Zwischen 2010 und 2012 sind alle Internetadressen aufgebraucht, falls die Online-Dienstleister nicht auf ein neues Internetprotokoll umrüsten. Experten befürchten, dass der Mangel zu Versteigerungen von Adressen führen könnte

Essen. Als das Internet in den Kinderschuhen steckte und die wenigen Nutzer jedes Byte einzeln aus dem Modem saugen mussten – da schien es kaum denkbar, dass das virtuelle Netz einmal an seine Grenzen gelangen könnte. Gute 15 Jahre später wird es langsam aber sicher eng im WorldWideWeb. Zwischen 2010 und 2012, so warnen Experten, werden die Internetadressen ausgehen, wenn die Online-Dienstleister nicht auf ein neues Protokoll umsatteln.

Nur noch 15 Prozent aller Adressen frei

Dem weltweiten Datenverkehr zugunde liegt das nunmehr 30 Jahre alte Internetprotokoll „IPv4”, das 4,3 Milliarden IP-Adressen ermöglicht – bei einer Weltbevölkerung von 6,7 Milliarden Menschen. Nach jüngsten OECD-Berechnungen sind nur noch 15 Prozent aller IP-Adressen frei verfügbar. Seit knapp zehn Jahren gibt es die Version „IPv6”. Sie ermöglicht 340 Sextillionen Netzanschlüsse – eine Zahl mit 37 Nullen. Doch bislang habe der Druck gefehlt, die Protokolle umzustellen, sagt Professor Christoph Meinel, Leiter des Hasso-Plattner-Instituts an der Universität Potsdam. Weiter bestehe die Hemmschwelle bei Internet-Dienstleistern und Firmen, ein noch funktionierendes System anzutasten, ehe die Zeit richtig drückt.

„Für den Verbraucher fallen keine besonderen Kosten an”, sagt der Internet-Professor zur Protokoll-Änderung. Viele neue PC-Betriebssysteme seien schon IPv6-kompatibel. Die Internetdienstleister – dazu gehören Arcor, AOL oder Freenet – müssten ihre Systeme jedoch umstellen. „Hier lassen sich die Kosten schlecht beziffern”, sagt Meinel.

"Verhalten optimistisch"

Rund 90 der 250 Onlinedienstleister, die an den Internet-Austauschknoten DE-CIX in Frankfurt angeschlossen sind, nutzen inzwischen das neue Protokoll. „Wir sind verhalten optimistisch, dass die Provider nun tätig werden”, sagt Frank Orlowski von DE-CIX, der davon ausgeht, dass die Umstellung mehrere Jahre dauert.

In Punkto IPv6-Nutzung sind etwa die asiatischen Tigerstaaten Europa um Sprünge voraus. Der Grund: Dort begann das Internet erst zu boomen, als die meisten herkömmlichen Adress-Blöcke an Internetdienstleister in anderen Ländern vergeben waren. Daher seien sie gleich auf „IPv6” umgestiegen, so Meinel. Um hier nachzuziehen, hat die EU-Kommission in den vergangenen acht Jahren über 100 Millionen Euro in IPv6-Projekte gesteckt.

Versteigerung der letzten freien Adressen ?

Sollte die Umstellung nicht bald erfolgen, gehen nach Expertensicht die Adressen aus. Meinel befürchtet, dass es dann zu Versteigerungen der letzten Adressen käme und spricht von Mangelwirtschaft.