Horst/Feldmark. Der Circus Probst hatte zur Sondervorstellung eingeladen – und Bewohner des Gelsenkirchener Seniorenheims „Haus Marienfried“ genossen den Tag.

Für Adelgunde Schmalz ist das ein Feiertag. „Ich bin zum ersten Mal seit Corona wieder vor der Tür“, erzählt sie. Monatelang habe sie wie all ihre Mitbewohner das Pflegeheim „Haus Marienfried“, in dem sie lebt, nicht verlassen dürfen – als Schutzmaßnahme vor einer möglichen Ansteckung. „Ich war auf dem Balkon und im Garten. Aber das ist nicht das Gleiche“, sagt die elegant gekleidete Dame, die an der langen Tafel im Circus Probst sitzt, wo gerade Bratwurst, Brezel und Getränke serviert werden.

Gemeinsam mit anderen Bewohnern ihrer Etage ist sie in der Feldmark zu Gast. Erstmals füllt sich das Konzept von Brigitte Probst mit Leben: Unzählige Pflegeheime hatte sie angeschrieben und die Heimleitungen angeregt, die Bewohner für eine Sondervorstellung her zu bringen. „Viele andere trauten sich nicht“, bedauert sie. So sehr hätte sie es sich gewünscht, dass bei der Premiere auch jemand von der Stadt vorbeigekommen wäre, um sich das Konzept anzuschauen und andere zur Teilnahme zu bewegen. Denn die Idee, Senioren einen schönen Nachmittag im Zirkus zu bieten, hat nicht nur finanzielle Gründe – wobei diese für einen Familienbetrieb, der um sein wirtschaftliches Überleben kämpft, auch eine Rolle spielen.

Herzliche Begrüßung durch Gastgeberin Brigitte Probst

Viel mehr ist dieses Angebot aber eine Herzensangelegenheit. Das sieht man gleich, wenn Gastgeberin Brigitte Probst die Besucher herzlich begrüßt und geradezu liebevoll betreut. „Ich denke dabei an meine eigene Mama“, sagt sie. „Ich liebe alte Menschen. Und wir werden schließlich alle mal alt.“ Nach wenigen Minuten, das verrät sie, hat sie zu einigen der Besucher bereits einen guten Draht aufgebaut. „Ich hab jetzt schon ein paar Spezis hier.“

Lachend berichtet sie, was wenige Minuten zuvor geschah: „Eigentlich gibt es eine Wurst, eine Brezel und ein Getränk. Aber der eine Herr sagte zu mir mit einem Augenzwinkern, dass er eine leere Flasche Bier bekommen habe. Da sag ich zu ihm, da müsse ich aber mal mit dem Zirkus sprechen. Das geht ja so nicht.“ Natürlich habe sie dem netten Herrn eine zweite Flasche gebracht – außerhalb der Absprachen.

Der Tag ist eine große Bereicherung für viele Senioren

Die älteren Damen und Herren sitzen an den Tischen, schwatzen fröhlich und lassen es sich gut gehen. Eben waren sie schon im Zelt, haben in der Manege im Kreis gesessen und das Pony „Balto“ näher kennen gelernt. „Ich mag Tiere eigentlich mehr aus der Entfernung“, verrät Adelgunde Schmalz. „Aber das Pony war gut.“ Sichtlich genießt sie jeden Moment. „Dieser Tag ist eine große Bereicherung für uns. Das Haus hat sehr viel für uns getan in der schweren Zeit“, sagt sie und erinnert an unzählige Balkonkonzerte, Feiern und sogar eigene Fernsehformate. Aber selbst einmal wieder unterwegs zu sein, das ist für die 92-Jährige von unschätzbarem Wert.

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„Normalerweise wären wir um diese Jahreszeit schon Erdbeerpflücken gewesen oder auf der Kirmes. Jetzt sind wir zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Pandemie wieder außer Haus“, ist es auch für Einrichtungsleiter Marcus Becker ein ganz besonderer Moment. Kaum erstaunlich, dass er als erster Heimleiter das Angebot der Familie Probst annahm. Für ungewöhnliche Aktionen für „seine“ alten Leute sei er immer zu haben, betont Becker. Jetzt beobachtet auch er die Szenerie mit Freude.

Kameldame „Ranga“ begrüßt die betagten Besucher

Schon geht es weiter: Vor der Vorstellung dürfen alle, die können und wollen, durch die Tierschau pilgern. Es finden sich ausreichend starke Helfer, die Rollstühle schieben oder Senioren stützen. Gleich zu Beginn wartet Kameldame „Ranga“ und begrüßt die Besucher. Im Zelt sind etliche Tiere schon außerhalb der Ställe angeleint. „Die warten auf die Vorstellung“, erklärt Stefanie Probst. Ziegen, Zebras, Lamas, Pferde, Kamele – lang ist die Liste der Tiere, auf die die Gäste hier treffen.

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„Für die Bewohner ist das schön“, sagt Jörg Keßen, Mitarbeiter des Sozialen Dienstes im „Haus Marienfried“. „Man sieht schon, wie sich die Gesichtszüge verändern.“ Auf dem Weg zurück ins Zelt und zur Sondervorstellung dann sind die Eindrücke für eine Dame zu gewaltig. Überall Tiere, da drängt sich für sie nur ein Schluss auf: „Sind wir jetzt im Zoo?“ Alle schmunzeln. Eine Betreuerin erklärt, man sei im Zirkus. Doch ein bisschen Ähnlichkeit gebe es da schon.