Gelsenkirchen-Beckhausen. Gerd Schwenzfeier ist seit 26 Jahren der Kopf des Gelsenkirchener Karnevals. Jetzt nimmt er seinen Abschied – und blickt noch einmal zurück.

„Ich bin kein Karnevalist“, sagt er und lacht. Denn er weiß, wie unglaublich das klingt. So ist doch Gerd Schwenzfeier seit 26 Jahren der Kopf des Gelsenkirchener Karnevals. Seither steht er dem Festkomitee Gelsenkirchener Karneval vor – und meint seine überraschende Aussage doch ernst. „Ich bin ein Vereinsmeier.“ Das Engagement mit Menschen und für Menschen, das sei es, was ihn antreibe.

„Ich bin ein Späteinsteiger“, erzählt er schmunzelnd weiter. Das jecke Brauchtum sei ihm keineswegs in die Wiege gelegt worden, als er im März 1944 das Licht der Welt erblickte. Als Geschäftsmann – er betreibt mit seiner Frau Anette ein Lotto-Geschäft und ein Reisebüro an der Horster Straße – ist er im Stadtteil Beckhausen aktiv. „Mein Ziehvater, der Ehrenbürger des Ruhrgebiets Friedrich Mordau, brachte mich zum Bürgerverein.“ Für seinen Einsatz wird er 1986 ausgezeichnet: Der KC Astoria ernennt ihn zum Ehrenritter – die erste Karnevalssitzung in Gerd Schwenzfeiers Leben. [Lesen Sie auch: Erler Zuchvögel – die „Bläck Fööss“ aus Gelsenkirchen]

Mit dem Dirndl zur Gelsenkirchener Damensitzung

Karnevalisten unter sich: Gerd Schwenzfeier (r.) mit Peter Niemann (Bund Ruhrkarneval, l.) und Ex-Oberbürgermeister Frank Baranowski.
Karnevalisten unter sich: Gerd Schwenzfeier (r.) mit Peter Niemann (Bund Ruhrkarneval, l.) und Ex-Oberbürgermeister Frank Baranowski. © WAZ FotoPool | Martin Möller

Es dauert nur ein paar Wochen, da hat er sich zurecht gefunden. „Ich erinnere mich gut an den ersten Rathaussturm, den ich miterlebt habe. Da standen wir alle von Astoria in Couleur, dann ging die Tür auf und es herrschte ein großes Helau.“ Wenig später wird Anette Schwenzfeier zur Stadtprinzessin, präsentiert an der Seite von Willy Danilowski die Farben des Horster Karnevalsclubs. Oftmals mit dabei: Gerd Schwenzfeier. „Mit dem Prinzen zusammen bin ich zur Damensitzung. Die hat meine Frau ja ins Leben gerufen. Wie beide waren die einzigen Männer im Saal – und sind in Frauenkleidern gekommen. Das haben wir einige Jahre lang gemacht – mal im Dirndl, mal im Blümchenkleid.“

Weil er in einer Laune öffentlich erklärt, was der Sitzungspräsident der Astorianer könne, das könne er besser, wird Gerd Schwenzfeier bald zum „Ansager“, wie er es selbst nennt. Er, der eigentlich eine Scheu vor Mikrofonen gehabt habe. „Als Vorsitzender der hiesigen Werbegemeinschaft habe ich immer versucht, meinen Stellvertreter vorzuschieben. Erst durch den Karneval habe ich diese Scheu verloren.“ [Lesen Sie auch:Karneval in Gelsenkirchen: Gottesdienst statt großer Gaudi]

Warum für Schwenzfeier die Satzung geändert wurde

1995 holt Hans-Georg Zebandt den Horster ins Festkomitee Gelsenkirchener Karneval, macht ihn zum 2. Vorsitzenden. „Nur ein Jahr später starb er und ich wurde kommissarisch 1. Vorsitzender, bis das auf der Jahreshauptversammlung bestätigt wurde.“ Tatsächlich kommt Gerd Schwenzfeier 1996 ins höchste Amt des Gelsenkirchener Karnevals, das des Vorsitzenden des Festkomitees, und geht als dessen Präsident. Allein für ihn nämlich wird die Satzung geändert und damit auch der Titel. „Das hat damals Frank Baranowski beantragt. Ich habe immer gesagt, ich will kein Stadtprinz werden. Aber was ich gerne wäre, ist Präsident des Festkomitees Kölner Karneval.“

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Ein Ehrenamt, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine große Freude obendrein. Aber auch ordentlich Arbeit. „Das können sich viele gar nicht vorstellen“, sagt der 77-Jährige. Nur ein kleines Beispiel: Rund 45.000 Seiten drucke er jährlich in karnevalistischer Mission. „Und die müssen ja auch gestaltet und vorbereitet werden.“ Zumal auch die Bürokratie das Brauchtum fordert. „Vor dem Unglück bei der Loveparade hatte unser Sicherheitskonzept für den Rosenmontagsumzug acht Seiten. Heute sind es rund 70.“

Stehende Ovationen rührten ihn zu Tränen

Generationswechsel im Karneval

Im Sommer steht die Jahreshauptversammlung des Festkomitees Gelsenkirchener Karneval statt, mitsamt den Vorstandswahlen. Dann will Gerd Schwenzfeier nicht mehr antreten.Auf ihn soll Björn Tondorf folgen, bislang Vizepräsident des Festkomitees. Der umtriebige und engagierte Karnevalist ist seit vielen Jahren aktiv, unter anderem als amtierender Präsident der Erler Funken.Dies ist ein erster Schritt zum Generationswechsel im Gelsenkirchener Karneval. Weitere Jecken für andere Ämter im Präsidium des Festkomitees würden, so Gerd Schwenzfeier, derzeit noch ausgewählt.

Immer mehr Aufwand, der auch immer mehr Kosten verursache. Um die großen Veranstaltungen des Festkomitees, wie den Umzug und den Rathaussturm, durchführen zu können, braucht es viele Unterstützer. Diese findet und betreut Gerd Schwenzfeier seit 26 Jahren. „Ich sage immer, ich bin der größte Bettler von Gelsenkirchen.“ Um das noch besser zu können, gründet der präsidiale Karnevalist den „Förderverein für karnevalistische Brauchtumspflege“. Ein echter Coup: Seither sind Volksbank und Sparkasse die Hauptsponsoren. Und auch andere Unternehmen können auf einfachem Wege spenden. „Das hat uns sehr geholfen, weil wir so erstmals auch die Gesellschaften unterstützen können.“ Zum Beispiel, wenn es daran geht, die Prinzenpaare auszustatten.

Im Sommer soll nun die Zeit im Präsidentenamt zu Ende gehen. „Man wird älter“, erklärt Gerd Schwenzfeier. „Das ist ja auch körperlich anstrengend. Ich bin nicht mehr der letzte, der nach Hause geht“, sagt er und lacht. Bleibt nur noch eine Frage. Die nämlich, was als der schönste Moment in all den Jahren in Erinnerung bleibt? Kurzes Schweigen. „Ich weiß eins“, sagt dann Anette Schwenzfeier. „Das war bei der Jubiläumsveranstaltung des Festkomitees im Hans-Sachs-Haus. Da hat er eine Rede gehalten und erwähnt, dass er ja über zwanzig Jahre Präsident ist. Da gab es spontan stehenden Applaus und mein Mann stand vorne mit Tränen in den Augen.“