Oberhausen. Das 9-Euro-Ticket soll dem Nahverkehr in Deutschland neuen Schwung geben. Was sagt der Stoag-Chef zum überraschenden Plan der Bundesregierung?

Das Oberhausener Nahverkehrsunternehmen Stoag sieht das von der Bundesregierung geplante 9-Euro Ticket „als Chance, noch mehr Bürgerinnen und Bürger vom Umstieg auf energieeffiziente und klimaschonende Mobilität zu überzeugen“. Das sagt Stoag-Chef Werner Overkamp auf Anfrage der Redaktion.

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Die Stoag-Spitze räumt ein, dass man – wie die gesamte ÖPNV-Branche – von den Beschlüssen der Bundesregierung und insbesondere vom 9-Euro-Ticket überrascht worden sei. Doch die Idee eines ÖPNV-Monatstickets für 90 Tage für nur neun Euro sei nicht nur geeignet, neue ÖPNV-Kunden zu gewinnen, sondern auch jene Menschen zum Wiedereinstieg zu bewegen, „die während der Coronazeit andere Verkehrsmittel favorisiert haben“.

Jetzt gelte es, das Projekt – es ist Teil des Energie-Entlastungspakets der Bundesregierung – in der Praxis auf den Weg zu bringen. Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde und der Branchenverband würden sich bereits über die Rahmenbedingungen abstimmen. Werner Overkamp unterstreicht, dass in einem speziellen Punkt eine sinnvolle und gerechte Lösung gefunden werden müsse: „Es ist für uns unabdingbar, dass das Angebot auch für unsere Stammkunden, also unsere Abonnenten, gilt.“ Das heißt: Stammkunden, die bereits ein teures Dauerticket haben, sollen keine finanziellen Nachteile erleiden und ebenfalls in den Genuss der 9-Euro-Fahrkarte kommen, etwa über eine Rückerstattung oder ein Aussetzen der Abo-Zahlungen.

Arbeitsgruppe klärt die Details

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist zum 9-Euro-Ticket eingerichtet worden. Sie soll zeitnah die Details klären.Die Verkehrsbetriebe in Deutschland rechnen mit Einnahmeausfällen von insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Der Bund will diese Verluste „voll ersetzen“.

Der Verwaltungsaufwand müsse so gering wie möglich gehalten werden, erklärt der Stoag-Chef. Hier gelte es, unkomplizierte und kundenfreundliche Regelungen zu treffen. „Unsere Abonnentinnen und Abonnenten müssen nicht selber aktiv werden oder gar ihr Abonnement kündigen. Die Abwicklung erfolgt bei den Verkehrsunternehmen und wird zur Zufriedenheit der Stammkunden geregelt.“

Start schon am 1. Mai?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) peilt als Starttermin für das 9-Euro-Ticket den 1. Mai an. Das wäre schon in einem Monat. Selbst die größten ÖPNV-Optimisten halten diesen Zeitplan für gewagt, weil die komplizierte deutsche Nahverkehrslandschaft kaum geeignet ist, von Berlin aus bis zur letzten Haltestelle auf dem flachen Land durchzuregieren. Und so sagt auch Werner Overkamp: „Da die Details der Umsetzung noch offen sind, lässt sich der administrative und vertriebliche Aufwand noch nicht bewerten.“

Stoag-Geschäftsführer Werner Overkamp: „Es ist für uns unabdingbar, dass das Angebot auch für unsere Stammkunden, also unsere Abonnenten, gilt.
Stoag-Geschäftsführer Werner Overkamp: „Es ist für uns unabdingbar, dass das Angebot auch für unsere Stammkunden, also unsere Abonnenten, gilt." © FFS | Frank Oppitz

Das Ticket soll jeweils „verbundweit“ gültig sein, würde also für Oberhausen den gesamten Bereich des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) abdecken. Die 9-Euro-Kundinnen und -Kunden könnten dann von Düsseldorf bis Dortmund unterwegs sein und müssten nicht - wie zum Beispiel beim Ticket 1000 der Preisstufe D – 171 Euro im Abo oder gar 194 Euro ohne Dauerbindung pro Monat dafür zahlen.

Die Verkehrsminister der Bundesländer haben sogar vorgeschlagen, den ÖPNV für drei Monate gleich ganz zum Nulltarif fahren zu lassen. Werner Overkamp sieht ein Kapazitätsproblem auf die Stoag zurollen, wenn diese Idee verwirklicht würde: „Rein verwaltungstechnisch gesehen wäre ein Nulltarif-Angebot sicher einfacher, könnte aber zu einer zeitweisen Überlastung des ÖPNV-Systems führen, da sowohl Personal- als auch Fahrzeugkapazitäten kurzfristig nicht erhöht werden können.“