Gelsenkirchen. Sind die Zentren Gelsenkirchens verloren? Viele Teilnehmer unserer WAZ-Umfrage meiden die Innenstädte. Was die hiesigen Politiker dazu sagen.
Die Gelsenkirchener meiden ihre Zentren: Zu wenig hochwertige Angebote, zu wenig Atmosphäre, zu viel Müll, zu viele Bettler, zu viele Migranten – das ist die Auflistung der Gründe, warum es die Menschen nicht zum Shoppen und Verweilen an Bahnhofstraße oder Hochstraße zieht. Die Ergebnisse stammen aus unserer WAZ-Umfrage, bei der die Bürger dieser Stadt die heimischen Einkaufszonen bewerten sollten. Auf die teils ernüchternden Ergebnisse reagierte jetzt auf Nachfrage auch die Politik.
WAZ-Umfrage zu Gelsenkirchener Innenstädten: So reagiert die Politik auf die Ergebnisse
Alle Parteien sind sich einig, dass in den Innenstädten, vor allem in der Bahnhofstraße, etwas passieren muss – nur leider geht das eben nicht von Jetzt auf Gleich, von Heute auf Morgen. Das Umsetzen von neuen Ideen, wie etwa dem Feierabendmarkt oder dem Pop-up Biergarten, bewerten die Lokalpolitiker als guten Ansatz.
„Durch eine Vielzahl verschiedener Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, wie beispielsweise dem Bau großer Einkaufszentren in anliegenden Städten und dem omnipräsenten Internethandel sowie einer stetig sinkenden Kaufkraft, sehen sich unsere Innenstädte mit immer neuen großen Herausforderungen konfrontiert“, so Axel Barton, Fraktionsvorsitzender der SPD. Die Corona-Pandemie habe diese Entwicklung noch einmal beschleunigt.
Barton sieht dabei auch die Eigentümer in der Pflicht: „Mit dem Marientor oder dem ,schwarzen Block’ in Buer und dem Pavillon auf dem Heinrich-König-Platz finden sich zahlreiche Beispiele, bei denen dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird.“ Klar sei auch, dass mittelfristig Bund und Land mehr Verantwortung für die Innenstädte übernehmen müssten, insbesondere im Bereich der Immobilien.
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„Eindruck und Image sind keine Momentaufnahme, sondern haben sich über viele Jahre aufgebaut“, ist der Fraktionsvorsitzende der CDU, Sascha Kurth, überzeugt. Zu einer attraktiven Innenstadt gehören für den CDU-Politiker viele Faktoren wie etwa ein „ansprechendes Umfeld, attraktive Handelsangebote, ein interessantes Gastronomieangebot und nicht zuletzt auch das subjektive Sicherheitsempfinden“. Mit Blick auf das Angebot in den Läden verweist Kurth auf die Beziehung zwischen Kaufkraft und Angebot – „nur wenn ausreichend Kaufkraft mit entsprechender Frequenz vorhanden ist, ist es für Händler wie Ketten interessant, Standorte in unseren Innenstädten zu unterhalten“.
Kurth sieht eine klare Chance in der verstärkten Präsenz von Kommunalem Ordnungsdienst und Polizei: „Auch wenn es weiterhin Problemlagen gibt, zeigt sich hier, dass Kontrolldruck hilft.“ Gerade im Frühling und Sommer werde es darauf ankommen, diesen aufrecht zu erhalten und klar zu machen, dass mit Entschlossenheit gegen aggressive Störer vorgegangen werde. Vorfälle wie im letzten Jahr durch „herumlungernde Gruppen“ auf dem Heinrich-König-Platz sollen, so Kurth, der Vergangenheit angehören.
Innenstadt Gelsenkirchen: Mehr oder weniger Autos? Mehr Grün oder mehr Parkplätze?
