Essen. 1982 gründeten 26 Länder die Groupe Spécial Mobile. Mit der Einrichtung der ersten Netze im GSM-Standard begann das Zeitalter des mobilen Telefonierens. Inzwischen beeinflussen Smartphones die Regeln des gesellschaftlichen Lebens.
Es hat es in den Flensburger Punktekatalog geschafft, ist jungen Menschen wichtiger als Sex und alarmiert inzwischen die Bundesarbeitsministerin: Vor 20 Jahren hat mit dem Start des GSM-Netzes der Siegeszug des Handys als Massenprodukt begonnen. Kaum eine andere Erfindung schaffte es in vergleichbarem Maß, zugleich das Freizeit- und das Arbeitsverhalten der Menschen so gravierend zu beeinflussen. Die ständige Erreichbarkeit ist für viele ein Segen, für manche allerdings ein Fluch. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) etwa kämpfen für zumindest zeitweilige Funkstille.
Der erste Schritt - der GSM-Standard
Der erste Schritt ins moderne Mobilfunkzeitalter erfolgte schon 1982, als sich Telekom-Unternehmen aus 26 Ländern auf einen Standard für ein neues Netz verständigten und die Groupe Spécial Mobile - kurz GSM - gründeten. Es dauerte noch zehn weitere Jahre, bis am 30. Juni 1992 der damalige Mannesmann-Konzern und einen Tag später die Deutsche Telekom die ersten Netze im GSM-Standard starteten - das D2-Netz und das D1-Netz waren geboren.
Für die Anbieter wurde GSM zu einem schnell lohnenden Geschäft. Mannesmann etwa kam mit Anfangsinvestitionen von einer Milliarde Mark (gut 511 Millionen Euro) aus und brachte es schon zwei Jahre nach dem Start mit seinem D2 privat in schwarze Zahlen. Dabei mussten die Kunden damals viel Geld fürs mobile Telefonieren ausgeben. Die ersten Handys, die wegen ihres Gewichts und ihrer Klobigkeit als Knochen galten, wurden für 2495 bis 3190 Mark (1275 bis 1631 Euro) an die Kunden verkauft. Die Minutenpreise lagen bei über 1,50 Mark (77 Cent) und damit mehr als zwölf Mal so hoch wie heute die günstigsten Anbieter mit ihren 6-Cent-Tarifen.
42 Stunden Tefonate und 700 SMS
Nachdem der deutsche Markt mit ein paar hunderttausend Kunden in den Anfangsjahren langsam in Bewegung kam, nahm er mit sinkenden Preisen und subventionierten Handys immer mehr Schwung auf. Ende 2011 waren 112 Millionen Handy-Verträge in Deutschland registriert und damit weit mehr als es Einwohner gibt. Im Schnitt telefonieren die Deutschen 42 Stunden im Jahr per Handy und schreiben 700 SMS.
Längst breiten sich Smartphones massenhaft aus, alleine in diesem Jahr sollen 18 Millionen verkauft werden und den Nutzern mehr Möglichkeiten etwa beim Internetsurfen bieten. Parallel wird die LTE-Technik als nächste Mobilfunkgeneration immer stärker ausgebaut, mit der können wie beim Surfen zu Hause Daten mit 100 Megabit pro Sekunde geladen werden.
Lieber kein Sex als ohne Handy
Die gesellschaftliche Bedeutung des mobilen Telefonierens zeigt eine im April veröffentlichte Forsa-Umfrage. Derzufolge wollten 60 Prozent der Jugendlichen lieber auf Sex als aufs Handy verzichten. Nur 39 Prozent der jungen Frauen und Mädchen konnten sich vorstellen, eine Woche lang ohne Handy auszukommen - bei den jungen Männern und Jungen war es nur noch eine knappe Mehrheit von 53 Prozent. Und fast alle Heranwachsenden können ohne Handy keinen Disco- oder Konzertbesuch mehr planen.
Während viele Eltern froh sind, ihre flügge werdenden Kinder mobil einigermaßen erfolgversprechend erreichen zu können, zeigte eine DGB-Studie eine Kehrseite der Mobiltelefonie. 60 Prozent der Arbeitnehmer müssen auch in ihrer Freizeit erreichbar sein, 33 Prozent sogar oft oder sehr oft - mit den entsprechenden Folgen. Wissenschaftlich wurde zwar kein direkter Zusammenhang hergestellt, aber seit 1994, also in etwa mit dem Start der Massen-Mobiltelefonie, stiegen die Fehlzeiten aufgrund psychischer Leiden um 80 Prozent.
Von der Leyen fordert von Arbeitgebern klare Regeln für die Erreichbarkeit und Ruhezeiten, der DGB fordert eine Anti-Stress-Verordnung. Nach 20 Jahren mobiler Telefonie, die mit metallenen Klingeltönen und nervenden Tastentönen anfing und inzwischen mit den aktuellsten Hits den nächsten Anruf ankündigt, scheint das Bedürfnis nach Ruhe allmählich wieder zu wachsen.
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