Mülheim. Die Freude der Mülheimer CDU war riesig, als feststand: Die Partei führt landesweit uneinholbar. Gebibbert wurde dann trotzdem noch stundenlang.

Die Freude der Mülheimer CDU war riesig, als bei der Wahlparty im Franky’s Ruhrkristall gegen 18 Uhr die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmerte. Der landesweite Sieg stand vom ersten Augenblick an fest – die Fäuste gingen gen Himmel! Deutlich länger dauerte das Warten für Direktkandidat Heiko Hendriks. Über Stunden wanderte sein Blick immer wieder zum Monitor, „die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt“. Letztlich aber musste der 56-Jährige doch akzeptieren, dass er gegen Rodion Bakum (SPD) verloren hatte. „Mit so einem engen Rennen habe ich nicht gerechnet.“

Eine, die bis ganz zum Schluss mit Hendriks bangte, war die Mülheimer CDU-Fraktionsvorsitzende Christina Küsters: „Es ist schon schade, dass es so knapp nicht gereicht hat. Aber das Ergebnis zeigt deutlich, dass Mülheim für die SPD kein Selbstläufer mehr ist.“ Die Bundestagsabgeordnete Astrid Timmermann-Fechter fühlte sich an eine ähnlich knappe Situation 2017 mit Arno Klare (SPD) erinnert. Auch wenn das Ergebnis der CDU in Mülheim und im Land exzellent sei: „In einem solchen Moment hat man immer ein lachendes und ein weinendes Auge. Man hätte sich eben sehr gewünscht, direkt in den Landtag einzuziehen.“

Gegen Viertel vor neun hatte der Mülheimer Hendriks immer noch einen Rest Hoffnung

Gegen Viertel vor neun hatte Hendriks immer noch einen Rest Hoffnung. Der WDR war mit Kamera vor Ort, „sie haben mir gesagt, wir sind der engste Wahlkreis im Ruhrgebiet“. Doch so langsam dämmerte ihm, „da fehlen zu viele Stimmen“. Möglich sei aber immer noch der Einzug ins Landesparlament via Liste. Platz 35 könnte reichen, so Hendriks Annahme, da landesweit viele Mitstreiter Direktmandate geholt hätten. „Aber das erfahre ich erst heute Nacht.“ Ein „großer Erfolg“ sei es auf jeden Fall, dass die CDU bei den Zweitstimmen erstmals stadtweit an der SPD vorbeigezogen ist.

Für den Stadtverordneten Werner Oesterwind war das Ergebnis; „noch besser, als ich es erwartet habe“. Es sei nun spannend, wie die Regierung sich letztlich zusammensetzt. „Vor allem mit meinem Wahlbezirk 27 bin ich hochzufrieden.“ In Saarn-Süd, Selbeck und Mintard nämlich hat Jan Heinisch (CDU) haushoch gewonnen. Der neue Zuschnitt der Landtagswahlkreise war für Heiko Hendriks aber möglicherweise die Ursache dafür, dass es für sein Direktmandat nicht reichte.

Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) gratulierte zu allererst den Grünen

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Auch Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) ließ sich gegen halb neun im Ruhrkristall sehen, bestens gelaunt. Die ersten Ergebnisse hatte er im Rathaus erfahren, „dann bin ich als erstes zu den Grünen gefahren, um ihnen zu ihrem großen Erfolg zu gratulieren“. Auch Rodion Bakum werde er beglückwünschen, wenn er das interne Rennen mit Heiko Hendriks mache.

Besuch erhielt die CDU zwischenzeitlich auch von der FDP: Der Mülheimer Fraktionsvorsitzende Peter Beitz wollte „auf dem Nachhauseweg kurz noch gratulieren“. Über das eigene Ergebnis sei er „maßlos enttäuscht“, „wir haben in Mülheim das Mandat von Christian Mangen verloren – das tut weh“. Und doch sei er „froh, dass wir überhaupt im Landtag sind“. Beitz sprach von einer „Klatsche, die ich akzeptiere“. Im Wahlkampf habe es „am gesunden Bauchgefühl gefehlt“. Viele Botschaften seien „zu kompliziert“ gewesen, so der Wahlslogan „Von hier aus weiter“. Auch die handelnden Personen hätten „nicht immer optimal agiert“. Als Beispiel nannte Beitz FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer.

Präsentkörbe mit Eierlikör, Mettwurst und Marmelade für Hendriks und Helmchen

Rund eine Stunde nach den ersten überragenden Ergebnissen hatten sich Hendriks und Wahlkampfleiter Marcel Helmchen über Präsentkörbe vom Dümptener Bauernhof mit Eierlikör, Hausmacher-Mettwurst, Erdbeer-Rhabarber-Marmelade freuen dürfen. Und über Lob der Bundestagsabgeordneten Timmermann-Fechter: „Wir haben ganz klar unseren Beitrag dazu geleistet, dass die CDU so weit vorn liegt.“ Man habe im Wahlkampf gute Arbeit gemacht, an Infoständen, bei Hausbesuchen und auf den Social Media-Kanälen.

Heiko Hendriks war „noch nie so kaputt an einem Wahltag“. Bei stadtweit zehn Verteilaktionen habe man „104 Kilometer zurückgelegt“, 48 CDU-Anhänger hätten mit viel Energie mitgemacht. Die Bürger hätten das Gesprächsangebot gern angenommen: Der Krieg in der Ukraine beschäftige sie, „aber auch die Enttäuschung über den Kanzler“. Viele fragten: „Warum spricht der nicht mit uns?“ Ein Land brauche Führung und Kommunikation, „wie das geht, zeigen Baerbock und Habeck, das dürfte für das gute Ergebnis der Grünen mitursächlich sein“.

Ursächlich für das schlechte Ergebnis der FDP? „Womöglich die Corona-Politik“

Kreisgeschäftsführer Thomas Cao freute sich, dass „der CDU offensichtlich viel zugetraut wird“. Die FDP tue ihm „ein bisschen leid.“ Ursächlich für deren schlechtes Ergebnis sei womöglich die Corona-Politik gewesen und das allzu schnelle Abschaffen aller Maßnahmen. Heiko Hendriks hatte übrigens schon deutlich vor 18 Uhr gesagt: „Wir werden vor der SPD liegen. Wir legen zu – und sie verliert stark.“