Gelsenkirchen. Immer mehr Gelsenkirchener fragen nach dem Corona-Booster und werden beim Hausarzt abgewiesen. Gelsenkirchen geht den Weg der Impfbusse.

„Boostern Sie mich oder boostern Sie mich nicht?“, das ist hier die Frage, die immer häufiger zu hören ist. Impfen ist das beste Mittel, die vierte Corona-Welle zu brechen, darüber herrscht weitgehend Einigkeit unter Experten. Trotzdem steigt die Impfquote – auch beim Boostern, also der Auffrischungsimpfung – in Gelsenkirchen weiterhin nur im Schneckentempo.

Weit mehr als 20.000 Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener könnten laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) längst die Auffrischung bekommen haben, bei weiteren 100.000 läuft die Frist von sechs Monaten bis zum Jahresende aus. Aktuell sind aber lediglich rund 13.000 Gelsenkirchener dreifach geimpft. Woran liegt es, dass es so langsam voran geht?

Dr. Hans-Bernd Tefett, niedergelassener Allgemeinmediziner, sieht sowohl die Politik als auch die ständige Impfkommission als entscheidende Bremsfaktoren. „Die Stiko betreibt weiterhin Mangelverwaltung. Sie ist gewohnt, in Ruhe abwägen zu können bei neuen Impfstoffen. Das ist auch richtig, wenn es um Impfungen gegen eher seltene Erkrankungen geht. Aber diese Zeit haben wir jetzt in der Pandemie nicht. Es hat zu lange gedauert, bis die Stiko die Booster-Impfung überhaupt empfohlen hat. Das hat viele verunsichert. Und die Einschränkung auf über 70-Jährige und Immunsupprimierte nach mindestens sechs Monaten bremst weiterhin. Wenn wir nach Israel und in die USA schauen sehen wir, wie effektiv das Boostern auch von Jüngeren ist, wie es Wellen brechen kann.“

Anspruch auf eine Booster-Impfung ab 12 Jahren

Tatsächlich haben auch alle Menschen ab zwölf Jahren Anspruch auf eine Booster-Impfung. Dennoch erleben auch in Gelsenkirchen Patientinnen und Patienten unter 70 Jahren immer wieder, dass sie ihr Hausarzt abweist und nicht impft. Grund dafür ist der Dissens zwischen dem Gesetzgeber und der Stiko.

Die Stiko spricht von „aktuell uneinheitlichen öffentlichen Aussagen zu den Zielgruppen für Auffrischimpfungen, die zur Verunsicherung in der Ärzteschaft und Bevölkerung geführt haben“. Denn auch wenn Auffrischimpfungen bei Jüngeren, nach Erreichen hoher Impfquoten, zur spürbaren Reduktion der Virusausbreitung in der Bevölkerung beitragen können, dürfe dies nicht zu einer Verzögerung bei den Menschen ab 70 Jahren sowie bei immungeschwächten Menschen führen, so die Stiko. Schließlich führten Durchbruchsinfektionen bei alten Menschen häufiger als bei Jüngeren zu schweren Erkrankungen, die eine intensivmedizinische Behandlung notwendig machten.

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In Tefetts Praxis in der Innenstadt wird an fünf Tagen der Woche geimpft, auch Menschen, die die Stiko-Kriterien nicht erfüllen. „Das ist sehr aufwendig“, räumt der Mediziner ein. Er hält zwar für möglich, dass die niedergelassenen Ärzte das Boostern flächendeckend schaffen könnten, wenn alle mitmachen. Kleine, stationäre Impfangebote zu machen, ergänzend zum mobilen Impfbus, könne aber durchaus helfen, glaubt der Tefett.

Herne, Bochum, Duisburg, Dortmund - diese Städte bieten Booster-Impfungen

In den Nachbarstädten gibt es diese längst. In Herne wird in zwei Einkaufszentren in den Fußgängerzonen von Herne und Wanne-Eickel geimpft sowie stationär beim „Weihnachtszauber“ in Crange. Bochum hat ebenfalls eine Station auf dem Weihnachtsmarkt eingerichtet. In Bottrop gibt es zwei stationäre Impfstraßen in der City, in Duisburg drei Stationen, unter anderem an einer Moschee, in Dortmund hat die Thier-Galerie Räume zur Verfügung gestellt. Das Land NRW empfiehlt und unterstützt seit dem 9. November auch die Einrichtung solcher Zentren.

Die Stadt Gelsenkirchen hat bisher nur angekündigt, dass ein zweiter Impfbus eingesetzt werden soll, der Corona-Impfungen – auch den Booster-Pieks – anbieten soll. Doch zwischen Ankündigung und Umsetzung liegen Wochen. Anfang November verkündet, rollt der zweite Impfbus wohl erst am 6. Dezember zwischen Hassel und Ückendorf. Dabei verzeichnet auch die Stadt, dass das Interesse wieder spürbar gestiegen ist - auch weil Impfwillige, die das Sechs-Monate-Kriterium dort nicht zurückgewiesen werden, wie bei manch einem Hausarzt in der Stadt. Zuletzt wurden 400 bis 500 Menschen am Impfbus pro Tag geimpft, vor einigen Wochen war es im Schnitt nur etwa 150 Impfungen pro Tag.

Weitere kommunale Impfangebote wie in den Nachbarstädten, will Gelsenkirchen aber nicht machen. Luidger Wolterhoff, Krisenstabsleiter der Stadt Gelsenkirchen sagt dazu: „Wenn wir mit zwei Bussen unterwegs sind und täglich bis zu 1000 Menschen mobil impfen, dann werden wir schnell allen Interessierten ein Impfangebot machen können. Weitere stationäre, unflexible Impfstellen brauchen wir nicht.“

Gelsenkirchener Ärztin hält weitere stationäre Impfangebote für unnötig

Von erneuten stationären Impfangeboten jenseits der Arztpraxen hält auch die Allgemeinmedizinerin Dr. Silja Kreitz, deren Praxis in Bulmke beheimatet ist, wenig. „Die Impfmobile sind sehr gut und wichtig. Und wir impfen auch an Wochenenden an gut erreichbaren Plätzen wie in Apotheken, Aber die Praxen können das Boostern durchaus bewältigen, es machen ja auch Fachärzte mit“, ist sie überzeugt.

Auch sie klagt aber über die Zögerlichkeit von Politik und Ständiger Impfkommission, die für Verunsicherung gesorgt habe. In ihrer Praxis werde zwar die Frist von sechs Monaten gewahrt, aber auch jüngere Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetiker, die alle nicht von der Stiko erwähnt werden, bekommen den Booster.