Gelsenkirchen. Ist das Testament von Schalke-Legende Rudi Assauer ungültig? Um diese Frage ist jetzt ein Streit entbrannt. Hintergrund ist Assauers Krankheit.
- Um das Testament von Schalke-Legende Rudi Assauer wird gestritten
- Hintergrund ist ein neues Gutachten zu Assauers Gesundheitszustand
- Es geht um die Frage, ob der Ex-Manager testierfähig war oder nicht
Im Rechtsstreit um das Erbe Rudi Assauers zwischen seinen Töchtern Katy Assauer und ihrer Stiefschwester Bettina Michel sorgt ein neues ärztliches Gutachten für Wirbel. Es geht der Frage nach, ob der frühere Manager des FC Schalke 04 schon dement war, als er sein Testament verfasste und beglaubigen ließ. Das 50-seitige Gutachten, das vom Amtsgericht Recklinghausen in Auftrag gegeben wurde und über das zunächst die Illustrierte „Bunte“ berichtete, liegt der WAZ Gelsenkirchen vor.
Thomas Finkbeiner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Knappschaftskrankenhaus Lütgendortmund, kommt darin zum Schluss, dass Rudi Assauer „zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments am 17.01.2012 nicht testierfähig war“. Assauer habe damals bereits unter einer „Alzheimer-Demenz“ gelitten. Er sei zu jenem Zeitpunkt also nicht mehr in der Lage gewesen „mit einem freien, eigenverantwortlichen oder unbeeinflussten Willen zu entscheiden“.
Gutachter: Rudi Assauer war nicht mehr testierfähig
Finkbeiner argumentiert basierend auf diversen ärztlichen Berichten und Zeugenaussagen aus früheren Verhandlungstagen, dass Assauer im November 2011 zwar „durchaus in der Lage gewesen war, eine natürliche Willensbekundung zur Trennung von seiner Frau zu verfassen“, da die Fähigkeit auf Gefühle zu reagieren „ausreichend vorhanden war“. Für die Annahme einer Testierfähigkeit habe diese emotionale Wertehaltung Assauers aber nicht ausgereicht.
„Er muss vielmehr in der Lage sein, die für und gegen eine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe abzuwägen und sich aus eigener Überlegung frei von Einflüssen Dritter ein Urteil zu bilden.“ Eben daran hat der Mediziner aber erhebliche Zweifel, die er in seinem Gutachten, das vor einigen Tagen den Verfahrensbeteiligten zugesandt wurde, dokumentiert.
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Dass der Notar, der im Juli 2011 in Anwesenheit von zwei Ärzten und Rudi Assauer dessen Testament beurkundete, zehn Jahre später vor Gericht aussagte, er habe Rudi Assauer für „einsichtsfähig und nicht beeinträchtigt in der Wahrnehmung und der Verständlichkeit“ angesehen, überzeugt den nun eingesetzten Gutachter nicht.
Letztendlich, so das Fazit des Neurologen und Psychotherapeuten, sei „angesichts der vorhandenen Alzheimer-Demenz ein sogenannter lichter Moment (Lucidum intervallum), welcher vorübergehend zu einer Testierfähigkeit geführt haben könnte, medizinisch nicht möglich.“ Dies könne mit hoher gutachterlicher Sicherheit gesagt werden.
Schalke-Manager Rudi Assauer war fast mittellos, als er starb. Wurde er ausgeplündert?
Wenn das Gericht dieser Argumentation folgt, könnten auf die bisherige Haupterbin Bettina Michel und Assauers Generalbevollmächtigte Sabine Söldner weitere Probleme zukommen. Schon jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen gegen beide und einen ehemaligen Assauer-Vertrauten wegen des Verdachts der Untreue.
Bettina Michel, die ihren Vater bei sich zu Hause in Herten pflegte, soll Zugriff auf ein undurchsichtiges Konstrukt von Konten bei der Volksbank Ruhr Mitte in Gelsenkirchen gehabt haben, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ im August 2021 schrieb. „Laut seinen Steuerunterlagen hatte Assauer im Jahr 2010 noch ein Vermögen von rund 2,3 Millionen Euro, bei seinem Tod im Jahr 2019 war davon fast nichts mehr übrig. Die Staatsanwaltschaft geht der Frage nach, wo das Vermögen geblieben ist“, erklärte Zeit-Redakteur Stefan Willeke im Gespräch mit der WAZ und berichtete von „dubiosen Verträgen über den Verkauf von Assauers Immobilien“, die die Bevollmächtigten abgeschlossen hätten.
Im Februar 2019, als Assauer starb, sollen laut einer Vermögensaufstellung seiner Tochter Bettina Michel nur noch 15.000 Euro Bargeld, Firmenanteile im Wert von 25.000 Euro, ein Anzug, ein Mantel, eine Pfeife, ein defektes Brillengestell, eine Rolex, ein paar Möbel und ein zehn Jahre alter Opel Meriva vorhanden gewesen sein.
„Skandalös“ – Rechtsanwalt meldet Zweifel an Assauer-Gutachten an
Bettina Michels Rechtsanwalt Burkhard Beneckenerklärte gegenüber der WAZ bereits im Spätsommer 2021, dass er glaubt, „dass wir die Vorwürfe entkräften können.“ Und auch an dem Gutachten, das Assauers Testierunfähigkeit bescheinigt, meldet Benecken Zweifel an. „Mehrere erfahrene Notare haben Rudi Assauer für testierfähig gehalten. Dass ein Gutachter über ein Jahrzehnt später mit einer Einschätzung aus der Ferne diese glaubhaften Eindrücke der Notare übergeht, ist skandalös“, so der Anwalt im Gespräch mit dieser Redaktion.
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Für seine Mandantin jedenfalls könnte das Gutachten beachtliche Konsequenzen haben: Sollte die Verfügung Assauers tatsächlich für ungültig erklärt werden, stünden der Klägerin Katy Assauer möglicherweise beträchtliche Summen aus dem einst millionenschweren Nachlass zu. Kein Wunder also, dass Michels Anwälte die psychiatrische Expertise anfechten wollen.
Katy Assauer bat auf Nachfrage um Verständnis, dass sie sich nicht öffentlich äußern werde, solange es keine Gerichtsentscheidung gibt. Assauers Tochter aus erster Ehe verlangte zuvor vor dem Bochumer Landgericht nähere Aufklärung, warum ihr Vater bei seinem Tod mittellos gewesen sein soll. Immerhin gilt sie als Miterbin, sollte das Testament ihres Vaters für ungültig erklärt werden. In seinem letzten Willen hatte der frühere Schalke-Boss festgehalten, dass seine Tochter Bettina Michel das gesamte Vermögen erben soll. Ihre Halbschwester Katy Assauer bekam nur den ihr gesetzlich zustehenden Pflichtteil. Den Nachlasswert veranschlagen Katy Assauers Anwälte indes auf eine Million Euro.