Alex Effah, ein krebskranker Mann aus Ghana, will in seiner Heimat Hilfe finden oder sterben. Mülheimer begleiten ihn auf der wohl letzten Reise.


Mülheim. Ein junger Mann sitzt im Rollstuhl, wendet sich halb um. Große Augen blicken aus seinem schmalen Gesicht. Mit der linken Hand – knochig und schmal – winkt er schwach, in der rechten hält er ein Paar Sandalen. So hat sich Alex Effah vor wenigen Tagen aus Deutschland verabschiedet. Vom Krebs schwer gezeichnet, von einem letzten Rest Hoffnung getragen, ist der 35-Jährige nach Ghana geflogen.

Die gute Nachricht: Er ist nicht allein. In Mülheim, wo Alex Effah zuletzt gelebt hat, fand er menschliche und tatkräftige Unterstützung. Der Verein Love from Africa hat eine Hilfs- und Spendenaktion auf die Beine gestellt – für den Mann, der kaum mehr Kraft hat zum Laufen.

Ärzte geben dem Krebspatienten keine drei Monate mehr zu leben


Stella Weber, Vorsitzende des Vereins, berichtet, dass ein guter Freund des Kranken bei ihr vorsprach – „mit einem Wunsch, der mich echt sprachlos gemacht hat“. Er erzählte, dass Alex Effah an Leberkrebs leidet, wohl im Endstadium. Er gilt als austherapiert, die Ärzte fürchten, dass er keine drei Monate mehr zu leben hat. Doch ein letzter Wunsch treibt ihn um: Er will in sein Heimatland Ghana zurückkehren.

Im Rollstuhl auf dem Weg zum Flugzeug: Alex Effah winkt zum Abschied.
Im Rollstuhl auf dem Weg zum Flugzeug: Alex Effah winkt zum Abschied. © Unbekannt | Love from Africa


Am vergangenen Freitag hat er das tatsächlich getan. Doch ein sterbenskranker Mensch steigt nicht einfach ins Flugzeug, erst recht nicht in Zeiten der Corona-Pandemie. Die letzte Reise ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Stella Weber, die selber ihren Vater durch eine Krebserkrankung verloren hat, organisierte mit anderen Unterstützern eine Spendenkampagne. Mehr als 3000 Euro sind auf diesem Wege zusammengekommen. „Alex hat nur noch bis Dezember Zeit“, sagt Weber. „Wir wollten deshalb wirklich alles tun, um ihm diesen letzten Wunsch zu erfüllen.“

Starke Medikamente gegen die Schmerzen

Der 35-Jährige lebte in Mülheim mit seiner Partnerin und zwei kleinen Kindern im Alter von zwei und drei Jahren. Als Alleinverdiener habe er immer hart dafür gekämpft, dass es seiner Familie gut ging, sagt Stella Weber. „Auch als ihm der Krebs all seine Kräfte raubte.“ Gemeinsam mit ihrer Bekannten Joyce Githara, von Beruf Krankenschwester, habe sie Alex täglich besucht und im Alltag unterstützt. Ein Palliativpflegedienst betreute ihn. Starke Schmerzmittel lindern sein Leiden.

Zugleich wandte sich Love from Africa an die Ausländerbehörde in Mülheim, um Effahs Ausreise in die Wege zu leiten. 2013 ist der junge Mann erstmals nach Deutschland gekommen, zuletzt besaß er eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, teilt das Amt mit. Die zuständige Mitarbeiterin für das Rückkehrmanagement erklärt, man habe schon viele freiwillige Ausreisen organisiert, „und dies war nicht der erste schwierige Fall“.

Medizinische Begleitung auf dem Flug nach Ghana

Da man aber deutlich sieht, wie die Krankheit Alex Effah verzehrt, war Eile geboten. „Die Sache hatte bei uns hohe Priorität“, heißt es aus dem Ausländeramt. Innerhalb von rund zwei Wochen wurde die wohl letzte Heimreise des Ghanaers möglich gemacht. „Wir sind froh, dass wir ihm diesen Wunsch erfüllen konnten“, sagt die Sachbearbeiterin. „Ein wirklich großartiges Geschenk“, nennt Stella Weber die Amtshilfe der Behörde.

Die Ausländerbehörde arbeitet zusammen mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM), der insgesamt 173 Mitgliedsstaaten angehören, darunter Deutschland. Im Fall von Alex Effah buchte und finanzierte die IOM nicht nur den Flug über Amsterdam in die ghanaische Hauptstadt Accra, sondern kümmerte sich auch um die medizinische Begleitung. Ein Krankentransport holte ihn zu Hause ab. Ein Rollstuhl wurde zur Verfügung gestellt. Ein Rettungsassistent der Augsburg Air Ambulance reiste mit, um ihm während des Fluges zur Seite zu stehen – in der Business-Class, wo der sterbenskranke Passagier etwas Platz hatte, um sich hinzulegen. Mit Medikamenten für tausende Euro im Gepäck.

Tränenreicher Abschied von seiner Partnerin und den kleinen Kindern

In Mülheim zurückgelassen hat Alex Effah seine Partnerin und seine Kinder. „Für sie war der Abschied sehr hart“, sagt Stella Weber, die ihrerseits mit nach Ghana geflogen ist. „Diese Bilder werde ich niemals im Leben vergessen. Alle konnten gar nicht mehr aufhören zu weinen.“ Auch Florian Klein, der als Rettungsassistent mit an Bord war, hat mitgelitten: „Es war sehr emotional.“

Nach der Landung in Ghanas Hauptstadt Accra ging die Reise für Alex Effah im Krankenwagen weiter in seine Heimatstadt Kumasi. Dort hat sein jüngerer Bruder ihm ein Schlafzimmer hergerichtet. Dort gibt es eine Ayuverda-Klinik, auf die der 35-Jährige seine ganze Hoffnung setzt.

„Er glaubt, dass er durch deren Heilmittel doch noch überlebt“, so Stella Weber. Darum wollte er mit allerletzter Kraft dorthin. Die Behandlung in Ghana muss er selber zahlen. Auch die häusliche Krankenpflege im Haus seines Bruder, jeden Arztbesuch. Dazu dient die Spendenkampagne.

Ayuverda-Klinik als allerletzte Hoffnung

Alex Effah ist bis auf die Knochen abgemagert, kann sich kaum mehr aufrecht halten. Eine Heilung wäre ein kleines Wunder. Für den Fall, dass es wirklich geschieht, hat die Mülheimer Ausländerbehörde bereits vorgesorgt: Dann könnte der junge Mann bei der deutschen Botschaft in Ghana ein Visum beantragen und zu seiner Familie zurückkehren. „Um Herrn Effah diese Hoffnung zu belassen und das Prozedere zu erleichtern“, hat man sogar schon ein Schreiben für die Botschaft vorbereitet…