Gelsenkirchen. 29 Kinder wechselten aus 14 Grundschulen am Mittwoch in die 5c am Gauß-Gymnasium Gelsenkirchen. Wie das Ankommen in Corona-Zeiten funktioniert.

Corona soll nur ein Nebenthema sein in diesem Schuljahr, betont Gauß-Schulleiter Frank Kaupert bei seiner (religionsfreien) Begrüßung in der Paulus-Kirche, die dennoch wegen Corona nicht für alle gemeinsam, sondern klassenweise stattfindet. Und wer dabei sein wollte – nur ein Elternteil je Kind – musste ein „G“ vorweisen, auch die Kinder. Das Mantra des „Aufholens“ mag Kaupert auch nicht. „Das klingt nach Hetze und die wollen wir nicht. Es braucht Zeit. Wir haben das Ziel, den gemeinsamen Weg zum Abitur im Blick.“ Und dafür gehe es erstmal um das Zusammenfinden, das Zusammenwachsen. Danach allerdings bedürfe es auch Disziplin und Anstrengung, um das Ziel zu erreichen.

Einzelführungen durch die Schule vor den Ferien: ein Privileg

Noah trägt seinen Stundenplan in den Gauß-Planer für das neue Schuljahr ein. Sein Lieblingsfach ist Mathe – und natürlich Sport. So entspannt wie er konnten allerdings nicht alle den Schulwechsel angehen.
Noah trägt seinen Stundenplan in den Gauß-Planer für das neue Schuljahr ein. Sein Lieblingsfach ist Mathe – und natürlich Sport. So entspannt wie er konnten allerdings nicht alle den Schulwechsel angehen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Noah (9) scheint tiefenentspannt beim Neustart an der neuen Schule. Er kommt von der Grundschule an der Parkstraße, hatte ein gutes Zeugnis. Auf die Frage, ob er sich irgendwie vorbereitet hat auf den Schulstart, nickt er und lacht: „Ich hab in den Ferien viel geübt: Fußball – aber auch ein bisschen Mathe.“. Er ist mit seiner Mutter gekommen, wie die meisten Fünftklässler an diesem ersten Tag am Gauß-Gymnasium. Immerhin hatte die Schule vor den Ferien schon Einzelführungen durch die Schule und einen Kennenlern-Nachmittag angeboten. An großen Schulsystemen wie den Gesamtschulen war das kaum möglich, ein Privileg für die Schüler hier also.

Nicht alle sind entspannt

Trotzdem sind nicht alle Kinder der 5c, die aus 14 verschiedenen Grundschulen und mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen an diesem Mittwoch ans Gauß gewechselt sind, so entspannt wie Noah. Nicht alle kennen schon jemanden in der Klasse, man beäugt sich. Ein Junge ist auffällig still. Bei der Vorstellung in der Klasse, in der jedes Kind Namen, Alter und ein paar Vorlieben (Katzen, die Farben Türkis und Lila sowie Fußball sind die meistgenannten) fällt auf: Er versteht kaum deutsch. Eigentlich sollte der Junge aus Serbien in einer Internationalen Förderklasse starten, aber die Schule hat ihr Förderkonzept verändert, die Intensivförderung in Deutsch laufe dennoch unvermindert weiter, versichert Frank Kaupert auf Nachfrage.

Klassenkameradin als spontane Dolmetscherin

29 Kinder lernen in der 5c am Gauß-Gymnasium gemeinsam. Abstand halten ist da nicht wirklich möglich. Das Masketragen funktioniert in der Klasse allerdings vorbildlich.
29 Kinder lernen in der 5c am Gauß-Gymnasium gemeinsam. Abstand halten ist da nicht wirklich möglich. Das Masketragen funktioniert in der Klasse allerdings vorbildlich. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Als der Junge bei der Vorstellung stockt, springt Marina (10) spontan ein, in akzentfreiem Deutsch: „Ich kann übersetzen, er spricht meine Sprache.“ Die Mutter des Mädchens, das in Bosnien geboren wurde und in Gelsenkirchen aufwuchs, und die Mutter des Jungen hatten sich zufällig vor der Kirche kennengelernt, daher wusste Marina, dass sie helfen kann. Klassen- und Englischlehrerin Elke Boele-Keimer ist erleichtert: „Gut, dass wir jemanden haben, der dolmetschen kann!“ Gemeinsam mit Deutschlehrerin Edith Laska-Matari begleitet sie die 5c in diesem ersten Schuljahr.

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Auch für die beiden Lehrerinnen gilt das Motto: Das Ankommen ist wichtig. In der ersten Woche geht es nur darum, einander und die Schule kennenzulernen. Der Stundenplan gilt erst ab nächstem Montag. Täglich sechs Stunden, viele Doppelstunden, viel Unterricht bei den Klassenlehrerinnen. Wer Politik und Biologie unterrichten wird, ist noch offen. Die Schule ist in Gesprächen mit möglichen Krankheitsvertretungen. Dass der Unterricht stattfinden wird, sei aber sicher, versichert Boele-Keimer.

Sportunterricht draußen wann immer möglich

Start mit großen Unterschieden

An Grundschulen hatte das Gauß im Vorfeld Heftchen mit QR-Codes verteilt, über die interessierte Schülerinnen und Schüler Einblick in die Klassen nehmen konnten. Zudem gab es aufwändige Einzelführungen und Online-Elternabende. Um den Schulwechsel so geschmeidig wie möglich zu gestalten nach den beiden letzten schwierigen Schuljahren haben die meisten Schulen große Anstrengungen unternommen.Von gleichen Wechselbedingungen kann dennoch nicht annähernd die Rede sein, angesichts der Durchmischung der Schülerschaft aus 14 Grundschulen und vor allem der unterschiedlichsten Lernbedingungen beim Homeschooling. Die WAZ begleitet Noah und die Klasse 5c des Gauß-Gymnasiums durch das erste Schulhalbjahr beim Zusammenwachsen als Klasse und gemeinsamen Lernen. Und das möglichst, so hoffen alle, im Präsenzunterricht.

Zwischendurch gibt es akustische Probleme. Eine Klasse hat Sportunterricht, durch die dauergeöffneten Fenster dringt der damit verbundene Lärm ins Klassenzimmer. „Sport findet solange wie möglich draußen statt“, erklärt Elke Boele-Keimer. Die offenen Fenster allerdings sind wohl auch unverzichtbar. 29 Kinder in einem relativ kleinen Raum, Abstand zu halten ist hier kaum möglich. Mit den Masken scheint keines der Kinder Probleme zu haben, alle tragen ihre vorbildlich, auch über der Nase. Alle beteuern, froh zu sein, dass sie wieder in die Schule können und wollen das sichern. Noah findet es „eher komisch ohne Maske“. Und die Portion Handdesinfektion, die alle nach der Pause auf die Hände gesprüht bekommen, nehmen sie dankbar an.

Der erste Tag an der neuen Schule „war richtig cool“, versichert Noah, den die WAZ mit seiner Klasse in diesem erneut corona-belasteten Schuljahr noch weiter begleiten wird.