Gelenkirchen-Horst. Ehrenamtliche von St. Hippolytus machen mit Straßenkreide auf Facetten der Diskriminierung aufmerksam. Wie Gelsenkirchener darauf reagieren.
Diskriminierung im Alltag? Der begegnet jeder. In Horst an diesem „Markt-Mittwoch“ sogar buchstäblich: Vor dem Hauptportal der St.-Hippolytus-Kirche an der Essener Straße werden Formen der Ausgrenzung so bunt auf den Asphalt gebracht, dass niemand das ausblenden kann – es sei denn, er oder sie schließt die Augen. Kurz: Die Rechnung der Ehrenamtlichen der Pfarrei geht auf.
Denn bei der scharfen Kritik an dem Segnungs-Verbot für homosexuelle Paare, wie es im März dieses Jahres die römische Glaubenskongregation ausgesprochen hatte, wollte es das engagierte Trio Kirsten Brylak, Maria Streich und Andrea Ahmann nicht belassen. Nachdem Pastor Bernd Steinrötter öffentlich gegen die Linie der Amtskirche Position bezogen und angekündigt hatte, auch weiterhin gleichgeschlechtliche Paare segnen zu wollen, sollte das Thema Diskriminierung eben nicht wieder in der Versenkung verschwinden – sondern geweitet werden.
Jugendliche fühlen sich ebenso diskriminiert wie Hausfrauen oder Senioren
Davon kann auch wirklich keine Rede sein: Dass Diskriminierung verschiedene Personengruppen trifft, machen die mit Straßenkreide geschriebenen Wörter deutlich. „Jugenddiskriminierung“ steht da, „Barrierefreiheit“, „Alters-“ und „Hausfrauendiskriminierung“.
Kritik an „veralteter Sexualmoral“
Die römische Glaubenskongregation hatte ihr Segnungs-Verbot gleichgeschlechtlicher Paare im März 2021 damit begründet, dass diese Verbindungen nicht dem göttlichen Willen entsprächen und es „nicht erlaubt“ sei, „Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe einschließen“.Pastor Bernd Steinrötter verurteilte dies mit dem Argument, dass Priester keine Richter, sondern Mittler seien. Nicht sie spendeten den Segen, sondern Gott. Die Position Roms sei Ausdruck einer „ausgrenzenden und veralteten Sexualmoral“. Für diese „klare Kante“ hatte der Beckhausener viel Zuspruch erhalten.
Viele lesen neugierig die Schriftzüge, einige kommen mit den Ehrenamtlichen ins Gespräch. „Da war etwa ein Senioren-Paar, das überzeugt war, niemanden zu diskriminieren. Nachdem wir uns über Formen der Ausgrenzung ausgetauscht hatten, waren sie auf einmal nicht mehr so sicher“, so Kirsten Brylak (50).
Rassistische und religiöse Vorurteile
Andere weisen als Betroffene auf Vorurteile gegenüber ihren migrantischen Wurzeln hin, erzählen von gehässigen Bemerkungen über ihre Hautfarbe und vermeintliche Charaktereigenschaften. Eine Passantin berichtet vom Naserümpfen mancher Leute, weil sie Hausfrau ist, eine andere von dummen Sprüchen über ihr fortgeschrittenes Alter. Aber auch die Diskriminierung ihrer Andersgläubigkeit verletzt etwa Muslime, stellt sich im Dialog heraus.
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Eben darum geht es den Akteuren: das Bewusstsein zu schärfen für die Schubladen im Alltag, in die Menschen oft einsortiert werden. „Wir wollen zeigen, dass jeder damit zu tun hat – ob als Betroffener oder weil er oder sie bewusst oder unbewusst jemanden ausgrenzt“, betont Andrea Ahmann (47).
Aktion macht manche Passanten nachdenklich
Passantin Juliane Schlechter (32) jedenfalls hat die Initiative durchaus nachdenklich gemacht. „Als junge Mutter, deren Tochter unvoreingenommen an alles herangeht, hinterfrage ich mich mittlerweile viel mehr und muss mir eingestehen, dass ich doch bei bestimmten Leuten reserviert reagiere.“
Für Pastor Steinrötter, der selbst vor Ort ist und diese Initiative unterstützt, setzt diese Aktion den Protest gegen das Segnungsverbot fort und weitet das Thema Diskriminierung. „Wir werden die Rückmeldungen von heute sammeln und überlegen, ob und was wir ändern können, um Menschen zu helfen.“
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