„Die Attraktivität der Innenstädte zu erhöhen und ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern ist ein komplexes Unterfangen, für das es viele verschiedene, gleichzeitige Bausteine braucht“, meinen die Mitglieder der Grünen-Ratsfraktion, für die die Ergebnisse unserer Umfrage ebenfalls nicht überraschend sind. Die Präsenz von KOD und Polizei zu erhöhen, sei eine Maßnahme, die sie sich zu bestimmten Anlässen oder Stoßzeiten vorstellen können, sagt Fraktionsvorsitzende Adrianna Gorczyk. Eine ordnungspolitische Maßnahme allein locke aber „noch kein kaufkräftiges Publikum in ein Zentrum“.
Gleichzeitig müsse eine Innenstadt aus Sicht der Grünen „so gestaltet sein, dass sie auch für Menschen, deren Konsummöglichkeiten begrenzt sind, Aufenthaltsqualität bietet. Denn auch sie sind Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt“, so Adrianna Gorczyk weiter. In puncto autoarme Innenstadt positionieren sich die Grünen klar: Mehr Grün, einladende Plätze und Außengastronomie und auf der anderen Seite mehr und kostenlose Parkplätze, am besten direkt vor dem Geschäft, in dem man gerade einkaufen will, seien aus Grünen-Sicht Ansprüche, die nicht miteinander vereinbar seien.
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„Die gesunkene Attraktivität unserer Innenstädte ist ein Spiegel der sozialen Lage Gelsenkirchens“, so die Meinung von Martin Gatzemeier, Fraktionsvorsitzender der Linken. Die Zentren im Süden und Norden Gelsenkirchens für die Menschen interessanter und vielfältiger zu machen – das gelinge mit guten Geschäften, Cafés, Restaurants und öffentlichen Räumen. Doch dafür müsse die soziale Situation verbessert werden: „Ohne ,gute Arbeit’, ohne ausreichend Ausbildungsplätze und mit für viele nicht auskömmlichen Renten“ ist die dauerhafte Attraktivität der Innenstädte nicht zu gewährleisten.
Gelsenkirchener Innenstädte: AfD fordert ein besseres Sicherheitskonzept
Die Gelsenkirchener FDP regt eine Umfrage der Verwaltung an, gestaltet von Studenten der Westfälischen Hochschule: „Wir fordern die Verwaltung auf, eine repräsentative Umfrage in Auftrag zu geben, die die Wünsche der Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener für ihre Innenstädte herausarbeitet“, so Fraktionsvorsitzende Susanne Cichos.
Dass beide Zentren „durch die Corona-Pandemie gelitten hätten, dass das Angebot inhabergeführter Geschäfte erweitert und neue Wege beschritten werden müssen“, sei der FDP bewusst. „Von daher plädieren wir dafür, dass zum Beispiel bei der Vergabe der 800.000 Euro Fördergelder aus dem Sofortprogramm für die Innenstädte sorgfältig geprüft wird, ob die Bewerber zu einer Angebotserweiterung beitragen“, sagt Cichos. Eine gesteigerte Präsenz von Polizei und KOD, dafür plädiert die FDP ebenfalls.
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Stichwort Sicherheit: Die AfD fordert für die Bahnhofstraße ein „besseres Sicherheitskonzept“: „Zum subjektiven Sicherheitsgefühl würden Fußstreifen der Polizei beitragen“, so der Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden Jan Preuß.
Eine weitere Forderung des AfD-Politikers: Mehr innenstadtnahe Parkplätze für die Einkaufszone im Norden der Stadt, samt der Einrichtung eines modernen Parkleitsystems. Denn: „Wir sind davon überzeugt, dass Menschen weiterhin gerne innenstadtnah parken und, wenn die Situation dies nicht mehr zulässt, zum Shoppen in andere Zentren wie beispielsweise das Centro abwandern, wo die Parkplätze nicht nur nah und kostenlos, sondern sogar durch ein hochmodernes Parkleitsystem komfortabel zu finden sind.“
„Für beide Innenstädte sollte nun darüber hinaus im großen Stil das Gespräch mit Immobilienbesitzern gesucht werden, damit vernünftige Mietverträge für die Ladenbesitzer möglich sind“ so Preuß weiter.