Oberhausen. Oberhausener Ratspolitiker sollen Sitzungsgelder spenden, um Betriebe in der Corona-Pandemie zu unterstützen – dieser AfD-Vorstoß scheiterte.

Den eigenen Vorstoß nannte der Oberhausener AfD-Fraktionschef Wolfgang Kempkes in seiner Rede im Hauptausschuss erstaunlicherweise selbst „populistisch“ und „in der finanziellen Substanz herzlich wenig“, legte jedoch trotzdem gleich zwei Anträge der AfD zum Thema vor: Die Lokalpolitiker im Rat sollten doch freiwillig und rückwirkend „sämtliche Sitzungsgelder für Rats- und Ausschuss-Sitzungen“ ab 1. Januar 2021 spenden – als Signal an die Gesellschaft, als „gemeinschaftlicher Beitrag der kommunalpolitisch Verantwortlichen“.

Mit dem Geld sollte dann ein neuer Oberhausener Solidaritätsfonds gespeist werden – zugunsten von Oberhausener Unternehmern und Selbstständigen, die von der Corona-Pandemie wirtschaftlich besonders gebeutelt sind. Dieser Fonds sollte außerdem alle Bußgelder erhalten, die bei Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung im Jahr 2020 und 2021 eingenommen wurden und werden.

Aus Gründen des Infektionsschutzes tagte der Oberhausener Haupt- und Finanzausschuss am Montag anstelle des deutlich größeren Rates im Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle in Oberhausen – mit großem Abstand der Lokalpolitiker untereinander und Maskenpflicht auch am Sitzplatz. Nur wer redete oder etwas trank, durfte die Maske eine kurze Zeit lang abnehmen.
Aus Gründen des Infektionsschutzes tagte der Oberhausener Haupt- und Finanzausschuss am Montag anstelle des deutlich größeren Rates im Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle in Oberhausen – mit großem Abstand der Lokalpolitiker untereinander und Maskenpflicht auch am Sitzplatz. Nur wer redete oder etwas trank, durfte die Maske eine kurze Zeit lang abnehmen. © WAZ | mape

Die anderen Ratspolitiker im Hauptausschuss, der in der Pandemie nach Beschluss des Ältestenrates die Entscheidungen anstelle des großen Stadtrates fasst, sahen diese Ideen der AfD als leicht zu durchschauender Versuch, die ehrenamtlich gegen eine relativ kleine Aufwandsentschädigung für die Einwohner arbeitenden Stadtverordneten als Menschen darzustellen, die sich an der Politik finanziell gesundstoßen und leicht Geld für andere abgeben könnten.

Monatliche Pauschale für Lokalpolitiker im Stadtrat beträgt knapp 400 Euro

Tatsächlich beträgt die monatliche Pauschale nach der Entschädigungsverordnung des Landes NRW für Oberhausen relativ überschaubare 395,30 Euro je Ratspolitiker. Das Sitzungsgeld beläuft sich auf magere 20,30 Euro pro Treffen für Rats-, Bezirksvertretungs-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen. Dauer dieser Sitzungen: zwischen zwei und vier Stunden. In ihrem Antrag sprach die AfD nur von der Spende der Sitzungsgelder – im Falle der Hauptausschusssitzung am Montag wären so also 406 Euro zusammengekommen.

AfD: Oberbürgermeister soll Kontakt mit Russland aufnehmen

Den Wunsch der AfD, den städtischen Corona-Krisenstab um weitere Fachleute zu erweitern, fand ebenfalls bei keinem anderen Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses Gehör. AfD-Fraktionschef Wolfgang Kempkes kritisierte, dass der Krisenstab derzeit „keinen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegelt“ – und setzte sich dafür ein, dass dort auch Künstler, Gastronomen und andere Gruppierungen vertreten sein müssten. Oberbürgermeister Daniel Schranz wies darauf hin, dass der Krisenstab dem Gesundheitsschutz diene und wirtschaftliche Anliegen in anderen Gremien besprochen würden.

In seiner mündlichen Antragsbegründung warf Kempkes dem Stadtoberhaupt auch vor, ein „meinungsloser Erfüllungsgehilfe“ der Corona-Entscheidungen des Bundes und des Landes zu sein. Es gebe zu wenige Ansätze für Oberhausener Lösungen. So habe der Oberbürgermeister sich nicht bemüht, Kontakt mit russischen Behörden aufzunehmen, um den russischen Impfstoff Sputnik V für die Oberhausener Bevölkerung zu erhalten. Schranz sah sich genötigt, klarzustellen: „Unser Versuch, die Bevölkerung bestmöglich zu schützen, fußt auf Recht und Gesetz. Was Bund und Land beschließen, setzen wir konsequent vor Ort um. Darauf können sich die Menschen verlassen.“

SPD-Ratspolitiker Ulrich Real sah diese Vorschläge der AfD nicht nur als populistisch an, um weitere Keile zwischen angeblich privilegierten Politikern und der normalen Bevölkerung zu treiben. Mit viel Ärger in seiner lautstarken Stimme rief er im Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle aus: „Wenn diese Anträge doch nur populistisch wären! Aber sie sind vielmehr ein Angriff auf unsere demokratische Grundordnung. Denn die Aufwandsentschädigungen für Politiker gehören zum Wesen der Demokratie. Sie sollen es allen Menschen unabhängig vom Einkommen ermöglichen, ein Mandat zu übernehmen, und sollen die finanzielle Unabhängigkeit wahren.“

Will die AfD die Demokratie unterhöhlen?

Der Sterkrader Bezirksbürgermeister und SPD-Ratsherr Ulrich Real. (Archivbild vom 26. November 2020).
Der Sterkrader Bezirksbürgermeister und SPD-Ratsherr Ulrich Real. (Archivbild vom 26. November 2020). © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Was die einzelne gewählte Person mit ihrer Aufwandsentschädigung mache, unterliege ihrer privaten Entscheidung und könne schon grundsätzlich kein Bestandteil eines Antrages sein, argumentierte Real. Und dann wurde der Sterkrader Bezirksbürgermeister noch deutlicher in Richtung AfD: „Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern Sie wollen unsere Demokratie unterhöhlen – und deshalb rufen wir Ihnen ein entschiedenes Nein zu.“

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CDU-Fraktionsvorsitzende Simone-Tatjana Stehr warf der Oberhausener AfD vor, einfach nur ähnliche Anträge der AfD aus anderen Städten zu kopieren. „Sie sollten erst einmal schauen, was in Oberhausen bereits existiert. Wir haben doch schon einen eigenen städtischen Corona-Hilfsfonds.“

Und so stimmte am Ende nur die AfD für freiwillige Spenden an Sitzungsgeldern und die Einrichtung eines weiteren Solidarfonds für die Wirtschaft – alle anderen stimmten dagegen.