Mülheim. Die Materialknappheit und die dadurch steigenden Preise belasten die Baubranche und Bauherren. Auch in Mülheim sind Projekte davon betroffen.
Volle Auftragsbücher sind das eine, doch die Lage bei den Mülheimer Handwerksbetrieben ist aufgrund der Materialknappheit weiter angespannt. Welche Bauprojekte in Mülheim davon betroffen sind.
„In der massiven Form hat sich das wirklich nicht angekündigt“, sagt Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. Der anhaltende Bauboom in der ganzen Welt habe zunehmend zu einem Kampf um die besten Materialien geführt. Die Corona-Krise habe das Fass nun zum Überlaufen gebracht. „Die Ausfuhr von bestimmten Waren hat zum Teil nicht stattgefunden“, sagt Yeboah.
Vor allem Dämmstoffe sind zurzeit rar
Neben Holz, Stahl und Beton sind es vor allem Dämmstoffe, die aktuell besonders rar sind. Diese werden in erster Linie für die zahlreichen energetische Sanierungen gebraucht. „Die Stoffe, die ich im September bekommen soll, habe ich im Juni bestellt“, erläutert Jens Peter Richard, Obermeister der hiesigen Dachdeckerinnung.
Auch wenn von allen Seiten Maßnahmen ergriffen werden, sind die Betriebe der schwierigen Lage vorerst ausgeliefert. „Der Markt hat sich so entwickelt, dass eine Just-in-time-Lieferung stattfindet. Das heißt, es werden keine großen Lagerbestände angelegt“, weiß Barbara Yeboah. Obermeister Richard ergänzt, warum: „Wir reden hier von Riesenvolumen. So riesig sind die meisten Lager vor allem in städtischen Bereichen gar nicht.“
Klage aus Mülheims Handwerk: Einkaufspreise steigen ins Unermessliche
Auswirkungen auf künftige Bauvorhaben
Der Materialmangel wird nicht nur die laufenden Projekte, sondern auch zukünftige beeinträchtigen. „Bei Vergabeverfahren, die derzeit oder künftig durchgeführt werden, kann davon ausgegangen werden, dass stark überteuerte Angebote abgegeben werden“, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels.
Dies hat zur Folge, dass Vergabeverfahren wegen Unwirtschaftlichkeit teilweise mehrfach wiederholt werden müssen. Zeitliche Verzögerungen seien daher zu erwarten. „Hiermit setzt sich der Trend der vergangenen Jahre, jetzt noch deutlicher, fort“, bedauert Wiebels. Über die jährliche Prioritätenliste und zusätzlich im Finanzausschuss werde darüber laufend ausführlich berichtet.
Die schwierige Situation führt freilich dazu, dass die Einkaufspreise ins Unermessliche steigen. Zimmerleute berichten, dass der Meter Holz zwei Euro mehr kostet als vorher. Bei Privatkunden führt das dazu, dass größere Projekte verschoben werden müssen. „Die Leute haben ihr Limit für größere Baumaßnahmen und können die Preissteigerungen von bis zu 40 Prozent nicht mitgehen“, sagt Barbara Yeboah.
Anders sieht es bei öffentlichen Aufträgen aus. „Die üblichen Bindungsfristen von drei Monaten bei Angeboten führen dazu, dass es für Firmen teilweise nicht mehr wirtschaftlich ist, zu den zuvor geringer kalkulierten Konditionen zu arbeiten“, sagt Mülheims Stadtsprecher Volker Wiebels. Im schlimmsten Fall könne das dazu führen, dass die Firmen die Aufträge kündigen.
Verzögerungen an der Alten Post, der Ruhrkristall-Brücke und an der Willy-Brandt-Schule
In Mülheim könnte das alle Bauprojekte betreffen, bei denen insbesondere Holz, Stahl und Beton gebraucht werden. Aktuell gibt es Lieferschwierigkeiten bei Holz für das Museum Alte Post. Zudem ist aktuell die Fußgängerbrücke am Ruhrkristall gesperrt, weil dort die Bohlen ausgetauscht werden müssen. Bei der Ausschreibung wurde nur ein Angebot abgegeben, dem aufgrund eines unangemessen hohen Preises kein Zuschlag erteilt werden konnte. Nun läuft die Planung mit einem alternativen Material. Stadtsprecher Wiebels geht von einer Sperrung von bis zu sechs Monaten aus.
An der Willy-Brandt-Schule sind durch Lieferschwierigkeiten Verzögerungen von mehreren Wochen bei den Arbeiten beim Wärmedämmverbundsystem entstanden. Ebenso bei der Lieferung von Fliesen. Beide konnten durch Umstellungen im Ablauf kompensiert werden. „Derzeit gibt es aber weitere zeitliche Verzögerungen, weil Waschtischmöbel und Hygieneobjekte nicht wie geplant Anfang des Jahres geliefert werden konnten, sondern erst kurz vor Ferienende. Konkrete zeitliche und finanzielle Auswirkungen lassen sich jetzt noch nicht absehen“, so Wiebels.
Der Immobilienservice der Stadt sei nach wie vor bemüht, die Planungen, soweit es geht, einzuhalten. Wiebels: „Die ist jedoch nur nachgelagert, da die Problematik externer Natur ist.“