Oberhausen/Stahnsdorf. Ein Oberhausener Holocaustleugner wurde im Grab eines jüdischstämmigen Professors beigesetzt. Die Kirche will den Schaden nun begrenzen.
Die Beisetzung des Oberhausener Holocaust-Leugners und Antisemiten Henry Hafenmayer auf dem Grab des jüdischstämmigen Wissenschaftlers Max Friedlaender in Stahnsdof bei Berlin hat bundesweit für Entsetzen gesorgt. Die Evangelische Kirche will den Schaden nun begrenzen und prüft eine Umbettung der Urne. „Das ist eine der Ideen, um das wieder gutzumachen, was nicht wieder gutzumachen ist“, sagte eine Sprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).
Der justizbekannte Neonazi und Wahl-Oberhausener Hafenmayer wurde am vergangenen Freitag auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf in Brandenburg auf der ehemaligen Grabstätte Friedlaenders im Beisein von mehreren rechtsextremen Anhängern beigesetzt. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach von einem „äußerst unglücklichen Fehler“. Die Verantwortlichen hätten ihm glaubhaft versichert, den Fall gründlich intern aufzuarbeiten und planten nun Strukturen zu schaffen, damit so etwas nicht mehr passiere.
Jüdische Gemeinde Oberhausen: Nazis haben Kirche eiskalt ausgenutzt
„Dieser Vorgang ist nicht nur unglücklich, er ist unter aller Sau“, sagte Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen im Gespräch mit unserer Redaktion. Seine Gemeinde sei geschockt gewesen. „Die Urne muss nun unbedingt woanders bestattet werden“, forderte er. „Die Nazis haben die Kirche hier eiskalt ausgenutzt.“
Die Landeskirche und die Friedhofsverwaltung wussten nach eigenen Angaben, dass es sich bei Hafenmayer um einen Holocaust-Leugner handelt. Die EKBO entschied, die Anfrage nach einer Grabstätte in Stahnsdorf jedoch nicht abzulehnen, da jeder Mensch ein Anrecht auf eine letzte Ruhestätte habe.
Ersten Medienberichten zufolge sei der Grund für die Wahl der Grabstätte ein Patenschaftsverhältnis gewesen. Die Annahme: Unterstützer von Hafenmayer hätten einen Patenschaftsvertrag für das historische Grab abgeschlossen – und so das Recht erworben, dort eine Beisetzung durchzuführen. In einer Stellungnahme der Evangelischen Kirche heißt es aber nun, einen solchen Vertrag habe es nie gegeben.
Kirche: Grab des jüdischstämmigen Wissenschaftlers ist seit 1980 frei
Das Grab sei stattdessen 1980 abgelaufen und zur Wiederbelegung frei gewesen. Seitdem habe es „kein Interesse“ an dem historischen Grab gegeben. Zudem macht die Kirche darauf aufmerksam, dass Max Friedlaenders Religion auf der Beerdigungsanmeldung von 1934 mit evangelisch angegeben worden sei. In jenem Jahr verstarb der jüdischstämmige Musikwissenschaftler an einem Schlaganfall.
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Der erste Wunsch nach einem Ort für das Grab ist von der Friedhofsverwaltung nach eigenen Angaben noch abgelehnt worden. Der 49-jährige Hafenmayer habe sich zunächst eine zentrale Grabstelle gewünscht. Diesem Anliegen sei man nicht nachgekommen, „da in dem anvisierten Bereich viele Gräber jüdischer Verstorbener liegen.“ Mit der Auswahl einer abgelegenen dezentralen Grabstelle habe man dann die Bildung einer Anlaufstelle für Rechtsextreme vorbeugen wollen, heißt es weiter.
Evangelische Kirche will Gedenkstätte für jüdischen Musikwissenschaftler schaffen
Erworben wurde die Grabstelle von Hafenmayers Bevollmächtigtem, Uwe Meenen – stellvertretender Vorsitzende der rechtsextremen NPD in Berlin und Mitbegründer der Nazi-Vereinigung „Deutsche Kolleg“. Nazi-Größen wie der im Oktober 2020 wegen Volksverhetzung aus der Haft entlassene Horst Mahler nahmen an der Beisetzung von Hafenmayer teil. Sie hatten vor Ort unter anderem Kränze mit Grabschleifen in den Reichsfarben niedergelegt. Nach Angaben der Kirche wurden diese unmittelbar nach der Beerdigung beseitigt. Friedlaenders denkmalgeschützter Grabstein sei bei der Beerdigung verhüllt worden.
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Die evangelische Kirche will nun das Andenken an den Liedexperten wachhalten. Für ihn solle eine würdige Gedenkstätte unter Einbeziehung seines Grabsteins geschaffen werden, sagte die Erinnerungsbeauftragte der EKBO, Marion Gardei. Geplant sei ein „zeitlich nicht begrenztes Gedenken“. Zudem solle das Leben von Friedlaender, der evangelisch bestattet wurde, erforscht werden.
Anti-Rechts-Initiative fordert anonyme Verstreuung der Asche Hafenmayers
Die Oberhausener Anti-Rechts-Initative „Es reicht!“ forderte derweil die anonyme Verstreuung der sterblichen Überreste von Hafenmayer und nannte dies "die einzig angemessene Art des Umgangs“. Die Initiative macht darauf aufmerksam, dass diverse, von Hafenmayer betriebene Internetauftritte immer noch vorhanden seien. „Diese triefen nur so von frei zugänglicher NS-Verherrlichung und Antisemitismus“, heißt es. „Wir fordern daher die zuständigen Behörden und Institutionen auf, diese schnellstmöglich zu entfernen, damit die von Hafenmayer verbreiteten Inhalte zumindest über diesen Weg keine weitere Verbreitung mehr finden.“ (mit dpa/epd)