Oberhausen. Die Schmachtendorfer sind verwundert: Jahrelang parkten sie auf dem Bürgersteig an der Sternstraße. Nun verbietet es die Stadt – bloß warum?

Michael Haase war ziemlich verdutzt, als unter seinem Scheibenwischer das Schreiben der Stadt klemmte. Vor einem Monat war das. Nicht nur an seinem Auto flatterte der Zettel, sondern an allen Fahrzeugen, die auf dem Parkstreifen der Sternstraße in Oberhausen standen. Seit 45 Jahren stellen die Anwohner ihre Autos dort ab. „Ohne dass die Stadt etwas dagegen hatte“, sagt Haase.

In dem Schreiben merkt die Stadt aber nun an, dass es sich beim Parken auf dem Bürgersteig um eine Ordnungswidrigkeit handele. Verstöße wolle sie „zukünftig gebührenpflichtig“ verwarnen. „Warum stiftet die Stadt plötzlich ohne Grund Unruhe?“, fragt Haase.

Was sind Parkplätze und was ist Bürgersteig?, lautet die Streitfrage in Schmachtendorf. Die Menschen, die in der Sternstraße wohnen, können das Vorgehen der Stadt nicht nachvollziehen. Sie fragen sich, warum man ihnen den gewohnten Parkplatz wegnehmen will.

Der Bürgersteig der Sternstraße ist besonders: Er ist etwa vier Meter breit und zweigeteilt. Gut erkennbar, weil der eine Teil aus kleineren Pflastersteinen besteht. Der Bürgersteig ist so breit, dass auf dem Bereich mit dem kleineren Steinen parallel zur Fahrbahn Autos parken können. Auf dem anderen Teil haben zwei Kinderwagen nebeneinander Platz.

Anwohner der Sternstraße wundern sich über neues Parkverbot in ihrer Straße

Die Stadt verlangt, dass die Anwohner am Rand der Straße parken – also auf der Straße und nicht auf den Bürgersteig. „Gehwege sind vorrangig für Fußgänger bestimmt“, teilt sie in dem Schreiben unter dem Scheibenwischer mit. Das Parken auf dem „anders gepflasterten Hochbordstreifen“ sei nicht erlaubt. Dies ergebe sich aus der Verkehrsordnung. Haase, 73 Jahre alt und IT-Berater, hat sich die Verkehrsordnung genauer angeschaut. „Aus den genannten Paragrafen kann ich nicht ableiten, dass man auf dem Streifen nicht parken darf.“

Die 30er-Zone wird in beiden Richtungen befahren. Die breiten Bürgersteige befinden sich auf beiden Seiten der Fahrbahn. Haase muss lachen, als er erklärt, was das Einhalten des Parkverbots bedeuten würde: „Die Straße ist zu schmal. Wenn die Leute nur noch auf der Straße parken würden, blockieren sich die entgegenkommenden Autos. Entweder muss man dann den Rückwärtsgang einlegen oder endlos warten.“

Der zweigeteilte Bürgersteig der Sternstraße in Oberhausen-Schmachtendorf.
Der zweigeteilte Bürgersteig der Sternstraße in Oberhausen-Schmachtendorf. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Wie die Stadt nach all den Jahren auf Idee kommt, hier ein Parkverbot geltend zu machen, ist Haase rätselhaft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Anwohner beschwert haben. Es ist ja genügend Platz.“ Alle hätten von den Parkplätzen profitiert. Zudem: „Wer braucht vier Meter breite Bürgersteige?“ fragt er.

Die Stadt teilt jedoch mit, dass der Grund für die strengeren Kontrollen Beschwerden waren „über verkehrsbehindernd auf dem Gehweg abgestellte Fahrzeuge, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Fußgängern führten“. Sie weist darauf hin, dass der Bordstein nicht zweigeteilt, sondern ein durchgängiger Bürgersteig sei – auch wenn er unterschiedlich gepflastert sei. Parken sei auf Bürgersteigen nur erlaubt, wenn dies durch Parkerlaubnis-Schilder gekennzeichnet sei. Andernfalls droht ein Verwarngeld in Höhe von 20 Euro.

Mit anderen Worten: Es war eigentlich immer verboten, an der Sternstraße auf dem Bürgersteig zu parken. Der Bürgersteig ist ein Bürgersteig – und kein Parkstreifen. Allerdings hat die Stadt das Parken dort offenbar über Jahrzehnte nicht geahndet.

Anwohner halten sich nicht an das Parkverbot – die Stadt kontrolliert es bisher nicht

Der Bürgersteig ist etwa 150 Meter lang. 50 bis 100 Autos könnten darauf abgestellt werden, schätzt Haase. Fast alle Anwohner hätten ihn benutzt. Seitdem die Stadt das Verbot mitteilte, parken einige auf der Straße. „Die Mehrheit fährt weiterhin auf den Streifen.“ Einen Kontrolleur habe er noch nie gesehen. Daher vermutet er auch, dass die Geschichte bald in Vergessenheit geraten und niemand verwarnt werde.

Die Stadt bestätigt auf Nachfrage der Redaktion, dass sie die Sternstraße aktuell nicht kontrolliere, nachdem Leute sich über die Ankündigung härterer Kontrollen beschwert hätten. Die Straßenverkehrsbehörde prüfe derzeit die Parksituation. Erst nach Abschluss der Prüfung würden „Überwachungsmaßnahmen wieder aufgenommen“.

Nur in Ausnahmen dürfen Autos auf Bürgersteigen parken

Auf Bürgersteigen gilt grundsätzlich ein Parkverbot. Dies geht hervor aus § 12 (4) in Verbindung mit § 2 Straßenverkehrsordnung. Dort steht zwar nicht ausdrücklich, dass Parken auf dem Bürgersteig verboten ist, aber indirekt schon: Fahrzeuge dürfen nur auf dem Fahrstreifen geparkt werden – und zwar auf dem rechten. Es gibt jedoch auch eine Ausnahme: wenn nämlich das Verkehrsschild 315 ausdrücklich darauf hinweist, das Parken auf dem Bürgersteig erlaubt ist. Ein blaues Schild, das ein Auto zeigt, wie es mit zwei seitlichen Rädern auf dem Bordstein steht, mit den anderen beiden auf der Fahrbahn. Abgeschleppt werden Autos von Bürgersteigen nur, wenn dadurch eine Gefährdung oder Behinderung vorliegt. In der Regel folgt ein Bußgeld. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Jahr 2011 bestätigt, dass in Gegenden, in denen viele Menschen ihre Fahrzeuge auf Bürgersteigen parken, abgeschleppt werden darf.

Haase hätte eigentlich gar nichts dagegen, wenn alle nur noch auf der Sternstraße parken dürften. So wären die Autofahrer gezwungen, sich endlich an die die Geschwindigkeitsbeschränkung zu halten. „Dann müsste die Stadt aber auf dem Asphalt Markierungen anbringen, damit es auch Lücken gibt. Sonst stehen sich die entgegenkommenden Autos gegenüber und können nicht ausweichen.“

Was Haase jedoch missfällt, ist die Kommunikation der Stadt. „Dieses von oben herab: Entweder du machst das oder du kriegst Haue’“, empfindet er das Gebaren der Verantwortlichen. Er hätte es besser gefunden, wenn die Stadt mit den Anwohnern ins Gespräch gekommen wäre und gemeinsam eine Lösung gesucht hätte. „Und, dass sie eine nachvollziehbare Begründung liefert und nicht willkürlich Paragrafen auflistet.“