Gelsenkirchen Feldmark. Der Circus Probst reagiert auf die Corona-Not: Die Tournee 2021 wurde abgesagt, der 2. Gelsenkirchener Kultursommer muss nun die Rettung bringen.
Stete Veränderung prägt eigentlich den Lebens- und Geschäftsalltag eines Zirkus-Unternehmens. Heute, hier, morgen dort, das war einmal – vor Corona. Nach dem 23. Gelsenkirchener Weihnachtszirkus 2019/2020 im Revierpark, einer kurzen Zeit im Essener Winterquartier und dem gescheiterten Tourneestart in Dormagen steht der Circus Probst seit Mai vergangenen Jahres in der Feldmark. Nun steht fest: Eine Tournee wird es auch 2021 nicht geben. Dafür planen die Probsts notgedrungen in Gelsenkirchen ihren zweiten Kultursommer und hoffen, so einigermaßen über die Runden zu kommen.
Die Corona-Zwangspause in Gelsenkirchen hat Spuren hinterlassen:
„Zwischen Hoffnung und Resignation“ hat Zirkus-Chefin Brigitte Probst die Pandemie-Monate seit März 2020 erlebt. „Es war eine emotionale Achterbahnfahrt“. Die Zwangspause, der verordnete Stillstand – sie haben Spuren hinterlassen: an der Psyche, an der wirtschaftlichen Basis. Sie haben das Unternehmen finanziell an den Rand der Existenz gebracht. Die Kosten laufen weiter: Für den Fuhrpark, Versicherungen, Strom und Heizung, für den Unterhalt der rund 70 Tiere vom Araberhengst bis zum Zwergpony. Ist Tiere abgeben eine Option? „Niemals“, empört sich Brigitte Probst. „Das sind unsere Heiligen. Die gehören zur Familie“.
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Nienhausen wird zum „Parklabor“
Im Revierpark Nienhausen hätte der Circus Probst ursprünglich im März das Feld räumen sollen, da vorbereitende Arbeiten für den grundlegenden Revierpark-Umbau angestanden hätten. Doch auch hier gibt es Verschiebungen, zumindest bis in den Spätherbst. „Der Zirkus kann stehen bleiben. Unser Projekt wird dadurch nicht ins Stocken geraten“, erklärt Franz Dümenil als Parkleiter für die Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr mbH.
Bis 2022 sollen die fünf Revierparks im Revier - mit 28 Millionen Euro vom Land NRW - runderneuert, modernisiert und aufgewertet werden. Die Anlage in Nienhausen wird zum „Parklabor“ und Ort nachhaltiger Bildung rund um das Thema Wasser, so der RVR, der Regionalverband Ruhr.
Im April/Mai werden Planer ihre Entwürfe für die Umbauten, die Bepflanzung oder auch die Beleuchtung des Revierparks vorlegen. Danach, so Dümenil, werden die Arbeiten ausgeschrieben.
Auf 17 Leute - Familie und verbliebene Angestellte - ist das Zirkus-Team zusammengeschnurrt. Um über die Runden zu kommen, nehmen Familienmitglieder Jobs an, fahren Gülle, bauen Gerüste, arbeiten für eine Schreinerei.
Vor einigen Wochen hatte Brigitte Probst noch die Hoffnung, dass der Circus Probst zumindest den 24. Weihnachtszirkus im Februar oder März wird nachholen können. Programm und Choreographie standen, alles schien bereit. Doch die Pandemie eröffnete keine Spielmöglichkeiten. Und nun noch die Tournee-Absage. „Auch hier haben wir wieder umsonst geplant und gearbeitet“, sagt Brigitte Probst. „Aber wenn wir nicht wenigstens ab Mai spielen können, brauchen wir die Tournee-Saison gar nicht machen. Es bringt nix, in den Hochsommer reinzufahren.“ So musste erneut die Notbremse gezogen werden. Die Alternative? Spielt sich in Gelsenkirchen ab.
Künstlern will der Circus Probst wieder sein Zelt zur Verfügung stellen
Künstlern hatte der Circus Probst bereist vergangenes Jahr sein Zelt zur Verfügung gestellt, hat Bands und Solisten eine Bühne geboten und vornehmlich an der Gastronomie verdient. Konzerte von Jazz bis Rock gab es im Kultursommer etliche vor begrenztem Publikum und unter Corona-Bedingungen, aber auch Abi-Feiern, Puppenspiel und Lesungen, Gottesdienste, ja selbst Tagungen, dazu Tiershows, Ponyreiten, Ferien-Workshops und natürlich Zirkus-Vorführungen. An die Vorführungen speziell für Altenheime will Brigitte Probst 2021 anknüpfen und möglichst vielen Senioren in geschlossenen Veranstaltungen ermöglichen, „unseren Zirkus hautnah zu erleben“. Mit Tierschau samt Streicheleinheiten, „Bratwurst, Bier oder auch einem Cocktail und einem einstündigen Programm“, umgesetzt mit Akteuren aus der eigenen Familie oder „Zirkus-Artisten, die punktuell gebucht werden.“
Brigitte Probst: „Im Grunde kann uns nur die Impfung helfen“
Der Personenkreis ist geimpft. „Das könnte uns retten“, glaubt Brigitte Probst, die aber auch darüber nachdenkt, „in den Ticketpreis einen Schnelltest mit hineinzupacken“. Altenheime im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern wollen die Probsts mit dem Angebot ansprechen. „Wir entwickeln gerade einen entsprechenden Werbeflyer.“ Platz für die Kundschaft gibt es reichlich: Noch immer steht im Revierpark das extra für den Weihnachtszirkus hochgezogene große Zelt mit 1800 Plätzen. „Selbst wenn wir es nur zu 30 Prozent besetzen dürfen“, rechnet Brigitte Probst, „bin ich schnell bei 500 Personen“.
Brigitte Probst und ihre Familie planen für 2021 zwangsläufig pragmatisch: „Wir müssen uns ja mit der Situation arrangieren“, sagt sie. „Wir sind flexibel und für alles bereit.“
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