Mülheim. Ein katholischer Priester (72) aus Mülheim ist vor dem Amtsgericht schuldig des sexuellen Missbrauchs gesprochen worden. So lief es vor Gericht.

„Ich bin kein Missbrauchstäter“ – bis hin zu seinem ,letzten Wort’ blieb der 72-jährige katholische Priester aus Mülheim uneinsichtig, obwohl das Mülheimer Amtsgericht ihm wenigstens in einem von drei Fällen den Geschlechtsverkehr mit einem Minderjährigen nachgewiesen hatte. Die Richterin verurteilte den Priester zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung. Das kirchliche Verfahren aber steht dem aktuell suspendierten Geistlichen noch bevor.

„Küssen, kuscheln, blasen, wichsen“ hatte – laut Anklageschrift – der heute 21-Jährige aus Essen dem Priester über einen Chat erstmals im März 2018 angeboten. Für 40 Euro „Taschengeld“, abgekürzt „TG“, mit Zunge noch einmal fünf Euro mehr. Kennengelernt hatten sich beide über das Portal „Gay Romeo“, das der Priester aktiv aufgesucht hatte.

Drei Mal hatte sich der Mülheimer Priester mit dem Minderjährigen zum Sex verabredet

Wenigstens drei Mal hatte sich der Mülheimer Priester von März bis Juni 2018 mit dem damals 17-Jährigen verabredet. Die Affäre fand auch im Hause des Geistlichen selbst statt – aufgefallen war dies wohl nur aufgrund eines „aufmerksamen Katholiken“, hieß es vor Gericht. Er stehe auf ältere Männer, habe der Minderjährige ihm gesagt – und dieses wiederholte der junge Mann auch als Zeuge vor dem Amtsgericht. Doch an „harte Deals“, Sex gegen „Taschengeld“, konnte er sich nicht mehr so klar erinnern.

Das habe zwar so angefangen, sei aber „eher locker“ gewesen und habe sich später zu einer „freundschaftlichen Affäre“ gewandelt, sagte dieser vor Gericht aus. Der Priester habe ihn etwa im Krankenhaus besucht, ihm geholfen, als er gemobbt worden sei.

Sex, Geld und Videospiele tauschten der Priester und der Jugendliche aus

Ob schon beim ersten Treffen das verabredete Geld wirklich geflossen sei, wusste der Zeuge ebenfalls nicht mehr. Dabei gab dieser aber freimütig vor Gericht an, dass er immer wieder mit Geschenken bedacht wurde: Das gemeinsame Einkaufen, Games, Spielkonsole, gemeinsam Essen gehen übernahm der Priester angeblich aus reiner Zuneigung. „Musste er aber nicht“, beteuerte der junge Mann vor dem Amtsgericht, er hätte auch ohne Geschenke und Taschengeld den Sexwünschen nachgegeben.

Das Gericht hingegen konnte über Chats nachweisen, dass zwischen den beiden Liebhabern immer wieder Geld und Geschenke besprochen worden sind, und ebenso angeboten wurde, diese mit Sexleistungen „wegzuarbeiten“. Das aber sei so nicht passiert, behauptete die Verteidigung.

Zum 18. Geburtstag bot sich der Jugendliche „als Geschenk“ an

Die Erinnerung versagte dem Jugendlichen ebenso in der Frage, ob er seinen älteren Freund von Anfang an über sein Alter aufgeklärt habe. Das sei „zu lange her“. Das Gedächtnis auffrischen konnte jedoch das Gericht zumindest in einem dritten Fall, denn aus den sichergestellten Chats ging hervor, dass sich der Jugendliche dem katholischen Priester „als Geschenk“ anbieten wolle – zu seinem 18. Geburtstag im Juli.

Spätestens da hätte der heute 72-Jährige wohl wissen können, dass er eine Affäre mit einem Minderjährigen hatte. Doch auch nach dieser Information verabredeten sich beide im Juni vor dem 18. Geburtstag zum Sex – einmal mit Taschengeld, einmal ohne, „wenn du magst“, bot der 17-Jährige an. 97 Euro unter anderem für ein Computerspiel sollen dabei geflossen sein.

Verteidigung hebt „einvernehmlichen Sex“ hervor

Drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie 5000 Euro Geldstrafe wegen sexuellen Missbrauchs hatte die Staatsanwaltschaft gefordert. Bis zu fünf Jahren kann sexueller Missbrauch geahndet werden. Das „Entgelt“ sei zwar nicht das alleinige Kriterium für die Beziehung gewesen, habe aber eine Rolle gespielt.

Die Verteidigung hingegen räumte nur den einen klar nachgewiesenen Fall des Missbrauchs im Juni 2018 ein. Bei den früheren Sex-Treffen habe der Priester das wahre Alter nicht gekannt. Die Verteidigung betonte die „Einvernehmlichkeit“, unter der die Sex-Beziehung abgelaufen sei. Denn der Priester habe keine Macht oder Position genutzt, um auf den Jugendlichen Druck auszuüben, Geschenke und Taschengeld seien nur „on top“ der freundschaftlichen Beziehung gegeben worden.

Gericht sieht sexuellen Missbrauch am Minderjährigen als gegeben an

Das Gericht jedoch sah den Missbrauch als gegeben an und verhängte deshalb die Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung für drei Jahre sowie eine Bewährungsauflage von 1000 Euro. Der Verurteilte gab an, auf eine Berufung verzichten zu wollen.

Auf den Priester wartet jedoch noch ein kirchliches Verfahren, wie Ulrich Lota, Pressesprecher des Bistums Essen, am Montag nach dem Prozess deutlich machte. Man warte auf das schriftliche Urteil, dann werde das Verfahren eingeleitet. Bis zu dessen Ende bleibe die Suspendierung des Priesters bestehen.

Anklage wegen Jugend-Pornos fallen gelassen

Eine weitere Anklage gegen den katholischen Priester wegen des Besitzes jugendpornografischen Materials ließ die Staatsanwaltschaft fallen. Zwar hatte man einige solcher Bilder und Videos auf dem Handy und Laptop des Angeklagten gefunden. Doch der Priester zeigte sich ratlos, wie die Fotos in seinen Speicher gekommen seien. Selbst ein teures Gutachten konnte ihm nicht nachweisen, dieses Material aktiv heruntergeladen zu haben.