Gelsenkirchen. 20 Jahre lang sind die Erler Zuchvögel aus dem örtlichen Karneval nicht wegzudenken. Sie veröffentlichten drei Platten. Dies ist ihre Geschichte.
„In Gelsenkirchen bin ich verliebt, genau wie du, genau wie du. In Gelsenkirchen bin ich verliebt, drum hör’ mir zu, drum hör’ mir zu. Es gibt für mich keine Stadt, die so viel Herz wie Gelsenkirchen hat.“
Zeilen, die die Gelsenkirchener einst berührten. Sie stammen von den „Erler Zuchvögeln“. Die musizierenden Jecken aus dem Stadtosten landen damit 1984 ihren ersten ganz großen Hit – im fünften Jahr ihres Bestehens. „Meine Idee war, bei den Erler Funken eine Gesangsgruppe zu gründen nach dem Vorbild der Bläck Fööss“, erinnert sich Rüdiger Pütz. In den Vereinsreihen findet er rasch zunächst sechs, dann einen weiteren Mitstreiter. Schon 1980 steht im Festzelt der Erler Funken der erste Auftritt an. Der ist ein furioser Erfolg. „Da war richtig was los“, schwärmt Rüdiger Pütz.
„Zuerst haben wir die Lieder der Bläck Fööss nachgesungen.“ Ein richtiges kleines Showprogramm hat die Truppe eingeübt. „Immer schnieke gekleidet.“ Die ersten Show-Hemden stiftet damals der Erler Geschäftsmann und Karnevalist Werner Osigus.
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Weil es so gut läuft, erwacht der Ehrgeiz. Zumal sich bald die feste Truppe findet. Einige Abgänge gibt es ebenso wie Zugänge. 1982 stößt Heinz Zubel dazu. „Da gab es dann das Lied: ,In Gelsenkirchen bin ich verliebt’. Getextet hat das Karl-Heinz Sträter.“ Ein Installateur aus dem Viertel, der dem Karneval sehr verbunden ist. „Der gehörte zu unseren größten Fans.“ Und er schenkt der Band ihren ersten großen Hit. Von jetzt an gibt es kein Halten mehr.
„Gelsenkirchen, das ist ein Zauberwort, wer einmal da war, will nicht wieder fort. Die Gemütlichkeit, die freut hier alle Leut. Stadt mit Herz, so wirst du stets genannt, überall auf der Welt bist du bekannt. Drum sag ich so gern und lass es alle hör‘n: In Gelsenkirchen bin ich verliebt.“
Die Band spielt mit dem Gedanken, eine Platte aufzunehmen. „Der Referent des Oberbürgermeisters, Gerd Teulings, hat immer gesagt: Ihr müsst eine Platte machen. Aber dafür brauchte man ja zwei Lieder. Da habe ich das Lied vom Sportparadies geschrieben“, erzählt Heinz Zubel, der später auch alle weiteren Texte schreibt. Noch so eine Nummer mit viel Lokalromantik, über das Paradies von Gelsenkirchen, die beim heutigen Hören recht verklärt erscheint. Auch dieser Titel wird zum Hit. Die Narrenschar besingt sich selbst und ihre Stadt. Die Platte wird zum Verkaufsschlager.
