muss nicht immer 112 wählen, wenn kein akuter Notfall vorliegt.Unter der Behörden-Nummer 0208 - 455-92 ist die Leitstelle der Feuerwehr auch zu erreichen, und gibt dem ratsuchenden Bürger dann gern Auskunft, sagt Steffen Dannenberg.Aber eins ist besonders wichtig, appelliert die Feuerwehr: Bitte keine Notrufmeldungen über die sozialen Medien absetzen! Denn Twitter, Facebook und Co. sind keine Notrufkanäle, sie werden nicht rund um die Uhr überwacht.

„Hosentaschenanrufe“ nennt die Feuerwehr nämlich solche, bei denen versehentlich der Notruf gewählt wird. Das passiere, erklärt Steffen Dannenberg, wenn jemand seinen Bildschirm am Smartphone nicht gesperrt habe und dann versehentlich den Notruf 112 aktiviere. Das ist in 2020 rund 7200 Mal passiert. Natürlich unbemerkt vom Handybesitzer. „Wenn das drei, vier Mal hintereinander passiert, dann rufen wir auch schon mal zurück“, schmunzelt Dannenberg. Manchmal hat auch ein Kind nur mit dem Smartphone der Eltern gespielt. „Da unterstellen wir keine Böswilligkeit, denn Kinder sind halt neugierig.“

Die Feuerwehr kann jeden Handyanruf orten

„Wir sind in der Lage“, betont Steffen Dannenberg, „jeden Handyanruf in der Leitstelle auf ein paar Meter genau zu orten.“ Das ist ja auch sinnvoll, wenn ein Mensch in Not nicht genau beschreiben kann, wo er sich befindet. Weil er ortsfremd ist, oder irgendwo mitten im Wald steht. Und die meisten Menschen, die den Notruf wählen, „die sind ja auch sehr aufgeregt, die sind total im Stress“, weiß Dannenberg.

Beim Anruf vom Festnetz wird der Feuerwehrleitstelle stets die Adresse des Anrufers mit übermittelt, erklärt Dannenberg. Moderne Autos mit eCall (Emergency Call) lösen bei einem Unfall automatisch die Notrufnummer aus und zeigen der Feuerwehr unter anderen die Koordinaten und die Fahrtrichtung des Fahrzeugs an.