San Francisco. Das Versprechen, anders als Facebook zu sein, reicht aus, um riesiges Interesse zu wecken. Über 700.000 Nutzer wollen sich angeblich jeden Tag beim Online-Netzwerk Ello neu anmelden. Vielleicht auch, weil Ello keine personalisierte Werbung verkaufen will. Das erschwert allerdings die Finanzierung.
Vom Online-Netzwerk Ello weiß man vor allem eins: Es will anders als Facebook sein. "Sie sind kein Produkt", verspricht Gründer und Chef Paul Budnitz seinen Kunden in Anspielung auf das Geschäftsmodell von Facebook und anderen Diensten. Das heißt, bei Ello soll es auf jeden Fall keine Werbung auf Grundlage von Nutzer-Daten geben.
Mit der Ankündigung, ein "Anti-Facebook" zu sein, wird das junge Online-Netzwerk gerade mit Medien-Aufmerksamkeit überschüttet. Dabei kann man sich dort bisher nur mit einer Einladung anmelden. Aktuell bekomme Ello rund 30.000 Registrierungs-Anfragen pro Stunde, sagte Budnitz US-Medien.
In der Nacht zum Montag wurde die Website von einem Online-Angriff lahmgelegt - eine Aufmerksamkeit, die sonst eher größeren Diensten zuteil wird. Einladungen werden auch schon bei Ebay weiterverkauft.
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Finanzierung von Ello unklar
Dabei bleibt nicht nur unklar, wie viele Nutzer Ello jetzt eigentlich hat, sondern auch wie sich das neue Online-Netzwerk nun eigentlich finanzieren will. Bisher wurde nur eine kleine Gebühr für die Freischaltung einiger Zusatzfunktionen ins Gespräch gebracht. Dies dürfte aber kaum ausreichen, um die Kosten zu decken.
Zudem kam mit der Medien-Aufmerksamkeit auch eine zuvor nicht beachtete Investition wieder ans an Licht, die die Ello-Gründer in ihren Ankündigungen unerwähnt ließen. Der Risikokapitalgeber FreshTracks steckte 435.000 Dollar in das Netzwerk. Für notorische Skeptiker wie den britischen Online-Aktivisten Aral Balkan ist das ein Alarmsignal.
Das Geschäftsmodell dieser Investoren sei, ihren Einsatz nach Möglichkeit zu vervielfachen, betonte er in einem Blogeintrag. "Wenn sie Risikokapital aufnehmen, geht es nicht mehr darum, ob sie vorhaben, ihre Nutzer zu verkaufen - sie haben es damit bereits getan", kritisierte Balkan.
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Diaspora als Alternative zu Facebook
In den vergangenen Jahren gab es bereits mehrere Versuche, eine unabhängige Alternative zu Facebook aufzubauen. Für Aufmerksamkeit sorgte unter anderem das offene Projekt Diaspora. Vier Studenten hatten sich dafür auf der Plattform Kickstarter über 200.000 Dollar direkt von den Nutzern geholt.
Wie viele Nutzer Diaspora hat, ist angesichts der stark dezentrale Organisation des Netzwerks schwer zu bestimmen. Laut einer relativ umfassenden Statistik, die viele der Netz-Knotenpunkte berücksichtigte, waren es allerdings nur knapp 23.000 aktive Nutzer pro Monat.
Facebook hatte zuletzt über 1,3 Milliarden Kunden. Und die personalisierte Werbung auch auf mobilen Geräten bringt bei dieser gewaltigen Nutzerbasis viel Geld: Der Umsatz lag im vergangenen Quartal bei 2,9 Milliarden Dollar. Davon blieben 791 Millionen Dollar als Gewinn in den Kassen hängen. (dpa)