Gelsenkirchen. „Für viele wird sich die Frage stellen: Urlaub oder heizen?“: Wie die Wohnungsunternehmen in Gelsenkirchen auf die Gaspreis-Krise reagieren.

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft hat die zu erwartenden Mehrkosten für Energie prognostiziert. Demnach lägen sie für Einpersonenhaushalte bei knapp 1000 bis 2700 Euro. Für Vierpersonenhaushalte rechnet der Verband mit Mehrkosten von 1800 bis zu rund 5000 Euro. Wie schätzen Wohnungsunternehmen die Situation in Gelsenkirchen ein? Und was tun sie, um den Verbrauch zu senken? Ein Überblick:

GGW: Im Altbau wird man die drastischen Gaspreise besonders spüren

„Das Thema ist die totale Bombe. Doch die Ernsthaftigkeit der Situation ist bei großen Teilen der Bevölkerung noch nicht angekommen“, fürchtet Harald Förster, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft GGW. Er rechnet mit Heizkostennachzahlungen von 2000 bis zu 3000 Euro. „Für viele wird sich die Frage stellen: Urlaub oder heizen?“

Etwa 1800 der knapp 5000 GGW-Wohnungen in Gelsenkirchen werden mit Gaszentralheizungen beheizt, „deutlich über 2000“, schätzt Förster, hingen insgesamt am Gas. Fernwärme, Luft-Wärmepumpen, aber auch Holzpellet-Heizungen, immerhin für bereits über 500 Bestandswohnungen verbaut, sind Alternativen. Zweimal hat die GGW bislang ihre Mieter angeschrieben und ausführlich über die Situation informiert – verbunden mit dem Appell, Energie zu sparen und die Vorauszahlungen „kräftig anzupassen.“ „Wir hatten darauf Resonanz, aber deutlich unter 50 Prozent“, so Förster, der auch bei anderen Energieträgern mit deutlichen Preisanstiegen rechnet. Sein Fazit: „Am Ende springt da keiner dem Teufel von der Schippe.“

Die Ernsthaftigkeit der Situation ist bei großen Teilen der Bevölkerung noch nicht angekommen“, fürchtet Harald Förster, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft GGW.
Die Ernsthaftigkeit der Situation ist bei großen Teilen der Bevölkerung noch nicht angekommen“, fürchtet Harald Förster, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft GGW. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Eine generelle Nachtabsenkung vorzunehmen, ist derzeit für die GGW (noch) kein Thema. „Wir lassen aber zur Zeit unserer Heizungen von Fachfirmen überprüfen und haben uns Kapazitäten gesichert, um im Herbst auf eventuelle Veränderungen reagieren zu können“, erklärt der Geschäftsführer.

Die Zeiten „supergünstiger Gaspreise“ mit „sieben Cent für die Kilowattstunde“ sind für Förster generell vorbei. Auch die erhoffte Entspannung, wenn in einigen Monaten LEG, also verflüssigtes Erdgas in die Leitungen eingespeist werden kann, dürfte nicht groß werden, so Förster. „Unter 12 Cent pro kWh wird da nichts zu machen sein.“

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Gerade in Gelsenkirchen, glaubt Förster, werde der dramatische Preisanstieg besonders die Menschen treffen, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind – den gäbe es in der Regel in schlechter gedämmten Altbauten. Im Vergleich zum energieeffizienten Neubau sei dort der Energieverbrauch bis zu viermal höher, was sich drastisch bei der Nebenkostenabrechnung bemerkbar machen werde. Mietern, die in Not geraten, werde man helfen, kündigt Förster an.

Kommt jetzt das große Umbauprogramm? Kaum. Heizungen „packt die GGW nur an, wenn es um Erneuerungen im Bestand geht“, sagt Förster. „Wir werden für den Umstellungsprozess sicher 20 Jahre brauchen. Alle anderen aber auch.“

Vonovia: Heizungsleistung in Gelsenkirchen zwischen 23 und 6 Uhr reduziert

Vonovia bewirtschaftet in Gelsenkirchen rund 3000 seiner bundesweit über 400.000 Wohnungen.

„Um möglichst viel Gas in unseren Beständen einzusparen, werden wir sukzessiv eine Nachtabsenkung der Heizungstemperatur bei den Gas-Zentralheizungen für die kommende Heizperiode einführen“, teilt das Unternehmen mit. Dafür werde im Rahmen der „mietrechtlichen Vorgaben“ die Heizungsleistung zwischen 23 und 6 Uhr reduziert. Tagsüber und abends könne die Mieterschaft hingegen weiter wie gewohnt heizen. „Durch die Nachtabsenkung können wir bis zu acht Prozent des Heizaufwands einsparen“, rechnet man bei Vonovia.

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Die Warmwasserversorgung ist von der Regelung nicht betroffen. „Hier gibt es keine Einschränkungen beim Duschen oder Baden“, so Pressesprecherin Bettina Benner.

