Bochum. Vonovia will alte Häuser neu verpacken, um Klimaziele zu erreichen und Nerven der Mieter zu schonen. Pilotprojekt in Bochum.

Dämmung, neue Fenster, Dächer und Heizungsanlagen – die energetische Sanierung von Gebäuden ist für Mieterinnen und Mieter eine langwierige Belastung und für Vermieter ein finanzieller Kraftakt. In Bochum testet der Dax-Konzern Vonovia deshalb erstmals ein serielles Verfahren, das die Bauzeit verkürzen und die CO2-Einsparung weiter verbessern soll.

Die neue Fassade kommt mit dem Kran. Das Element für die Front des Hauses an der Katharinastraße in der Nähe der Bochumer Jahrhunderthalle ist 7,50 Meter breit und bringt schon alles mit, was dazu beitragen soll, dass künftig möglichst wenig Wärme nach draußen entweicht: eine Dämmschicht, die neuen Fenster und ein Lüftungssystem. Die Fassadenelemente müssen nur noch verschraubt und anschließend verputzt werden.

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„Das Haus bekommt eine völlig neue Hülle und ist nach der seriellen Sanierung so dicht, dass so gut wie keine Wärme entweichen kann. Dadurch können Mieter und Vermieter höhere Effizienzen heben“, sagt Konstantina Kanellopoulos. Die Generalbevollmächtigte ist bei der Vonovia gleich unterhalb der Vorstandsebene verantwortlich für die 5000 Handwerkerinnen und Handwerker sowie 1000 Gärtnerinnen und Gärtner, aber auch für alle Energie- und Multimedia-Dienstleistungen.

Fassadenelemente millimetergenau vorgefertigt

An drei Häusern aus den 50er Jahren testet das Unternehmen das sogenannte Energiesprong-Prinzip, das aus den Niederlanden kommt und dort schon verbreitet ist. Die sanierungsbedürftigen Gebäude werden vor dem Start der Arbeiten mit einem dreidimensionalen Verfahren digital exakt vermessen. Darauf spezialisierte Fabriken nutzen die Daten, um Fassadenelemente millimetergenau vorzufertigen. Dazu gehören auch passende Photovoltaik-Module, die die Dachflächen optimal ausnutzen und am Ende das Haus mit Sonnenstrom versorgen.

Das fertige Fassadenelement steht schon bereit, um an der Hausfassade befestigt zu werden.
Das fertige Fassadenelement steht schon bereit, um an der Hausfassade befestigt zu werden. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

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„Über das Jahr gerechnet sollen die sanierten Häuser über Photovoltaikanlagen auf dem Dach so viel eigene Energie erzeugen wie sie verbrauchen. Das ist schon revolutionär für Bestandsgebäude“, meint Kanellopoulos. Um das Ziel zu erreichen, hat Vonovia im Keller zudem eine hypermoderne Heizungsanlage eingebaut. Zur Erwärmung des Wassers in den Heizkörpern wird nicht nur der Sonnenstrom genutzt. Nach Angaben von Wilhelm Köhler, Teamleiter Technische Geschäftsentwicklung, wurden zusätzlich an acht Stellen rund um die drei Häuser 100 Meter tiefe Löcher gebohrt, um die Erdwärme zu nutzen. Wasser in dieser Tiefe ist sechs bis acht Grad warm.

Vonovia fordert „verlässliche staatliche Förderung“

In dem Bochumer Dax-Konzern, der allein in Deutschland mehr als 400.000 Wohnungen vermietet, ist seit längerem die Erkenntnis gewachsen, dass auch Heizungen neu gedacht werden müssen, um bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen. „Die Dämmung allein wird aber nicht ausreichen. Wir brauchen auch einen Energieträger-Wechsel. Weg vom Gas hin zu den Erneuerbaren“, erklärt Kanellopoulos und warnt zugleich, sich Illusionen hinzugeben. „Die Investitionen werden aber auch künftig das Einsparpotenzial bei den Heizkosten übertreffen“, räumt die Managerin ein. „Ohne verlässliche staatliche Förderung werden wir die globalen Klimaziele deshalb nicht erreichen können.“

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Mit Einsatz der seriellen Sanierung bekommt die Wohnungswirtschaft immerhin einen Hebel in die Hand, die Modernisierung von Gebäuden zu beschleunigen und zu vereinfachen. Betagte Wohnhäuser sind nach Einschätzung von Experten immerhin für ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Im bundesweiten Durchschnitt werden aber jährlich nur ein Prozent der Bestandsgebäude auf den neuesten Stand gebracht. Großvermieter wie Vonovia und LEG gehen mit einer Modernisierungsquote von drei bzw. vier Prozent in der Branche bereits voran.

Nachhaltiger Dämmstoff aus Zellulose

Das serielle Verfahren könnte ein Impuls für noch mehr Tempo werden. Aber es steckt zumindest hierzulande noch in den Kinderschuhen. „Im Augenblick gibt es noch wenige Hersteller, die diese großen Elemente anbieten. Das wird sich nach der Erprobungsphase ändern“, gibt sich Kanellopoulos zuversichtlich. Dann würden auch die Preise sinken. Ziel sei es, die serielle Sanierung „breitentauglich für den Siedlungsbau zu machen“.

Aber auch die Mieterinnen und Mieter an der Katharinastraße in Bochum werden sich umstellen müssen. „Als nachhaltigen Dämmstoff verwenden wir Zellulose, der für die Dichtheit des Gebäudes sorgt. Da wir Belüftungssysteme einbauen, müssen unsere Mieterinnen und Mieter im Prinzip gar nicht mehr die Fenster öffnen“, sagt Wilhelm Köhler. Das serielle Sanierungsverfahren dichte die Häuser noch einmal spürbar mehr ab als die konventionelle Methode. Was das im Alltag bedeutet, sollen Mieterinnen und Mieter bei Info-Veranstaltungen erfahren.