Essen. Bisher hat Facebook es seinen Usern überlassen, ob sie neben der normalen App auch die spezielle Messenger-App zum Nachrichtenversand nutzen wollen. Doch seit Freitag ist der Messenger Pflicht. Ohne ihn können Facebook-Nutzer per Smartphone keine Nachrichten mehr verschicken. Viele User sind wütend.
Facebook hat seine Chat-Funktion in eine eigene App ausgelagert. Seit vergangenem Freitag können Nutzer des Sozialen Netzwerks mit einem iPhone oder Android-Handy über die Facebook-App keine Nachrichten mehr verschicken. Dafür müssen sie nun zusätzlich die Facebook-Messenger-App herunter laden. Die gibt es zwar schon seit Jahren, bisher konnten die User des Sozialen Netzwerks aber selbst entscheiden, ob sie weiterhin die normale App zum Verschicken von Nachrichten nutzen wollen. Damit ist für die meisten nun Schluss.
Allein Besitzer eines Windows-Phones dürfen vorerst auf den Messenger verzichten. Für alle anderen gilt: Wer mit seinem Smartphone Facebook-Nachrichten verschicken will, muss neben der normalen Facebook-App auch den Messenger installieren. Viele Nutzer sind deshalb empört.
Negativ-Bewertungen hageln auf Facebook-Messenger nieder
"Man wird gezwungen es zu installieren, weil man sonst seine Nachrichten nicht mehr sehen kann! Das ist eine Frechheit", schreibt eine Nutzerin von Googles Play Store, in dem die Messenger-App heruntergeladen werden kann. Seit der Zwangsumstellung vom Freitag sind dort Dutzende Negativ-Bewertungen eingegangen. Fast alle User der Android-Version geben dem Facebook-Messenger die schlechteste Bewertung von nur einem Stern. Auch die Besitzer der Apple-Version sind alles andere als begeistert.
Schuld an den vielen schlechten Beurteilungen ist offenbar aber nicht das Programm selbst. Vor der Zwangsumstellung wurde der Facebook-Messenger gut bewertet, bekam häufig vier oder sogar fünf Sterne. Doch die fast zeitglich mit der Einführung des Messenger-Zwangs veröffentlichte Version 9.1 bekommt in Apples App-Store gerade einmal einen Punkt - die schlechteste Bewertung.
Der Messenger darf sogar das Mikrofon anschalten
Ein wütender Kommentator im App-Store fast das Gefühl vieler Nutzer zusammen: "Allein, dass man gezwungen ist, den Messenger zu installieren, um weiterhin über Facebook Nachrichten zu erhalten, verdient die schlechteste Bewertung." Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum viele den Messenger kritisch sehen; mangelnden Datenschutz.
Auch interessant
Denn die Messenger-App verlangt Zugriff auf zahlreiche Smartphone-Funktionen. Viele davon haben das Potenzial, die Privatsphäre der Nutzer massiv zu verletzten. So müssen Besitzer eines Android-Smartphones der App das Recht einräumen, Mikrofon und Kamera des Handys zu aktivieren. Außerdem darf der Facebook-Messenger auf den Speicher des Smartphones zugreifen und Telefonanrufe tätigen. Diese Fülle von Zugriffsrechten hat viele User alarmiert.
Facebook versucht, Kritiker zu besänftigen
Kamera-Zugriff ist für Handyfotos nötig
Facebook versucht nun gegenzusteuern. Die Auslagerung der App sei nötig gewesen, um das Programm besser weiter zu entwickeln. Außerdem arbeite die Messenger-App wesentlich schneller, als die Nachrichten-Funktion der normalen App. Auf einer extra eingerichteten Info-Seite erklärt der Internet-Gigant seinen besorgten Nutzern außerdem, warum die Zugriffe auf Kamera und Mikrofon des Smartphones angeblich nötig seien.
Auch interessant
So sei das Mikrofon nun einmal erforderlich, um über den Messenger Freunde anzurufen. Und ein Foto könne die App nicht ohne Zugriff auf die Handy-Kamera schießen. Auch Carola Elbrecht vom Bundesverband der Verbrauchzentralen zeigt Verständnis: "Eine große Mitschuld an der Debatte trägt auch Googles Android-Betriebssystem."
Nutzer werden Facebook wohl nicht den Rücken kehren
Denn dort müssen User einer App schon vor der Installation alle Berechtigungen einräumen, die irgendwann einmal nötig werden könnten. Besitzer eines iPhones hingegen dürfen die Zugriffsrechte nach und nach einräumen. Wer mit der Messenger-App nicht telefonieren möchte, kann dem Programm also auch dauerhaft den Zugriff auf das Mikrofon verbieten.
Auch interessant
"Wenn Sie die Berechtigung einmal einräumen, geben sie natürlich die Kontrolle ab. Denn ob Facebook das Mikrofon wirklich nur aktiviert, wenn Sie es wollen, können wir kaum nachprüfen", sagt Elbrecht. Allerdings gebe es für derartige Vermutungen keine Beweise. Die Wut vieler User dürfte sich bald wieder legen, vermutet Elbrecht, eine Massenabwanderung von Facebook erwartet sie deshalb nicht: "Facebook ist mittlerweile so präsent, dass viele Menschen den Draht zu ihren Freunden verlieren, wenn sie aussteigen."
Facebook fürchtet die Konkurrenz
Auch interessant
Das soziale Netzwerk hat allein in Deutschland mittlerweile über 27 Millionen Mitglieder, weltweit sind es schätzungsweise sogar mehr als 1,3 Milliarden. Diese Stärke will Facebook nun offenbar nutzen, um den boomenden Messenger-Markt zu erobern.
Denn viele Smartphone-Besitzer nutzen mittlerweile lieber WhatsApp oder SnapChat, um mit ihren Freunden zu chatten. Laut einer neuen Studie von GlobalWebIndex hat WhatsApp vor Kurzem den Facebook-Messenger als beliebteste Chat-App für Smartphones abgelöst.
Messenger an der Spitze der Download-Charts
Das dürfte wohl auch der Hauptgrund sein, warum Facebook den Konkurrenten im Februar für geschätzte 19 Milliarden Dollar übernommen hat. Trotzdem will Facebook seiner Unternehmenstochter das Messenger-Geschäft anscheinend nicht exklusiv überlassen. Die Zwangstumstellung dürfte der Versuch sein, Marktanteile zurückzugewinnen. Und das scheint zu funktionieren.
So tickt die Jugend
Denn trotz der zahlreichen Negativbewertungen steht der Messenger sowohl in Googles Play Store, als auch im AppStore auf Platz eins der Download-Charts. "Es ist natürlich eine unternehmerische Entscheidung, so etwas auszulagern. Das ist Facebooks gutes Recht", sagt Carola Elbrecht vom Bundesverband der Verbrauchzentralen. Wer diese Entscheidung nicht mittragen wolle, habe nur eine Wahl: einen alternativen Messenger nutzen.