Mülheim. Mit schlappen neun Euro durch ganz Deutschland. Mülheimer Reisende nutzen vermehrt ihr 9-Euro-Ticket. Die weitesten und skurrilsten Strecken
Es ist so einfach: Neun Euro in den Automaten, Karte ziehen, einsteigen. Kein Stress mit verwirrenden Waben und noch verwirrenderen Tarifen. Einfach los. In der Ruhrstadt gehen etliche Mülheimer auf Entdeckertour: Immerhin 27.548 Tickets verkaufte die Ruhrbahn bislang hier. Wir haben daher am Samstagmorgen gefragt: Wohin des Wegs?
Durchaus in die Ferne: Sie wollen mit dem Zug bis nach Holland und die Heimat besuchen – das sei ihre liebste Idee mit dem neu erstandenen Ticket, bekennen die Eheleute Moogs. Doch erst einmal geht es zum Wochenend-Markt nach Münster. Über weitere Besuche von Aachen und Düsseldorf sprechen sie jedoch schon. Ob das „Konzept 9-Euro-Ticket“ taugt, können sie vor der Fahrt noch nicht beurteilen. Ehefrau Moogs aber bekennt: „Ohne 9-Euro-Ticket hätten wir das nicht so ausgenutzt“.
Einfach mal auf den Wochenmarkt – aber nach Münster
Auch interessant
Ein Rentner, der seinen vollen Namen aber nicht nennen mag, hat sich ebenfalls den Markt in Münster als Reiseziel ausgesucht. Das Ticket ist so günstig, dass er es sich leisten kann, in den Zug einzusteigen und einmal in der Woche auf dem atmosphärischen Markt vor dem St. Paulus Dom abwechslungsreicher einzukaufen.
Mit seiner Wanderkameradin tritt er für die neun Euro danach die regulären Samstagswanderungen an. „Das ist eine schöne Sache. Wer freut sich nicht darüber“, sagt sie. Selbst wenn die Wagen voller seien: Das nehme man doch in Kauf, sind sie sich einig. Einen überfüllten Zug haben sie noch nicht erlebt.
9-Euro-Ticket bringt Mülheimer Familie auf märchenhafte Ideen
Das 9-Euro-Ticket macht eine Großfamilie erfinderisch: Mutter Sarah hat ihre ,Mischpoke’ gleich zu einem Generationenausflug in den Märchenwald Altenberg inspiriert. Die Idee kam ihr erst durch das 9-Euro-Ticket, sagt sie. Auch in den Sommerferien stehen ihren drei Kindern Lynn, Linus und Luna weitere Erlebnisse bevor. Großmutter Carola hat ihr Ticket schon häufiger ausgenutzt: „Es war super – alles leer. Man muss natürlich gucken, wann man fährt.“
„Fragen sie lieber, wer kein Ticket hat. Bei uns ist das niemand“, ist Gisela Derhardts lachende Antwort auf die Frage, wer vom Sauerländischen Gebirgsverein Mülheim ein 9-Euro-Ticket besitzt. Sie ist eine von dreizehn Wanderern in den besten Jahren, die heute in Dinslaken einen ganz neuen Weg entdecken wollen. Der neue Fahrschein für ganz Deutschland erleichtert der Wanderführung die Abwicklung und der vergnügten Truppe die Entdeckungstour.
Ich will doch nach Berlin – die coolen Metropolen locken
Die coolen Metropolen locken, mit dem Ticket erschlossen zu werden. Die 14-Jährige Maja und die 15-Jährige Anna haben sich die Bundeshauptstadt vorgenommen: Es geht nach Berlin – aber in Etappen. Erst machen sie sich heute auf nach Düsseldorf, um dort ihren Samstag zu verbringen. Ihre gleichaltrigen Freundinnen Mette und Hannah haben anderes im Sinn: eine Tagesreise nach Köln. Neben ihren alltäglichen Schulwegen mit Bus und Bahn ist das bisher die weiteste Strecke mit dem Ticket für die vier.
„Ohne 9-Euro-Ticket würde ich wohl mit dem Auto fahren“, gibt die 34-Jährige Gunhee Park unumwunden zu, die sich auf den Weg nach Düsseldorf macht. Das geht einigen so, die heute unterwegs sind. Doch für den Preis und angesichts der starken Preise an der Zapfsäule fällt die Wahl leicht.
Auch Petra Bruns lässt das Auto diesmal vor der Tür stehen, um beim Junggesellinnenabschied ihrer Tochter Jennifer Bruns in Köln mitzumischen. Ohne das Ticket wäre sie wohl „notgedrungen“ mit dem Auto gefahren, meint sie. Zu dritt mit Freundin Marita Benito aber nutzen sie das Schnäppchen für den geheim geplanten Anlass. Zusätzliche Gäste der Party steigen noch bei der Fahrt hinzu. Die gemeinsame Reise mit vielen wäre so im Auto nicht möglich gewesen. Außerdem hat Petra Bruns gleich clever mitgedacht: So spart man sich die nervige Parkplatzsuche in Köln – und die saftigen Parkgebühren.
Einige haben schon Tickets für Juli und August erworben
147.777 Tickets für 9 Euro hat die Ruhrbahn inzwischen verkauft, davon 120.229 in Essen und 27.548 in Mülheim. Am meisten haben Ruhrbahnkunden dafür die Automaten genutzt, gefolgt von Vertriebsstellen, KundenCentern und der ZÄPP, sagt Pressesprecherin Simone Klose. Einige Kunden haben bereits Tickets für Juli und August erworben.Seit dem Start des 9-Euro-Tickets sei es im Betrieb der Ruhrbahn zu keinerlei Auffälligkeiten gekommen, wie die Leitstelle, Kolleginnen und Kollegen aus dem Fahrbetrieb sowie aus den KundenCentern melden.Es sei allerdings bundesweit zu beobachten, dass – wie im Vorfeld angenommen – der Freizeit- und Reiseverkehr zunimmt und viele Nutzer des Tickets sich aufmachen, am Wochenende Städte oder Deutschland zu entdecken.