Berlin. Das neue Internet-Adressen-System IPv6 lässt Datenschützer aufschreien: Die fest vergebenen Adressen seien ein großes Risiko.Sie warnen vor einer unbedarften Einführung von IPv6. Das neue System soll das Platzproblem im Internet lösen, indem der Adresse eine weitere Ziffer hinzugefügt wird.
Im Internet ist es eng geworden. Schon seit Februar sind alle IP-Adressen restlos aufgebraucht. Die aber sind nötig, damit Texte und Bilder im weltweiten Datennetz ihren Weg zum Empfänger finden. Dafür werden Computern und Handys, die am Internet hängen, Zahlencodes zugewiesen, ähnlich einer Postanschrift. Anfang dieses Jahres aber teilte die oberste Vergabestelle IANA mit: Die letzten Adressen des Internetprotokolls (IP) wurden verteilt.
Der Nutzer merkte von diesem Engpass bislang nichts, denn die IP-Adressen werden oft dynamisch vergeben. Jedes Mal, wenn sich vor allem Privatanwender ins Netz einwählen, weisen ihnen die Anbieter neue Adressen zu, die Minuten zuvor noch andere benutzt haben. Nur weil nicht alle zur gleichen Zeit online sind, kann so bislang der Mangel an IP-Adressen überbrückt werden. Allein Konzerne lassen sich oft Adressen dauerhaft zuweisen. Damit können sie besser arbeiten.
Bedarf an IP-Adressen wächst
Bisher läuft das Internet auf dem sogenannten vierten Standard des Internetprotokolls, kurz IPv4. Um den Engpass an Adressen zu lösen, führen Internet-Provider wie die Deutsche Telekom und Betreiber von Online-Portalen wie Google und Facebook derzeit einen neuen Standard ein, kurz IPv6. Dort sind die Zahlencodes um ein Vielfaches länger. Damit könnte die Industrie sogar allen Geräten individuelle Adressen verpassen. Anfang Juni haben viele Unternehmen bereits bei einem Probelauf die Alltagstauglichkeit des neuen Standards getestet - mit Erfolg, wie die Konzerne aus Deutschland und der Welt damals sagten.
Der Bedarf an IP-Adressen wächst unterdessen ungemein. Schon seit Jahren wählen sich nicht nur klassische Computer ins World Wide Web (WWW) ein, wie der beliebteste Teil des Internets heißt. Heute sind auch immer mehr Handys, sogenannte Smartphones, ständig mit dem Netz verbunden. Hinzu kommen Navigationsgeräte in Autos, die sich per Funk Wegbeschreibungen und aktuelle Verkehrsinfos herunterladen. Auch neue Fernseher hängen häufig am internationalen Datenstrom, damit Zuschauer ihre Lieblingssendungen "auf Abruf" sehen können.
Datenschützer warnen vor IPv6
Verbraucher- und Datenschützer warnen jedoch vor einer unbedarften Einführung von IPv6. Feste IP-Adressen könnten schließlich dafür sorgen, dass Nutzer etwa von Kriminellen leichter identifiziert werden oder Datensammler gar personalisierte Profile über die Internetaktivitäten anlegen. Datenschützer drängen die Industrie daher dazu, auch künftig zumindest einen Teil der IP-Adressen per Zufallsgenerator und damit "dynamisch" zu vergeben – auch wenn der künftige Standard IPv6 das eigentlich überflüssig machen sollte.
Internetnutzer müssen sich derweil nicht davor fürchten, bei der anstehenden Einführung des neuen Übertragungsstandards nicht mehr ins Web zu gelangen. Dafür wollen Anbieter wie die Telekom über viele Jahre einen Parallelbetrieb von IPv4 und IPv6 gleichermaßen aufrechterhalten. Später soll der alte Standard zudem im neuen simuliert werden, etwa für Radiogeräte, die ihre Signale über den auslaufenden Standard über das Netz empfangen. (dapd)