Oberhausen. Neubau und Eigentum - oder Grünflächen und Hochhäuser? In der Oberhausener Politik tobt ein Richtungsstreit. Wie soll sich die Stadt entwickeln?
Sollten weitere Flächen in Oberhausen für neues Wohneigentumversiegelt werden dürfen? Im Bundestagswahlkampf spitzt sich der Streit um diese Grundsatzfrage zu. Während die CDU in Sorge darüber ist, dass es Neubauprojekte in der Stadt immer schwerer haben und sich bei Investoren ein schlechter Ruf von Oberhausen verfestigt, halten es die Grünen für elementar, dass „nicht auch noch das letzte Stück Wald“ zugebaut wird.
Wenn irgendwo neue Wohnquartiere entstehen, dann müssen diese durch entsprechende ökologische Flächen ausgeglichen werden. Auf Nachfrage im Rathaus wird jedoch klar: Die Stadt hat weder konkrete Erhebungen darüber, wie viele Flächen in Oberhausen genau versiegelt sind noch wie viele Ausgleichsflächen zur Verfügung stehen. In der Stadtverwaltung verweist man lediglich auf Zahlen des Regionalverbands Ruhr (RVR) aus dem Jahr 2019. Demnach sind in Oberhausen rund 73 Prozent der Flächen versiegelt – zu rund 60 Prozent mit Siedlungsflächen, zu rund 17 Prozent mit Verkehrsflächen. Nur Gelsenkirchen und Herne sind im Ruhrgebiet noch dichter bebaut.
Grüne: Mehr aus dem Bestand in Oberhausen machen
Für die Grünen ist angesichts dieser hohen Zahlen klar: Statt die Stadt weiter zu asphaltieren, müssten versiegelte Flächen mehr genutzt werden. „Es gibt Bestand, der nicht mehr bewohnbar ist, es gibt Geschäfte, die nicht mehr laufen. Hier müssen wir ansetzen – und in die Höhe denken, Wohnraum nach oben ausbauen“, sagt Grünen-Fraktionssprecherin Stefanie Opitz und fordert zugleich mehr sozialen Wohnungsbau durch den Ausbau des Bestands. Für Menschen, die vom Eigenheim träumen, sei diese Strategie zwar wenig attraktiv. Aber sollten die geburtenstarken Jahrgänge ein gewisses Alter erreichen, würden ohnehin viele Häuser freiwerden - wodurch sich die jüngere Generation ihren Eigenheim-Wunsch doch noch erfüllen kann.
Oberhausen nicht weiter zuzubauen, sei zudem mit Blick auf den Katastrophenschutz wichtig: Denn wo Flächen versiegelt wurden, könne der Regen eben auch schlechter abfließen. Man müsse bei der Baupolitik deswegen einen anderen Schwerpunkt wählen: „Es soll nicht mehr um die Frage gehen: Wo ist die schönste Fläche für ein Bauvorhaben?“ Viel wichtiger sei es, in Erfahrung zu bringen, ob auf einer Fläche ein Hochwasserpotenzial gegeben ist, also ob dort bei Extremregen potenziell die Keller volllaufen könnten. Davon, so Opitz, müsse man Bauprojekte abhängig machen.
CDU: Oberhausen setzt abschreckendes Signal für Investoren
„Wir sind angesichts der Naturkatastrophen angehalten, sehr sorgfältig mit Wohnbauflächen umzugehen“, sagt auch Oberhausens CDU-Chef Wilhelm Hausmann. Allerdings hält der Landtagsabgeordnete die Haltung der Grünen insgesamt für eine „Absage an jede weitere Entwicklung der Stadt.“ An Investoren richte man so ein abschreckendes Signal. Dabei habe Oberhausen „beste Chancen, um Wohnungsbau zu gestalten.“ Hausmann verweist beispielsweise auf die renaturierte Emscher, die in Lirich und Buschhausen „attraktives Wohnen am Fluss“ ermöglichen könne. Im Herbst wollen die Christdemokraten ein Papier zur Stadtentwicklung vorlegen, aus dem deutlich werden soll, wo Wohnquartiere der Zukunft entstehen könnten.
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Aber könnte es für weitere Wohnquartiere überhaupt eine politische Mehrheit geben? Zuletzt wurde im Mai die Bebauung einer bewaldeten Grünfläche an der Falkestraße mehrheitlich abgelehnt – mit Stimmen von SPD, Grünen, Linksfraktion und AfD. Für die Christdemokraten ein Fiasko.
„Wenn wir so weitermachen, ist die Stadtentwicklung am Ende“
„Das wäre eine Siedlung nach höchstem ökologischen Standard geworden, eine Mustersiedlung mit Solardächern und begrünten Dächern“, ärgert sich Hausmann noch immer. „Wenn wir so weitermachen und solche Projekte ablehnen, dann ist die Stadtentwicklung am Ende.“ Man müsse zwar auch bestehende Wohnanlagen ertüchtigen, aber sich vergegenwärtigen, dass das Bauen nach heutigen Standards „fast keine Versiegelung“ mehr bedeute. „Das ist der Fortschritt der Technik – und den sollten wir nicht in Oberhausen aufhalten.“
Zudem hätten die anderen Fraktionen mit ihrer Absage des Falkestraße-Quartiers sozialen Wohnungsbau verhindert, kritisiert der CDU-Chef. Man habe also kategorisch ökologische vor soziale Aspekte gesetzt. Geplant war es tatsächlich, dort zu einem Drittel auch sozial gebundenen Wohnungsbau zu realisieren – was man nach Angaben der Stadt auch hätte rechtlich absichern können.
Wenig Infos über den Bestand
Wo würde es sich aus ökologischen Gesichtspunkten besonders lohnen, Bestandsimmobilien für mehr Wohnraum auszubauen? Die Stadt hat nach eigenen Angaben keinen Überblick über den energetischen Stand der einzelnen Immobilien im Stadtgebiet – verweist jedoch auf die Studie „Wohnen in Oberhausen“ aus dem Jahr 2018. In dieser heißt es, dass lediglich 13 Prozent der Gebäude nach 1990 errichtet worden sind. „Deswegen wird ein großes Potenzial in der energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien gesehen“, so Stadtsprecher Martin Berger.