Oberhausen. Weil er sich über Masken in der Schule ärgerte, wurde Ralf Wosnek politisch aktiv. Nun wütet der Direktkandidat in Oberhausen über impfende Ärzte.

Als wir Ralf Wosnek telefonisch erreichen, liest er gerade die geänderten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Impfung von Zwölf- bis 17-Jährigen durch. Seine Meinung dazu, dass die Stiko die Impfung der Jugendlichen aufgrund „neuer wissenschaftlicher Daten“ inzwischen empfiehlt, ist deutlich: „Ich bin enttäuscht. Für mich ist da zu viel politischer Druck ausgeübt worden.“

Ralf Wosnek ist Sohn einer Bergarbeiterfamilie, ausgebildeter Dreher, Firmengründer, langjähriger Nichtwähler - und nun Direktkandidat der neuen „Basisdemokratischen Partei Deutschland“, kurz: „die Basis“, im hiesigen Wahlkreis Oberhausen-Wesel III. Die Partei steht der bundesweit vom Verfassungsschutz beobachteten „Querdenker“-Bewegung nahe und hat sich im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen im Sommer 2020 gegründet. Inzwischen sollen nach eigenen Angaben rund 25.000 Menschen Mitglied der Partei sein.

„Basis“-Kandidat bezeichnet Kanzlerkandidaten als „kranke Faschisten“

Wer sich durch Internetprofile einiger Anhänger klickt, erlebt Menschen, die dem Staat nicht mehr vertrauen. Was die Mehrheit der Bevölkerung als Schutz gegen das potenziell tödliche Corona-Virus akzeptiert, ist für sie der Weg in ein „totalitäres“ oder „autoritäres“ System. Bei Ralf Wosnek ist die Wortwahl noch drastischer, im Netz führt er einen ungehemmten Wut-Wahlkampf.

Politiker wie die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) oder Armin Laschet (CDU) beschimpft er auf Twitter als „kranke Faschisten“, ihre Wähler beleidigt er als „krankes Volk“. Vor Kurzem rief er seine 156 Follower dazu auf, einen Kinderarzt zu diskreditieren, der mit dem Slogan „Impfen to Go“ für die Impfung nach Stiko-Empfehlung wirbt: „Dieser skrupellose Praxis-Inhaber impft gerne Kinder ab 12! Sagt es allen!“ Die Oberhausener Anti-Rechts-Initiative „Es reicht“ sieht darin eine „indirekte Drohung“ an der Grenze zur Strafbarkeit.

Die „Basisdemokratische Partei Deutschland“ setzt sich im Wahlkampf für die Aufhebung der pandemiebedingten Grundrechtseinschränkungen ein.
Die „Basisdemokratische Partei Deutschland“ setzt sich im Wahlkampf für die Aufhebung der pandemiebedingten Grundrechtseinschränkungen ein. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Am Telefon klingt es, als würde man mit einer anderen Person sprechen. „Ich kenne eigentlich keinen bei uns, der Corona leugnet“, behauptet der dreifache, unverheiratete Familienvater. „Allerdings habe ich nicht vorrangig Angst vor diesem Virus, sondern darum, dass meine drei Kinder durch die Maßnahmen Schaden nehmen und ich als Bürger keinen Einfluss mehr nehmen kann."

Wie der „Basis“-Kandidat zu den „Querdenkern“ steht

Hart ins Gericht geht der 52-Jährige deshalb mit dem Regelwerk der Pandemie – und dem in seinen Augen vorauseilenden Gehorsam in Teilen der Bevölkerung. So erzählt er von seinem Erweckungserlebnis“, das sich um einen Lehrer dreht, der offenbar Sorge hatte, sich im Unterricht mit Corona anzustecken.

