Oberhausen/Stahnsdorf. Ein szenebekannter Holocaust-Leugner wurde bei Berlin in einem ehemals jüdischen Grab beerdigt. Warum gestattete die Kirche diese „Provokation“?

Der im August verstorbene Oberhausener Neonazi und Holocaust-Leugner Henry Hafenmayer ist in Stahnsdorf bei Berlin bestattet worden - ausgerechnet in einer ehemals jüdischen Grabstätte. Trotz der offenen antisemitischen Haltung des Verstorbenen lehnte die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) als Trägerin des Südwestkirchhofs die dortige Bestattung nicht ab.

Beigesetzt wurde Hafenmayer am Freitag (8. Oktober) in der Grabstelle des jüdischen Musikwissenschaftlers Max Friedlaender (1852-1934), bestätigte die EKBO. Zuerst hatten die Informationsdienste „blick nach rechts“ und „Recherchenetzwerk Berlin“ darüber berichtet.

Grabschleifen in den Reichsfarben und aufgedruckte eiserne Kreuze

Laut dem „Recherchenetzwerk Berlin“ nahmen an der Beisetzung des Oberhauseners zahlreiche Neonazi-Größen und Rechtsextremisten teil, darunter der Neonazi Horst Mahler, der wegen Volksverhetzung lange Jahre inhaftiert war.

Unter den Trauergästen waren zudem der Neonazi-Aktivist und langjährige NPD-Kader Thomas Wulff, der rechtsextreme Blogger Nikolai Nerling alias „Der Volkslehrer“ und Dennis Ingo Schulz, ein mehrfach vorbestrafter sogenannter Reichsbürger. Fotos von der Grabstelle zeigen Kränze mit Grabschleifen in den Reichsfarben und aufgedruckten eisernen Kreuzen.

Warum die Kirche die Anfrage nach der Grabstätte nicht ablehnte

Laut Landeskirche war die Beisetzung Hafenmayers ohne evangelische Begleitung. Die Entscheidung, die Anfrage nach einer Grabstätte nicht abzulehnen, sei im Konsistorium EKBO getroffen worden, hieß es. Leitend sei dabei im Grundsatz, dass jeder Mensch ein Anrecht auf eine letzte Ruhestätte habe.

Der erste Grabstättenwunsch sei von der Friedhofsleitung abgelehnt worden, trotzdem sei auch die Auswahl der ehemaligen Grabstätte Max Friedlaenders ein Fehler. „Diesen Fehler prüfen wir zurzeit“, erklärte die Landeskirche.

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Ersten Medienberichten zufolge sei der Grund für die Wahl der Grabstätte ein Patenschaftsverhältnis gewesen. Auf dem Friedhof besteht seit einigen Jahren die Möglichkeit, Patenschaftsverträge für historische Grabstätten abzuschließen. Die Kosten für die Instandhaltung und Pflege der historischen Grabmale übernehmen die Paten. Der Pate erwirbt im Gegenzug das Recht, Beisetzungen auf der ausgewählten Grabstätte vornehmen zu lassen. Die Evangelische Kirche hat mittlerweile jedoch mitgeteilt, dass es kein Patenschaftsvertrag gegeben haben soll. Das Grab sei 1980 abgelaufen und zur Wiederbelegung frei gewesen.

Oberhausener Anti-Rechts-Initiative: „Bewusste Provokation“

Die Oberhausener Anti-Rechts-Initiative „Es Reicht!“ beschreibt die Wahl der Grabstätte als „bewusst angelegte Provokation, die symbolisch den Sieg des Antisemiten über die jüdische Bevölkerung darstellen soll.“ Sofern nun nichts unternommen wird, sei abzusehen, dass sich das Grab zu „einer Pilgerstätte zum Todestag“ von Hafenmayer und Anziehungspunkt für Rechtsextreme entwickele.

Widerstand aber formiert sich bereits: Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn hat inzwischen Strafanzeige wegen des Verdachts der Störung der Totenruhe, der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und der Volksverhetzung erstattet, wie die Senatsverwaltung für Justiz mitteile.

Wegen antisemitischer Briefe vor dem Amtsgericht Oberhausen

Größter evangelischer Friedhof

Der mehr als 200 Hektar große Stahnsdorfer Südwestkirchhof wurde 1909 eröffnet und ist Deutschlands größter evangelischer Friedhof. Die als Landschaftsdenkmal geschützte Begräbnisstätte liegt in Brandenburg in der Nähe von Potsdam und Berlin. In Stahnsdorf sind zahlreiche Prominente bestattet, darunter die Künstler Lovis Corinth und Heinrich Zille, der Komponist Engelbert Humperdinck und der Schauspieler Manfred Krug.

Bei „Es Reicht“ heißt es, der schwer kranke Hafenmayer habe bis zuletzt von seiner Wahlheimat Oberhausen aus gewirkt. Bis vor einigen Jahren habe er noch für den Rhein-Ruhr-Hafen gearbeitet, sei dann aber auch dort aufgrund seiner antisemitischen Haltung entlassen worden. Für die örtliche Nazi-Szene sei der ehemalige Lokführer aber von überschaubarer Bedeutung gewesen, vielmehr habe er versucht, überregional und international Kontakte zu pflegen.

Kein Unbekannter war Hafenmayer auch für die örtlichen Gerichte. Vor dem Amtsgericht Oberhausen und Landgericht Duisburg musst er sich wegen antisemitischer und holocaustleugnender Briefe verantworten, die er online veröffentlicht und unter anderem an Polizeidienststellen, Staatsanwaltschaften und Justiz sowie einem Menschen jüdischen Glaubens verschickt hatte. Im März 2020 wurde er dafür zu 15 Monaten Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Auf seiner Website „Ende der Lüge“ hatte er bis Frühjahr 2021 rechtsextreme Inhalte verbreitet, auf seinem gleichnamigen Telegram-Kanal wütete er bis zuletzt. (epd/gowe)