Auf allen Info-Kanälen informiert der Wohnungskonzern aktuell über die absehbar hohen Nachzahlungen und weist darauf hin, dass Mieter die Vorauszahlung über die Vonovia-App oder auch den Kundenservice anpassen können (www.vonovia.de/de-de/ratgeber/nebenkosten).

Die Nachtabsenkung werden Vonovia-Monteure im Rahmen ihrer Routine-Wartung der Heizungsanlagen vor Beginn der Heizsaison vornehmen. Benner: „Das zieht sich über die kommenden Monate hin und hat gerade erst angefangen. Begrenzt wird die Vorlauftemperatur der Heizanlage in den Nachtstunden. Die Anpassung bedinge dabei „nicht eine sofortige Absenkung der Raumtemperatur“, stellt Vonovia klar.

Vivawest: Heizungsanlagen in Gelsenkirchen für den Sommer abschalten

Fünf Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 74 Wohneinheiten wurden in diesem Frühjahr in gehobener Wohnlage in Gelsenkirchen-Buer an der Breddestraße von Vivawest fertiggestellt.
Fünf Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 74 Wohneinheiten wurden in diesem Frühjahr in gehobener Wohnlage in Gelsenkirchen-Buer an der Breddestraße von Vivawest fertiggestellt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Vivawest bewirtschaftet in Gelsenkirchen 5623 Wohnungen, 1974 Wohnungen werden hier mit Gas beheizt. „Dort, wo es möglich und ein relevanter Einspareffekt zu erwarten ist“ werde das Unternehmen „Heizungsanlagen für den Sommer abschalten. Die Warmwasserversorgung wird dadurch nicht eingeschränkt. Die Mieter, die diese Maßnahme betrifft, werden von uns kurzfristig informiert“, teilt ein Konzernsprecher mit.

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Im Nordsternpark, dem Sitz des Gelsenkirchener Wohnungsbauunternehmens, geht man davon aus, dass solch ein Beitrag zur Energieeinsparung angesichts der Krisenlage durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bei der Mieterschaft auf „große Akzeptanz und Verständnis stoßen“ werde. Auch habe Vivawest als Vermieter zudem die „Verantwortung, unsere Mieter vor unerwartet hohen Nachzahlungen zu schützen, indem wir die Höhe der Vorauszahlung an die voraussichtlich zu erwartenden Kosten anpassen“. Bereits zum 1. Mai wurde der Abschlag um 30 Prozent erhöht. Mieter hätten zudem die Möglichkeit, selbstständig über das Vivawest- Kundenportal ihre Abschlagszahlungen anzupassen.

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„Wenn Mieter unabhängig von der aktuellen Energiekrise Schwierigkeiten haben, ihre Nebenkostenabrechnung zu begleichen, schauen wir uns jeden Fall individuell an und versuchen, gemeinsam eine individuelle Lösung zu finden, so Pressesprecher Gregor Boldt.

Vivawest arbeitet daran, den Gebäudebestand in Deutschland – aktuell rund 120.000 Wohnungen – bis 2045 klimaneutral zu gestalten, beispielsweise durch eine „deutliche Intensivierung der energetischen Modernisierungen“, die Umstellung auf erneuerbare Energien sowie Energieträgerwechsel bestehender Heizanlagen und besonders energieeffiziente Neubauten.

Bauverein Gelsenkirchen eG: Mieter früh über das drohende Kostenszenario aufgeklärt

„Wir befassen uns tagtäglich mit dem Thema. Das Problem zeichnete sich ja bereits über Monate ab. Aktuell haben wir dazu diese Woche noch Gespräche mit der ELE und der Verbraucherzentrale geführt“, sagt Gerd Richter, Vorstand der Bauverein Gelsenkirchen eG.

Im Stadtsüden und Erle hat der Bauverein rund 1000 Wohneinheiten in 145 Häusern im Bestand. Die Genossenschaft zählt circa 1200 Mitglieder. 850 der Wohnungen werden über eine Gas-Etagenheizung beheizt. „Unsere Mitglieder stehen hier also im direkten Kontakt mit ihren Energieversorgern“, sagt Richter. Was auch bedeutet: Sie rechnen die Kosten direkt ab, entscheiden letztlich darüber, wie und ob sie Energie einsparen wollen.

Über „gut & sicher wohnen“, das Magazin der fünf Gelsenkirchener Wohnungsgenossenschaften, wurden die Mieterinnen und Mieter früh über das drohende Kostenszenario aufgeklärt. Wie sich die Energiekrise auswirken wird, wie sich die Genossenschaft aufstellen wird, welche Konzepte greifen könnten – da sieht Richter noch „viele Fragezeichen“. 2021 hat der Bauverein eine seiner Immobilien an der Liebfrauenstraße („wir hatten dort einen relativ hohen Leerstand“) saniert und modernisiert. Damals setzten die Genossen auf Wärmepumpentechnik. „2021 war uns das gar nicht so bewusst. Aber jetzt ist das natürlich ein Highlight“. Um den Umbau andernorts voranzutreiben, so der Vorstand, „erhoffen wir uns, dass es Fördermittel gibt.“