Gelsenkirchen. Spätestens Anfang April soll in Arztpraxen gegen das Coronavirus geimpft werden. Wie sich Gelsenkirchener Ärzte dafür aufgestellt sehen.

Spätestens Anfang April sollen niedergelassene Ärzte in ihren Praxen gegen das Coronavirus impfen. Das ist das Ergebnis des Bund-Länder-Gipfels am Mittwoch (3. März). Bei einer WAZ-Umfrage Anfang der Woche hatten sich Gelsenkirchener Ärzte bereits positiv über die Möglichkeit der Impfung in Praxen geäußert – und sich sogar einen früheren Impfstart in Praxen gewünscht.

„Wir stehen bereit“, sagte Klaus Rembrink, Leiter der Bezirksstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) und des Impfzentrums Gelsenkirchen. „Niedergelassene Ärzte impfen jedes Jahr in Deutschland 15 Millionen Menschen gegen die Grippe. Wir brauchen nur den Impfstoff und die Order der Politik.“ Er rechnete vor: „Wir haben in Gelsenkirchen circa 150 Hausärzte. Wenn jeder 20 Impfungen am Tag durchführt, können wir 15.000 Menschen pro Woche impfen.“

Gelsenkirchener Arzt: „Warum wurden nicht längst Impfstoffe an Praxen geliefert?“

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Günter Lapsien, seit über 30 Jahren Allgemeinmediziner mit Praxis in Scholven und Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Praxisnetz Gelsenkirchen, sieht das genauso und fragte: „Warum wurden nicht längst Impfstoffe an die Arztpraxen geliefert?“ Je schneller niedergelassene Ärzte in ihren Praxen impfen könnten, desto eher rücke eine Herdenimmunität in greifbare Nähe.

Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch über die in der Impfverordnung festgelegte strikte Impf-Reihenfolge. Die KBV hatte bereits in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass eine strikte Reihenfolge nachrangig werde, sobald genug Impfstoff vorhanden sei. Das sehen Rembrink und Lapsien genauso: Man könne von Hausärzten nur schwer erwarten, in ihren Wartezimmern eine strikte Priorisierung vorzunehmen.

„Man müsste die Verordnung etwas aufweichen“ – damit kein Impfstoff verfällt

„Ich würde mir nicht anmaßen wollen zu entscheiden, dass einer meiner Patienten nun geimpft werden darf und der andere nicht. Das könnte unethisch werden und ärztliches Vertrauen gefährden“, gab Lapsien zu bedenken. „Man müsste die Verordnung etwas aufweichen – auch mit dem Ziel, dass nichts von dem vorhandenen Vakzin im Abfall landet.“

Im Beschluss von Bund und Ländern heißt es nun: „Die Priorisierung der Coronavirus-Impfverordnung gilt auch für die Impfungen in den Arztpraxen als Grundlage. Die tatsächliche Entscheidung der Priorisierung erfolgt nach jeweiliger ärztlicher Einschätzung vor Ort.“ So sollen die Impfungen in Praxen flexibler gemacht werden.

Dass ein gewisser Rahmen vorgegeben werden sollte, hatte Isabel Gewaltig, Hausärztin mit Praxis in der Feldmark, gegenüber der WAZ betont: „Sonst könnte es zu Konflikten kommen. Wir haben das gesehen, als wir bei der Grippeimpfung nur eine begrenzte Anzahl an Dosen bekommen haben. Da sind wir teilweise von Patienten hart angegangen worden.“

Allgemeinmedizinerin: „Planen können wir noch nichts“

Ansonsten begrüßte Gewaltig, dass die Impfungen in die Praxen geholt werden – wenngleich sie sich von der Politik nicht gut vorbereitet fühle: „Wir wissen nicht, welcher Impfstoff in welcher Menge zur Verfügung stehen wird. Planen können wir also noch nichts.“

Wahrscheinlich, so die Medizinerin, müsse man in den Praxen feste „Impftage“ bestimmen. Neben dem Normalbetrieb seien Corona-Impfungen in hoher Zahl sonst schwer zu bewältigen. Einen anderen Gedanken brachte Alexander Allgeier, Allgemeinmediziner mit Praxis in Erle, ins Spiel: „Es gibt Überlegungen, einige spezielle Impfpraxen einzurichten – zumindest so lange, bis wirklich ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht.“

Viele Ärzte haben bereits Erfahrung mit der Corona-Impfung

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Allgeier betonte: „Aus hausärztlicher Sicht hätten die Impfungen auch schon im letzten Monat losgehen können.“ Abgesehen davon, dass KV, RKI und die Ständige Impfkommission ihn und seine Kollegen regelmäßig mit Informationen versorgten, hätten viele Ärzte auch schon beispielsweise in Heimen geimpft und deshalb Erfahrung mit dem Vakzin.

Mirko Kuhn, Gelsenkirchener Orthopäde, Unfallchirurg und Bezirksvorsitzender des Berufsverbandes der Orthopäden, der im vergangenen Jahr viele Corona-Tests in Schulen durchgeführt hat, sprach sich für eine flächendeckende Beteiligung der niedergelassenen Ärzte an den Corona-Impfungen aus: „Kinderärzte, HNO-Ärzte oder auch wir als Unfallchirurgen könnten uns zum Beispiel daran beteiligen.“ Denn: Die Akzeptanz der Impfung werde wahrscheinlich zunehmen, wenn mehr Menschen das Vakzin bekommen hätten.

Gelsenkirchener Unfallchirurg: In Praxen ist schnellere und effizientere Impfung möglich

Der Bund-Länder-Beschluss sieht erst einmal vor, dass jene haus- und fachärztlichen Praxen, die in der Regelversorgung routinemäßig Schutzimpfungen anbieten, in die Impfkampagne eingebunden werden sollen. In Praxen sei aber grundsätzlich eine schnellere und effizientere Impfung möglich – auch bei ihm als Orthopäden, betonte Kuhn: „Ich stelle im Moment viele Atteste für Patienten aus, die diese dann im Impfzentrum vorlegen. In dieser Zeit könnte ich sie genauso gut selbst impfen.“