Nach Schilderung von Wosnek hat dieser Lehrer seine älteste Tochter (18 Jahre) und ihre Mitschüler aufgefordert, einen Mundschutz im Klassenraum zu tragen – und zwar schon bevor landesweit die Maskenpflicht beschlossen wurde. „Er sagte, dass er meine Tochter nicht unterrichtet, wenn sie keine Maske trägt“, behauptet Wosnek. Mit dem Gefühl, in seinen grundlegenden Rechten tiefgreifend verletzt worden zu sein, rief der verärgerte Vater schließlich die ebenfalls „Querdenker"-nahe Gruppe „Eltern stehen auf“ in Duisburg und Dinslaken mit ins Leben.

Politische Ziele der „Basis“

Was will „die Basis“ über eine neue Corona-Politik hinaus? Zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Medien stärker kontrollieren – durch Bürgerräte, die per Losverfahren besetzt werden sollen. Wirtschaftlich setzt die Partei auf kleine und mittlere Unternehmen und beurteilt Profite im Gesundheitswesen kritisch. Sie will Deregulierung und weniger Bürokratie. Das Steuersystem soll vereinfacht und Bildung mehr selbstbestimmt gestaltet werden. Und der Klimaschutz? Der soll in Augen von Direktkandidat Ralf Wosnek „ohne Steuererhöhungen“ und „ohne Hysterie“ erfolgen.

Mehrere bekannte Köpfe der „Querdenker“-Sammlung kandidieren nun übrigens auch auf Listenplätzen der selbst ernannten Basisdemokraten. Mitgegründet wurde „die Basis“ von Ralf Ludwig, Anwalt des Stuttgarter „Querdenker“-Gründers Michael Ballweg. Im Gespräch spielt Wosnek die Verbindungen zu der Gruppierung herunter. Er gibt zwar an, sich nicht mit den führenden Köpfen der umstrittenen Bewegung identifizieren zu können. Rechtsextreme, die bei den „Querdenkern“ mitlaufen, bezeichnet er als „Trittbrettfahrer, die den demokratischen Gedanken zunichtemachen“. Wosnek sieht die „Querdenker“ allerdings eher als „Lifestyle“ denn als Gefahr für die Demokratie – auch wenn er Anglizismen eigentlich „nicht ausstehen kann“. Bei einer Demo der Bewegung im August in Berlin sei er dabei gewesen – „um sich das mal anzugucken“.

„Basis“ will alle Infektionsschutzmaßen auf die Verhältnismäßigkeit prüfen

Die Partei „die Basis“ stützt sich nach eigenen Angaben auf „vier Säulen“: Freiheit, Machtbegrenzung, Schwarmintelligenz und Achtsamkeit. Zu Letzterem gibt das 15-seitige Rahmenprogramm des Kreisverbands Wesel, der auch für Oberhausen zuständig ist, folgende Erläuterung: „Wir sind mit allen Sinnen präsent und stets bereit zum offenen Dialog, ohne sofort zu bewerten.“ Ob diese Sätze auch für impfende Kinderärzte gelten?

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Wosnek jedenfalls glaubt, dass es „mehr Vielfalt“ in politischen Diskussionen bräuchte. „Man muss die Möglichkeit haben, mehr verschiedene Experten hören zu können“, meint der Dinslakener, der angibt, sich selbst über „alternative Medien im Internet“ zu informieren. Im Parteiprogramm der „Basis“ wird gefordert, dass „alle Infektionsschutzmaßnahmen außerparlamentarisch und unabhängig auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden.“

Ralf Wosnek betrachtet die kleine Schweiz für Deutschland als Vorbild, wo regelmäßig Volksabstimmungen stattfinden. Die direkte Demokratie auszuweiten, zählt „die Basis“ zu ihrem Kern. Am Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 haben sich nach Partei-Angaben über 10.000 Mitglieder beteiligt, darunter auch die 150 Mitglieder des Kreisverbands Wesel. „Unser Parteiprogramm wird vom Schwarm gemacht“, sagt Wosnek.

Ob eine vom „Schwarm“ gemachte Corona-Politik tatsächlich mehr zu Wosneks Weltbild passen würde, steht allerdings auf einem anderen Blatt: Repräsentativen Umfragen zufolge hält weiterhin nur ein Viertel der Bundesbürger die Corona-Maßnahmen für zu weitreichend.