„Dabei wussten wir ja gar nicht, wie das geht“, lachen die beiden letzten noch lebenden Mitglieder der früheren Kult-Band. „Als wir uns das erste Mal im Studio getroffen haben und uns die Aufnahmen angehört haben, haben wir gesagt, das sind wir nicht.“ Doch die singenden Erler bekommen viel Hilfe. „Und die Platte ist gelaufen wie jeck.“ Die ersten 1500 Exemplare sind bald ausverkauft – weil die Stadt des Gelsenkirchener Liebesliedes wegen die ersten 500 kauft und das Sportparadies aus den gleichen Gründen die zweiten 500. Bald müssen weitere Platten gepresst werden. „Insgesamt haben wir rund 4000 Stück verkauft.“
Das ist der Durchbruch für die Band in der Region und in der Szene. Ab 1983 nimmt sie jährlich an Wettbewerben des Bund Ruhr Karnevals teil, heimst gleich den zweiten Platz ein. Es folgen zwei weitere zweite Plätze und drei erste Plätze in Folge. Die Bühnenauftritte der „Erler Zuchvögel“ sind gefragt. Rüdiger Pütz liefert mit einer kleinen Anekdote die Erklärung: „Der Charly Roslan hat uns auf der Bühne immer mit diesen Worten angesagt: Hier kommen die Olympiasieger des Frohsinns, die Bläck Fööss von Gelsenkirchen.“ – „Das war eine wilde Zeit. Wir hatten Auftritte von Bottrop bis zum Sauerland.“
Erler Zuchvögel – im Karneval mit viel anderer Prominenz auf der Bühne
Dort steht die Truppe auch mit Prominenz auf der Bühne. „Schon bei unserem ersten Auftritt war Lotti Krekel nach uns dran.“ Dann erinnern sich die Männer an den Schlagersänger Peter Petrel, Graham Bonney und G. G. Anderson. An Letzteren besonders gern. „Das war im Festzelt der Bülser Schützen. Da hatte es stark geregnet und unsere Anlage funktionierte nicht. Da sagte der: ,Jungs, das bekommen wir schon hin.’ Zuletzt haben wir gemeinsam eines von seinen Liedern gesungen und er hat mein Mikrofon benutzt“, berichtet Heinz Zubel. „Von ihm habe ich viel gelernt: Zum Beispiel, dass man die Ruhe behalten muss vor einem Auftritt.“ Dennoch: „Das Lampenfieber ist immer da. Das geht erst mit dem ersten Ton weg.“
Es ist eine Zeit, da hat die Truppe viele Auftritte. In der Hochzeit des Karnevals seien das schon mal fünf, sechs an einem Abend gewesen. Eine zweite Platte entsteht 1985. Sie vereint die Titel „Wir Menschen im Revier“ und „Heimweh nach Gelsenkirchen“ – beides keine Karnevalslieder. Und kein so großer Erfolg wie das erste Album. Deswegen will man es 1987 noch einmal wissen. Ein weiterer Hit wird geboren: „Komm auf ein Bierchen nach Gelsenkirchen“. Auf der B-Seite ist das Lied vom „Kiesellasterlenker“ zu hören. „Da waren wir wieder im Geschäft. Auch die Platten gingen weg wie jeck.“
Erfolge, die ans Denken bringen. Darüber, ob es Sinn machen könnte, sich ganz der Musik zu verschreiben. „Aber besonders wir beide hatten unsere festen, guten Jobs“, sagt Rüdiger Pütz. Also schafft die Band weiter den Spagat zwischen Arbeit und Musik. Der ist besonders jetzt recht anspruchsvoll. „Durch die beiden Platten waren wir ja überall gefragt. Jeder, der in Gelsenkirchen eine größere Party machte, wollte uns und unsere Gelsenkirchen-Lieder dabei haben.“
Die Historie der Erler Zuchvögel
Die „Erler Zuchvögel“ gründen sich 1979. Mit dabei sind: Hermann Just, Werner Rauher, Albert Matschulla, Ingrid Matschulla, Lothar Rudnik, Bärbel Rudnik und Frontmann Rüdiger Pütz. 1980 kam Heiner Kullik dazu.
Nach nur zwei Jahren verließen Ingrid und Albert Matschulla und Bärbel Rudnik die Band. 1982 verstärkte Heinz Zubel die Gruppe, bevor Lothar Rudnik sie verließ.
Die Band besteht fortan aus Hermann Just, Werner Rauher, Heiner Kullik, Heinz Zubel und Rüdiger Pütz, bis 1985 noch Peter Brilka zur Truppe stößt.
Die anderen, besonders wichtigen Mitglieder sind auf keiner Platte genannt: Es sind die Frauen der Musiker, die sie immer unterstützen und mit ihnen eine eingeschworene Gemeinschaft bilden.
Erst am Ende der Band-Laufbahn steht eine erste Tournee an: „Das war mein größtes Erlebnis. Da sind wir 1990 in die DDR gefahren – mit einem großen Bus nach Bitterfeld“, erzählt Rüdiger Pütz. Nur wenig später verlässt er die Band. Zwar kehrt er später noch einmal zurück, doch Ende der 90er wollen auch die anderen nicht mehr weiter machen. „Irgendwann geht jede schöne Geschichte zu Ende“, weiß Heinz Zubel. Geblieben sind die Hits der Band. Ein Stück musikalische Zeitgeschichte.
„Gelsenkirchen, das Herz im Ruhrgebiet, ist der Ort, zu dem es mich immer zieht. Kanal und Emscher, das ganze Drum und Dran, kommt für die Bürger seit Zeiten schon an. Und ich sag es immer noch einmal, ich sag es jetzt hier, drum Freunde singt mit mir: In Gelsenkirchen bin ich verliebt.“