Mülheim. Es wuchert immer noch auf dem Heißener Friedhof – obwohl die Stadt Mülheim den Rückschnitt bereits angekündigt hatte. Warum Besucher sauer sind.
Es ist ein trauriges Bild, das man auch nicht mit der Umschreibung „naturnah“ beschönigen kann: So hoch steht das Gras zwischen den Gräbern auf dem Heißener Friedhof, dass mancher Grabstein dahinter fast verschwindet. Die Situation besteht so seit Wochen – jetzt mit dem feucht-warmen Frühsommerwetter nimmt der Wuchs der Vegetation noch einmal richtig Fahrt auf – und der Unmut der Friedhofsbesucher wächst mit jedem Tag, an dem das Unkraut nicht beseitigt wird.
„Der Friedhof sieht unmöglich aus, ich bin inzwischen wirklich sauer“, sagt eine 83-jährige Mülheimerin, die regelmäßig die Gruft ihrer Angehörigen auf dem Heißener Friedhof besucht. „Unsere Gruft wird von einem Gärtner sehr schön gehalten, aber direkt nebenan schießt das Unkraut in die Höhe – teils fast einen Meter hoch“, schildert die Seniorin die aktuelle Situation.
83-jährige Mülheimerin schneidet selbst wucherndes Unkraut entlang des Grabes zurück
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Kürzlich sei sie selbst zur Tat geschritten und habe mit einer Schere eine Schneise zwischen ihrem Grab und dem angrenzenden ungepflegten Areal geschlagen – damit ihr Bereich nicht überwuchert wird. Die 83-Jährige fühlt sich mittlerweile verschaukelt, was die Ankündigungen zu Pflegemaßnahmen auf dem Friedhof angeht: „Da hat sich in Sachen Rückschnitt immer noch nichts getan, obwohl die Stadt das Mitte Mai angekündigt hatte, und telefonisch erreicht man dort niemanden.“
Bereits im vergangenen Jahr häuften sich die Klagen der Friedhofsbesucher, denn die Gartenbaufirma, die die Pflegearbeiten auf den zehn städtischen Friedhöfen von 2020 bis 2024 im Auftrag der Stadt erledigen sollte, war ihrer Arbeit nicht wie vereinbart nachgekommen. Die beauftragten Pflegearbeiten wurden mangelhaft oder auch gar nicht ausgeführt. Schließlich hatte die Stadt der Firma den Vertrag gekündigt. Die neuen Verträge für die Friedhofspflege werden künftig nur noch für ein Jahr gelten.
Klagen kennt die Seniorin auch vom Dümptener Friedhof
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Eine Interims-Firma sollte für die Pflege sorgen, bis ein neuer, für ein Jahr festgelegter Betrieb per Ausschreibung gefunden ist. Doch noch ist nichts geschehen. Die Stadt räumt laut Stadtsprecher Volker Wiebels ein, dass es sich länger hinausgezögert habe, den Auftrag an die Interims-Firma zu vergeben, denn es sei schwer, überhaupt noch Unternehmen mit freien Kapazitäten zu finden. „Unbefriedigend“, urteilt der Stadtsprecher.
Der miserable Pflegezustand sei ihr nicht nur vom Heißener Friedhof bekannt, betont die Seniorin, eine Freundin berichte exakt das Gleiche vom Dümptener Friedhof. Auch auf dem denkmalgeschützten Altstadtfriedhof wuchert es wild, Gräser und Farn sprießen aus jeder Ritze.
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Richtig sauer ist auch ein Heißener, der in unmittelbarer Nähe des Friedhofes wohnt und oft auf dem Gelände unterwegs ist. Auch er ist Hinterbliebener und besucht die Grabstätten seiner Angehörigen. „Das ist wirklich beschämend, wie es rund um die Gräber aussieht. In diesem Jahr haben dort noch gar keine Pflegearbeiten stattgefunden“, hat der 52-Jährige beobachtet und bemängelt: „Teils sind die Wege schon so zugewuchert, dass man die Grabstätten kaum noch erreichen kann.“
Besonders verärgert ist der Heißener über die Stadt, denn: „Durch die Misere werden die Friedhofsgebühren schließlich auch nicht gesenkt oder zurückerstattet.“ Zudem sieht er eine deutliche Mehrarbeit bei den Hinterbliebenen: „Ich hab schon Leute gesehen, die an ihren Gräbern selber gemäht haben.“ Von der zuständigen Behörde hätte er sich mehr versprochen: „Hier sollte längst was passiert sein.“
Die Interimsfirma soll Friedhöfe nach Dringlichkeit abarbeiten
Deutlich konkreter kann die Stadt auch jetzt nicht werden – vier Wochen nach der letzten Ankündigung, dass Pflegearbeiten beginnen sollen. Die Ausschreibung für die neue Vergabe der städtischen Friedhofspflege sei nun zwar ausgewertet und der Auftrag für die Interimspflege inzwischen erteilt. Doch: „Die Interimsfirma kann keine Aussage treffen, wann sie anfangen kann“, meldet Stadtsprecher Volker Wiebels. Der Grund sei Personalmangel. Wenn es denn aber losgehe mit dem Rückschnitt, müsse der Betrieb alle Friedhöfe nacheinander abarbeiten, gestaffelt nach Dringlichkeit. „Wir haben keine andere Wahl“, sagt der Stadtsprecher und verspricht, dass Heißen weit oben auf der Liste stehe.
Die 83-jährige Hinterbliebene kann da nur mit dem Kopf schütteln: „Und wir Bürger werden dazu gedrängt, die Gräber zu pflegen. Wenn das Grab mal nicht in Ordnung ist, erhält man direkt ein Schreiben, dass das gemacht werden muss.“ Und auch der 52-jährige Heißener ist mit seiner Geduld bald am Ende: „Es kommt nichts als leere Versprechungen von der Stadt.“