Berlin. Das Internet wird umgebaut: Damit die IP-Adressen nicht ausgehen, stellen Provider und Seitenbetreiber auf den neuen Internetstandard IPv6 um. Internetfähige Geräte haben dann einen festen Zahlencode - was Datenschützer auf die Barrikaden bringt.

Feste IP-Zahlencodes mit unzähligen Nullen: Für den Verbraucher völlig unbemerkt haben IT-Konzerne am Mittwoch hinter den Kulissen damit begonnen, das Internet umzubauen. Erste Provider, Seitenbetreiber und Hersteller von Internetgeräten schalteten zusätzlich zum bisherigen Standard für IP-Adressen IPv4, dessen Adressspektrum bereits zur Neige geht, das neue IPv6 auf. Statt vier Milliarden Zahlencodes, die Geräte bei ihrer Einwahl ins Netz brauchen, stehen nun 340 Sextillionen und so schier unendlich viele Adressen bereit - eine 340 mit 36 Nullen.

Als einer der ersten Konzerne hatte Google bereits in der Nacht zu Mittwoch IPv6 dauerhaft eingeschaltet. "So wie einem Telefonnetz die Rufnummern ausgehen, so geht dem Internet derzeit die IP-Adressen aus", erklärte Google-Manager Vint Cerf, der für die Zukunftsarbeit des Konzerns zuständig ist, in einem Eintrag des Google-Firmenblogs. Weil mit der Umstellung ein mehrjähriger Parallelbetrieb von altem und neuem IP-Standard einhergeht, notierte Cerf: "Heute starten wir das Internet des 21. Jahrhunderts: Sie sehen noch nichts."

Das Internet ist zu voll

Mit IPv6 soll jedes Gerät lebenslang über einen festen Zahlencode ansprechbar sein: Computer und Handys, aber auch Fernseher und Strom sparende Waschmaschinen, die mit dem Energieunternehmen des Nutzers kommunizieren und günstige Zeitfenster ermitteln. Mit diesem "Internet der Dinge" müssen künftig deutlich mehr Geräte ans Netz als bisher. Ins Netz kommen aber schon heute nur noch alle, weil nicht jedes Gerät ständig online ist. Das Internet ist zu voll.

Die neuen, deutlich längeren IP-Adressen setzen sich aus zwei Bestandteilen zusammen: Einer Kennung des Providers und der festen sogenannten MAC-Adresse des einwählenden Gerätes. Datenschützer sorgen sich daher um die Privatsphäre der Nutzer. "Die nach IPv6 vergebenen Internetadressen haben das Potenzial, zu Autokennzeichen für jeden Internetnutzer zu werden und zwar unabhängig davon, wie viele Geräte der Einzelne im Internet verwendet", mahnte etwa erst am Dienstag der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

"Das Risiko steigt"

Schaar forderte die Industrie dazu auf, mit dem neuen Standard die "notwendige Sorgfalt" an den Tag zu legen. Auch Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert warnte davor, dass mit dem neuen Internetstandard IPv6 leicht die Anonymität im Netz fallen könnte. "Das Risiko steigt", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Allerdings bringt IPv6 mit einer "Privacy Extensions" genannten Funktion von Hause aus auch einen Sicherheitsstandard mit: Neben der lebenslangen IP-Adresse, die für die gezielte Ansprache etwa im "intelligenten" Haus nötig sein kann, können Geräte auch mit täglich anonymisierten Zahlencodes, den dynamischen IP-Adressen, arbeiten.

(dapd)