Oberhausen. Eine Seilbahn am Centro Oberhausen – Wunschtraum oder sinnvolle Idee? Das sagt ein ausgewiesener Experte zu den Plänen in der Neuen Mitte.
Der bundesweit bekannte und anerkannte Stadtplaner und Mobilitätsexperte Professor Heiner Monheim hat am Donnerstagabend den Oberhausenern Mut zur Seilbahn am Centro gemacht. Ein solches Projekt könne für die Neue Mitte sehr sinnvoll sein, wenn es eng mit dem dort vorhandenen Netz von ÖPNV und Zugverkehr verknüpft werde.
Nur so mache dieses Projekt allerdings Sinn, sagte der Verkehrsexperte in der Reihe „Bärbel Höhn trifft“. Im Saal Paris der Luise-Albertz-Halle hatte sich ein zahlreiches, rege interessiertes Publikum versammelt. Über zwei Stunden diskutierte Monheim mit den Teilnehmern und mit Gastgeberin Bärbel Höhn (Grüne), langjährige Bundestagsabgeordnete und ehemalige NRW-Umweltministerin.
Bärbel Höhn sprach den Mobilitäts-Fachmann auf den Masterplan Neue Mitte und seine Meinung dazu direkt an. Der Professor hatte sogleich einen Tipp für Oberhausen parat: „Seilbahnen sind förderfähig, wenn sie in den städtischen ÖPNV integriert werden. Das Bundesverkehrsministerium sucht derzeit händeringend nach möglichen Seilbahn-Städten, die sich um eine solche Förderung bewerben.“
Eine klare Absage erteilte der Verkehrsexperte allerdings der Idee, einen neuen Großparkplatz an der Autobahn 42 zu bauen und dann die Centro-Gäste, die mit dem Pkw anreisen, von dort mit der Seilbahn zum Einkaufszentrum zu bringen. Das sei keine Mobilitätswende im Sinne des Klimaschutzes; das verstärke langfristig lediglich den Autoverkehr vor Ort.
Streifzug durch 150 Jahre Verkehrspolitik
Doch der Abend hatte keineswegs nur die Seilbahn-Vision zum Thema. Mit atemberaubendem Tempo führte Heiner Monheim das Publikum durch 150 Jahre Verkehrspolitik in Deutschland; von den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und der Blütezeit der Eisenbahn bis in das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Und er ging dabei mit dem Deutschland des 21. Jahrhunderts hart ins Gericht: „Wir sind ein völlig innovationsträges Land, obwohl wir ständig über Innovation reden.“
Immer noch orientiere sich die deutsche Verkehrspolitik an der Logik eines Autolandes, obwohl das längst überholt sei. „Der öffentliche Raum ist keine Maschine für den Autoverkehr, sondern Lebensraum für die Menschen.“ Daran müsse sich eine moderne, zeitgemäße Verkehrspolitik orientieren, die auch den Fußgängern und Radfahrern den ihnen gebührenden Platz in der Verkehrsplanung einräumt.
Immer wieder hatte der Professor eindrucksvolle historische Beispiele parat. „Das Ruhrgebiet war in den 1920er-Jahren eine Hochburg des Fahrradverkehrs“, sagte Heiner Monheim, Und: „Lastenräder waren damals in den Speditionen alltäglich.“ Erst die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg habe dann die Wende zur rigiden, nur am Auto orientierten Verkehrspolitik gebracht. Jetzt gelte es, die anderen Verkehrsträger – das Fahrrad, die Fußgänger, aber vor allem auch die Eisenbahn und S-Bahn – wieder angemessen zum Zuge kommen zu lassen. Die „autobesoffene“ Ära der Bundesrepublik sei endgültig vorbei.
Lob für Wiedereinführung der Straßenbahn
Mobilität und Raumentwicklung
Heiner Monheim begleitet seit Jahrzehnten Verkehrs- und Infrastrukturprojekte und wurde im Jahr 1995 Professor für Angewandte Geographie, Raumentwicklung und Landesplanung an der Universität Trier; seit September 2011 ist er emeritiert.Der Mobilitätsexperte ist Mitbegründer und -inhaber von „raumkom“, Institut für Raumentwicklung und Kommunikation mit Hauptsitz in Trier.
Enge ÖPNV-Takte, ein gut ausgebautes Schienennetz für Züge und Straßenbahnen, möglichst viele Haltepunkte für die S-Bahn, mehr Bahnhöfe, mehr lokale Güterbahnanschlüsse, möglichst viele Straßenbäume als prägender Teil des Stadtbildes – Heiner Monheim entwarf ein detailreiches Bild einer klimagerechten Stadt- und Nahverkehrszukunft. Er lobte Oberhausen ausdrücklich für die Wiedereinführung der Straßenbahn im Jahr 1996. Damit habe die Stadt bundesweit und sogar international Beachtung gefunden. Jetzt müsse man das örtliche Netz für die Straßenbahn am besten noch deutlich ausbauen.
Zu Beginn der Veranstaltung gab es eine Gedenkminute für den verstorbenen Professor Karl Ganser, der mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscherpark das heutige Ruhrgebiet entscheidend geprägt hat. Auch mit Ganser hat Heiner Monheim eng zusammengearbeitet. Die IBA-Vision ist längst Wirklichkeit geworden – womöglich hat Monheims Vision einer wirklich neuen Verkehrspolitik ebenso gute Zukunfts-Chancen.