Gelsenkirchen-Erle. Isabel und Hubert Kurowski aus Gelsenkirchen-Erle erinnern sich an früher und stellen die Spiele ihrer Kindheit vor.

„Draußen hatten wir eine Welt ganz für uns“, sagt Hubert Kurowski und denkt fast ein bisschen wehmütig an die eigene Kindheit zurück. Schnell wird deutlich, die ist einst ganz anders, als man es von heute kennt. „Für uns gab es nur Schule und Draußen. Drinnen waren wir nur zum Essen und zum Schlafen.“ Und das sei in den 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts eigentlich überall im Revier so gewesen. Auch wenn die Kindheit von Hubert Kurowski vor allem im Erler Waldstück „Eulenbusch“ stattfindet.

Wenn der Heimatforscher aus dem Stadtosten erzählt, sieht man die Bilder seiner Erinnerung vor sich: Eine Truppe von Jungs, die tägliche Abenteuer sucht – und findet. Denn: „Wir haben eigentlich immer geschlechtergetrennt gespielt. Wir Jungs waren unter uns.“ Eine Situation, die gestärkt habe fürs Leben. „Es gab immer einen Anführer. Der bestimmte die Regeln und mit dem musste man sich gut stellen. Natürlich kam es auch regelmäßig zu Raufereien.“ Meist habe man aber miteinander gespielt.

Gekickt wurde an jeder Ecke

Bei den Jungs im Revier ist eines hoch im Kurs: Fußball. „Ich hatte damals einen Lederball. Und wer den hatte, war der King.“ Damit wurde auf der Straße oder auf Freiflächen gespielt. Elf gegen Elf, das kennt man damals nicht. Die Mannschaften sind so groß, wie es sich am jeweiligen Tage ergibt. Entsprechend wird einfach das Feld vergrößert oder verkleinert. Tore und Pfosten werden improvisiert – zuweilen auch ungewöhnlich. „Ich weiß noch, obwohl wir unter uns bleiben wollten, war da ein Mädchen, dass unbedingt mitmachen wollte: Bärbel. Eines Tages sagte einer, Bärbel, uns fehlt ein Torpfosten, stell dich da mal hin. Das tat sie auch, bis es ihr zu dumm wurde und sie einfach ging. Das Spiel war damit beendet.“

Ein ganz großes Abenteuer für kleine Menschen sind die spektakulären Seifenkistenrennen jener Tage. „Ich war mal mit meinem Vater bei der Bundesmeisterschaft in Duisburg. Da sind wir mit dem Rad hingefahren.“ Ein große Spektakel. Das belegen auch Fotos im Familienalbum. Der junge Hubert fährt natürlich mit dem Wunsch nach einem solchen Gefährt nach Hause. „Aber wir hatten keine Möglichkeit, eine zu bauen.“

Isabel Kurowski und ihre Freunde bauten sich eine eigene Seifenkiste, ohne die Hilfe von Erwachsenen. Die Achsen und Räder haben wir von einem alten Kinderwagen genommen.
Isabel Kurowski und ihre Freunde bauten sich eine eigene Seifenkiste, ohne die Hilfe von Erwachsenen. Die Achsen und Räder haben wir von einem alten Kinderwagen genommen. © Privat | Privat

Da hat ihm seine Frau Isabel etwas voraus: „Wir hatten eine Seifenkiste. Mit ein paar Kindern aus der Nachbarschaft habe ich die gebaut – ohne Hilfe von den Erwachsenen. Die haben uns nur Bretter und Nägel gegeben. Die Achsen und Räder haben wir von einem alten Kinderwagen genommen.“ Auch hiervon gibt es ein kleines Bildchen. Ein paar Kinder hocken im Gras, arbeiten konzentriert an einem Brett. Mit Erfolg. Bald sei das gute Stück fertig gewesen. „Das gehörte uns allen zusammen.“

Viele Spielsachen gibt es nicht

Kinderspiele dieser Zeit vereinen Spiel, Spaß und Bewegung. Ob der angesagte Hulla-Hoop-Reifen, Rollschuhlaufen oder Gummitwist, die Kinder haben Bewegung an der frischen Luft. Zu jeder Jahreszeit. „Man vergisst ja oft den Winter“, sagt Hubert Kurowski. „Da gingen wir schlindern, rodeln oder Schlittschuhlaufen, haben einen Schneemann gebaut oder ein ganzes Iglu.“

Viele der bis heute beliebten Dinge sind da noch Marke Eigenbau. Geschickte Väter wissen, Rollschuhe zu fertigen oder Schlittschuhe. Unzählige Spielsachen hat man nicht. Aber die Kinder dürfen spielen. Erstmals. Noch weiter zurück ist das nicht so.

In den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor sind Kinder kleine Arbeitskräfte, die vielfach mit anpacken müssen. Zeit zum Spielen bleibt da wenig. Vielmehr geht es darum, die Kleinen kindgerecht vorzubereiten auf das Leben, etwa mit Miniaturwerkzeugen, mit denen man schon mal für später üben kann.

