Oberhausen. Kohle und Öl sollen durch Wasserstoff ersetzt werden – die Industrie wird klimaschonend. Können die Müllöfen in Oberhausen-Lirich da mitmischen?

Die klimaschonende Wasserstoff-Nutzung gilt als Schlüsseltechnik für die Zukunft des Energielandes NRW. Milliardenschwere Fördertöpfe stehen in Aussicht. Die Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage (GMVA) in Oberhausen-Lirich will dabei eine wichtige Rolle spielen. Die dreiköpfige Geschäftsführung der GMVA setzt darauf, dass hier möglichst bald moderne Müll-Lastwagen mit Wasserstoff betankt werden und emissionsfrei unterwegs sind.

Die Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage (GMVA) in Oberhausen-Lirich. 
Die Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage (GMVA) in Oberhausen-Lirich.  © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Diese Zukunftsvision skizzierte die GMVA-Geschäftsführung mit den Betriebswirtinnen Michaela Schröder und Angela Sabac-el-Cher sowie Diplom-Ingenieur Frank Nachtsheim jetzt in einem Gespräch mit der Redaktion. Der Clou an diesem Plan: Der Wasserstoff soll direkt auf dem GMVA-Areal per Elektrolyse hergestellt werden. Wenn die Müll-Lkw aus Oberhausen und Duisburg oder auch aus den Kreisen Kleve, Steinfurt und Coesfeld hier ihre Abfallfracht zur Verbrennung abliefern, könnten sie gleich an Ort und Stelle betankt werden.

Noch müssen die Lkw-Flotten der städtischen Abfallbetriebe allerdings überall umgestellt werden, doch bis 2030 sollen bereits NRW-weit mindestens 1000 mit Brennstoffzellen betriebene Wasserstoff-Müllwagen emissionsfrei im Einsatz sein. Danach wird diese Flotte absehbarerweise stetig wachsen.

Moderne Müllverbrennung mit strengen Schadstoff-Grenzwerten

Damit das Betanken in Lirich möglichst nachhaltig und umweltfreundlich geschieht, ist es entscheidend, dass die für die Wasserstoffproduktion nötige Elektrolyse aus möglichst grünem Strom, also Elektrizität aus erneuerbaren Energien, gespeist wird. Hier sieht die GMVA-Geschäftsführung einen Anknüpfungspunkt, denn: Sie hat zwar keine Windräder vor der Tür, doch die Müllverbrennung des Jahres 2021 ist längst nicht mehr mit den ersten, noch ziemlich schmutzigen Großanlagen der 1960er oder 1970er Jahre zu vergleichen.

Die Geschäftsführer der Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage Niederrhein (GMVA) in Oberhausen-Lirich: Dr. Angela Sabac-el-Cher, Frank Nachtsheim und Michaela Schröder (von rechts).  
Die Geschäftsführer der Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage Niederrhein (GMVA) in Oberhausen-Lirich: Dr. Angela Sabac-el-Cher, Frank Nachtsheim und Michaela Schröder (von rechts).   © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Moderne thermische Abfallbehandlungsanlagen unterliegen strengen Umweltschutzgesetzen mit sehr niedrigen, erlaubten Grenzwerten für das Abgas. Der hier verbrannte Restmüll lasse sich zudem stofflich kaum noch sinnvoll verwerten, heißt es. Die Müllverbrennung produziert neben Fernwärme auch Strom, der somit aus Sicht der GMVA-Spitze passgenau für eine „grüne“ Wasserstoffproduktion eingesetzt werden könnte.

Liricher Müllöfen gehören drei Gesellschaftern

Seit dem Jahr 2001 gibt es drei Gesellschafter bei der GMVA: Das Unternehmen Remondis hat an der GMVA Niederrhein GmbH einen Anteil von 49 Prozent; auf Oberhausen und Duisburg als kommunale Anteilseigner entfallen zusammen 51 Prozent. Die dreiköpfige Geschäftsführung spiegelt diese Eigentümerstruktur.

Insgesamt hat die Verbrennungsanlage eine Kapazität von 700.000 Tonnen pro Jahr, angeliefert von zusammen 80.000 Sammelfahrzeugen.

Noch ist das alles Zukunftsmusik, doch Oberhausen will auf jeden Fall dabei sein, wenn sich die Ruhrgebietsstädte mit konkreten Ideen um die Fördermilliarden des Landes bemühen; am bestem mit einem erfolgreichen Forschungscampus und aufsehenerregenden Leuchtturmprojekten.

Im nächsten Jahr feiert die GMVA das 50-Jahre-Jubiläum. 1972 nahm die Anlage am Rhein-Herne-Kanal ihren Betrieb auf. In all den Jahrzehnten wurde hier schrittweise modernisiert. Es gibt vier Verbrennungslinien. Der älteste Kessel stammt von 1986, der jüngste aus dem Jahr 2006. „Wir verstehen uns nicht nur als Müllverbrennung, sondern zugleich auch als Kraftwerk“, sagt Geschäftsführerin Michaela Schröder. Die in der GMVA erzeugte Strommenge reiche aus, um 100.000 Haushalte mit Elektrizität zu versorgen. Die jährlich bereitgestellte Wärmemenge könne bis zu 15 Millionen Liter Heizöl ersetzen.

Corona-Pandemie hat die Müllmengen ansteigen lassen

Und es gibt jede Menge zu tun – besser gesagt – zu verbrennen: Die Corona-Pandemie hat die Hausmüllmengen kräftig ansteigen lassen. „Wir haben kaum noch Gelegenheit, mal eine Linie etwa für Wartungsarbeiten aus dem Verbrennungsprozess herauszunehmen“, sagt Frank Nachtsheim. Der Diplom-Ingenieur liebt Autovergleiche: „Das ist so, also ob man immer mit Höchsttempo auf der Autobahn unterwegs ist.“