Gelsenkirchen. Nabil L’Masoudi (38) übersetzt Nachrichten ins Arabische. Gerade in Corona-Zeiten ist das für die Gelsenkirchener Community von Bedeutung gewesen.

Von seinem himmlischen Heimatort Chefchaouen, der „blauen Stadt“ Marokkos, die es regelmäßig auf Listen der schönsten touristischen Ziele der Welt schafft, kam Nabil L’Masoudi vor 17 Jahren in die Stadt, die auf solchen Listen meist ganz hinten steht. Die Liebe zog ihn hier nach Gelsenkirchen, nachdem er über sein Touristik-Studium an einem Goethe-Institut in den Raum Frankfurt gezogen war. Warum überhaupt Deutschland, wo es sich doch als Marokkaner viel mehr anbieten würde, in Frankreich Karriere zu machen, dort, wo die halboffizielle zweite Amtssprache des nordafrikanischen Landes gesprochen wird? „Ich wollte immer etwas aus der Reihe tanzen“, sagt er. Man kann es wohl als roten Faden in seinem Leben bezeichnen.

Corona-Regeln bis Flutkatastrophe: Übersetzungen für die arabische Community

Denn einmalig dürfte auch sein, wie Nabil L’Masoudi, selbst Vorsitzender und Gründer des „Deutsch-Arabischen Freundschaftsvereins“ seinen Feierabend auf seiner Dachterrasse in Schalke verbringt. Wenn er mit seiner Frau und zehnjährigen Tochter Abendbrot gegessen hat, dann klappt er den Laptop auf und beginnt zu schreiben. Auf seinem Blog und seiner Facebook-Seite „Nabil Press“ übersetzt er die wichtigsten Nachrichten aus dem Land und der Stadt ins Arabische, zuletzt informierte er über den Chemie-Unfall in Leverkusen, die Flutkatastrophe, die Impfangebote vor Ort. Und immer wieder über die neuesten Corona-Regeln.

Die „blaue Stadt“ Marokkos: Der heutige Gelsenkirchener Nabil L’Masoudi kommt aus dem beliebten Reiseziel Chefchaouen.
Die „blaue Stadt“ Marokkos: Der heutige Gelsenkirchener Nabil L’Masoudi kommt aus dem beliebten Reiseziel Chefchaouen. © Shutterstock/Vixit | Vixit

„Es geht nicht darum, nur zu übersetzen. Das könnte auch Google übernehmen. Ich will den Leuten auch die Hintergründe erklären und schildern, warum etwas wichtig ist.“ Warum zum Beispiel galt die Ausgangssperre ausgerechnet ab 22 Uhr, also dann, als sich viele muslimische Familien während des Ramadans eigentlich zum Fastenbrechen treffen wollten? Wo und warum galt überall die Maskenpflicht? Und warum ist der Inzidenzwert eigentlich ein so wichtiger Indikator? [Lesen Sie hier:Trotz steigender Inzidenz: NRW setzt höchste Corona-Stufe aus - zu einem hohen Preis]

Blogger berichtete über die antijüdische Demo und wirbt für sozialen Zusammenhalt

Wenn der 38-Jährige über Nachrichten aus Gelsenkirchen nachdenkt, die abseits von Corona für die arabische Community in den vergangenen Wochen hohe Relevanz hatten, dann muss er sofort an die antisemitische Demo vor der Neuen Synagoge im Mai und die großen Solidaritätsbekundungen danach denken.

„In vielen arabischen Ländern, dort wo sich Sunniten und Schiiten bekriegen, würde man sich einen sozialen Frieden wie in Deutschland wünschen. Wichtig ist, dass man der arabischen Community hier zeigt, dass man hier in Deutschland hart dafür gekämpft hat, dass heute Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion Tür an Tür leben können.“ Darauf aufmerksam zu machen, wie fragil dieser Zusammenhalt ist und wie wichtig Gegenprotest ist, wenn manche gesellschaftlichen Gruppen versuchen, ihn zu beschädigen: „Das sollte bei möglichst vielen Menschen ankommen."

Viele Araber haben Fragen zum Schulsystem und zur Gesundheitsvorsorge

Begonnen hat der langjährige Hotelmanager und heutige Projektmanager im Immobiliensektor mit dem arabischsprachigen Bloggen, nachdem ihm aus der arabischen Community immer wieder dieselben Fragen gestellt wurden. Als man ihn im Kindergarten seiner Tochter vor einigen Jahren bat, wichtige Infos zum Kita-Betrieb für arabische Familien zu übersetzen, entstand die Idee, den „Deutsch-Arabischen Freundschaftsverein“ zu gründen.

Dort bot der Schalker dann „Integrationscoachings“ an, in denen es darum ging, die deutsche Sprache in der Praxis anzuwenden („Was, wenn man in den falschen Zug einsteigt und nach einer Verbindung fragen muss?“) oder deutsche Sitten und Gebräuche zu verinnerlichen - zum Beispiel, dass es hier als respektlos gilt, wenn man auch einer Frau bei der Begrüßung nicht direkt die Hand reicht. „Wenn wir einer Frau in Marokko begegnen, strecken wir dagegen nicht sofort die Hand aus.“

Weil sich viele seiner Kontakte immer wieder mit denselben Fragen bei ihm meldeten, entschied Nabil L’Masoudi schließlich, ein Video zu drehen und über Whatsapp zu verteilen. Im ersten Video ging es um die Schulformen in Deutschland, mit denen offenbar viele Migranten überfordert gewesen sind. In darauffolgenden Clips um Gesundheit, speziell um Themen wie Krebsvorsorge.

„Ich habe es nie bereut, nach Gelsenkirchen gekommen zu sein“

Auf die Videos folgte dankbares Feedback. Schließlich entschied Nabil L’Masoudi all jene Araber, die Probleme mit der deutschen Sprache haben, regelmäßig über die wichtigsten Neuigkeiten zu informieren. Mittlerweile hat er sich auch an kleinen eingesprochenen Nachrichtenüberblicken versucht. „Das kommt auch gut an.“ [Interesse an spannenden Audio-Formaten? Wirtschaft, Justiz, Corona: Hier finden Sie das Podcast-Angebot der WAZ]

Seine Rolle in Gelsenkirchen hat Nabil L’Masoudi also gefunden. „Man hat inzwischen eine gewisse Verantwortung gegenüber seiner Community!“ Und das schöne Chefchaouen? An seinem blauen Geburtsort hat sich der gebürtige Marokkaner offenbar sattgesehen. „Als ich einmal vier Wochen am Stück Urlaub bekommen hatte und die Zeit in Marokko verbrachte, bekam ich schon nach zwei Wochen Heimweh.“ Und wenn er Heimat sagt, meint er längst den Pott. „Hier wird es nie langweilig, ich habe es nie bereut, hierhin gekommen zu sein.“