Die Kurowskis erleben also große Freiheiten und unwiederbringliche Momente. „Wir haben damals auf der Straße gespielt. Das kann man sich ja heute gar nicht mehr vorstellen. Aber damals gab es ja kaum Autos. Die Straße als Spielort ist ja irgendwann einfach verschwunden.“ Genau hier aber habe der Reiz gelegen. Zwangsläufig habe man so die Nachbarskinder kennen gelernt und eine große Gemeinschaft erlebt. „Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit“, sagt der Erler und berichtet gern von den Spielen von einst. Schließlich kann man die ja auch heute noch spielen.

Knickern

Ein Freiluft-Spiel für gutes Wetter: Man dreht zunächst ein fünf Zentimeter großes Loch ins Erdreich. Zwei Meter davor zieht man einen Strich. Jeder Mitspieler hat Glasmurmeln in „seiner“ Farbe und nimmt an der Linie Aufstellung. Von hier aus wirft jeder eine Kugel ins Loch oder so nah wie möglich dran. Versenkt man seine Murmel nicht, muss man versuchen, sie mit dem gekrümmten Zeigefinger ins Loch hinein zu bugsieren. Tickt man dabei gegnerische „Knickel“ an, gehören sie einem. Der Sieger erhält letztlich den gesamten Inhalt des Lochs. Das Spiel erinnert etwas an Minigolf und ist über Jahrzehnte ein echter Renner unter den Kindern.

Dosenlaufen

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Wer einst keine Stelzen hat, der läuft auf Dosen durch die Welt. Die nämlich hat jeder zu Hause. Man braucht zwei gleich große und recht stabile leere Konservendosen. Ganz wichtig ist es, zunächst, der Verletzungsgefahr wegen, die Kanten zu brechen. Das geht am besten mit einer Metallfeile, zur Not aber auch mit Metallschleifpapier. Dann werden die Dosen so aufgestellt, dass die Öffnung nach unten zeigt. Am oberen Rand aber noch seitlich müssen nun gegenüberliegend zwei Löcher in die Dose gebohrt werden. Hier zieht man eine Wäscheleine hindurch. Sie dient dem Kind zum festhalten der Dosen und muss somit an dessen Körpergröße angepasst werden. Dafür steigt das Kind auf die Dose. Die Leine sollte nun bequem zu halten sein. Passt alles, werden die Enden im Inneren der Dose verbunden und die Kleinen können „aufsteigen“.

Himmel und Hölle

Das Spiel mit den aufgemalten Kreidekästchen ist ein echter Klassiker – mit vielen Varianten. Die Kurowski zeichnen sechs Kästchen auf, das kleinste Modell. Dabei liegen vier gerade aneinander, jeweils ein weiteres rechts und links vom dritten Kästchen. Schon kann es losgehen: Hubert Kurowski erinnert sich daran, dass man eine alte Schuhcremedose (im Zweifel auch einen Stein) auf einem Bein hüpfend in den letzten Kasten treiben musste. „Wer das geschafft hat, durfte einen Kasten für die anderen streichen und ihnen die Aufgabe somit schwieriger gestalten.“

Dosentelefonieren

Spiel und Spaß mit Lerneffekt, das bietet das Dosentelefon. Tatsächlich nämlich konnten die Kinder damals mittels Konservendosen miteinander telefonieren. Auch hierfür werden zwei Konservendosen gebraucht, deren Kanten wieder entgratet werden müssen. Dann werden sie so gedreht, dass die geschlossene Seite oben ist. Mit einem Milchdosenöffner sticht man mittig in den Dosenboden ein Loch und fädelt das Ende eines rund vier Meter langen Bindfadens hinein. Mittels eines großen Knotens im Doseninneren muss gewährleistet werden, dass der Faden nicht heraus rutschen kann. Nun nimmt jedes Kind eine Dose und entfernt sich soweit wie möglich vom „Telefonpartner“. Dann kann es losgehen. Gesprochen wird in die Dose hinein, die beim Gegenüber ans Ohr gehalten als Hörer fungiert. Wenn die Schnur richtig gespannt ist, funktioniert das Telefonieren prima – ganz ohne Funktechnik.

Tauziehen

Noch so ein Klassiker, der spaßiger wird, je mehr Menschen mitmachen – große wie kleine. Sicher, einmalig muss man in ein ausreichend langes Tau investieren, dann aber kann man oft Spaß haben und mitunter in der Nachbarschaft gar ein Turnier ansetzen. Immerhin war die Disziplin in grauer Vorzeit schon mal olympisch. Die Regeln sind einfach: In der Mitte wird eine Linie gezogen. Es gewinnt das Team, welches das andere über die Linie zieht. Der Spaß für die Verlierer: Meistens landen die Sieger auf dem Hosenboden. Es bietet sich folglich an, den Wettstreit auf einer Wiese auszuführen.

- Isabel und Hubert Kurowski haben noch einen Tipp für eine spaßige Freizeitbeschäftigung, die demnächst Saison hat. Sie regen an, einen Drachen selbst zu bauen und jenen dann mit den ersten Herbstwinden fliegen zu lassen.

- Anleitungen für den Bau eines solch individuellen Flugobjektes sind in vielen Varianten im Internet zu finden.