Washington. . Steve Jobs, jüngst verstorbener Mitbegründer des Apple-Konzerns, war eine facettenreiche Persönlichkeit. 704 Seiten der nun in Deutschland erscheinenden Biografie zoomen dem Leser das Leben des „iGod“ zum ersten Mal auf Naheinstellung heran.

Er konnte aufbrausend sein, pingelig, liebenswürdig, nachtragend, sanft, verspielt und hundsgemein. Und das alles an einem Tag. Er liebte Bob Dylan und Joan Baez. Er hat LSD-Trips geschmissen, Zen-Buddhismus studiert und in Indien eine Ur-Schrei-Lehre gemacht.

Er hielt Microsoft-Papst Bill Gates für einen einfaltslosen Langweiler und wollte Google aus Rache zerstören. Er hat seinen leiblichen Vater gemieden wie die Pest und seine Schwester verehrt. Steve Jobs, jüngst verstorbener Mitbegründer des Apple-Konzerns, war eine facettenreiche, komplizierte Persönlichkeit, die zu keiner Zeit so intuitiv zu bedienen war wie sein sich selbst erklärendes Technik-Spielzeug. 704 Seiten der am 31. Oktober in deutscher Sprache erscheinenden Biografie zoomen dem Leser das Leben des „iGod“ zum ersten Mal auf Naheinstellung heran.

Auch die dunklen Seiten des Steve Jobs werden ausgeleuchtet

Walter Isaacson, Autor und ehemaliger Top-Journalist bei „Time-Magazin“ und CNN, hatte es bei der Vorbereitung mit einer für Biografen ungewohnten Schwierigkeit zu tun. Die Hauptperson, obwohl bereits vom Tod gezeichnet, lebte noch. In der textlichen Verdichtung von 40 teils stundenlangen Interviews mit dem schwer krebskranken Jobs, der am 5. Oktober im Alter von 56 Jahren starb, und etlichen Zeitzeugen aus dem familiären und beruflichen Umfeld spürt man Isaacson die Wertschätzung für den vielleicht wichtigsten Ermöglicher neuzeitiger Alltagskommunikation durchweg an. Er baut ihm ein solides Denkmal auf Traufhöhe zu Erfinderlegenden wie Thomas Edison oder Henry Ford.

Aber er scheut sich auch nicht, ganz im Sinne von Jobs Frau Laurene Powell, die „nichts weiß gewaschen“ haben wollte, die dunklen und erratischen Seiten eines kapriziösen Genies auszuleuchten. Isaacsons Buch, am Montag mit einer Startauflage von 1,2 Millionen Exemplaren in den USA in den Handel gekommen, liest sich wie ein detailreicher, unaufgeregter Rechenschaftsbericht. Ein Buch, das Technik-Freaks begeistert, weil es minutiös den Entstehungsprozess sämtlicher Apple-Ableger mit teils noch nie gehörten Details nachzeichnet. Ein Buch auch für jene, die einfach nur wissen wollen, was für ein Mensch Jobs war, der sein Menschsein über viele Jahre akribisch vor der Öffentlichkeit verbarg.

Bis zuletzt rebellisch, großspurig und unbarmherzig

Steve Jobs wurde, im Gegensatz zu seiner Schwester Mona, von seinen leiblichen Eltern zur Adoption freigegeben. Die Gründe bleiben unbeschrieben. Sein Vater, Abdulfattah Jindali, ein eingebürgerter Syrer, einst Restaurantbesitzer im kalifornischen Silicon Valley, zuletzt Casino-Manager in Las Vegas, erfuhr erst 2005 von seinem berühmten Sohn. Jobs hatte eine persönliche Begegnung bis zuletzt abgelehnt. „Ich habe ein bisschen etwas über meinen Vater erfahren“, erzählte er seinem Biografen, „und das bisschen hat mir nicht gefallen.“ Was das bisschen war? Fragezeichen.

Das bis zuletzt Rebellische, Großspurige und Unbarmherzige in Jobs Auftreten, so legt Isaacson unterschwellig nahe, könnte in dieser Urerfahrung des Abgelehntwordenseins in frühester Kindheit seine Wurzeln haben. Umso mehr verwundert, dass Jobs seine erste Tochter aus einer ersten Beziehung, Lisa-Nicole Brennan, jahrelang wie Luft behandelte.

Wertschätzung für einfach, klare Linien

Jobs, so muss man nach den ersten Kapiteln bilanzieren, muss sich früh unterschätzt gefühlt haben. Das Streben, es allen zu zeigen, herauszuragen aus einer von ihm als schwer erträglich empfundenen Durchschnittlichkeit, hier könnte es begonnen haben. Ungewöhnliche Mittel kamen dabei zum Einsatz. Die bewusstseinserweiternde Droge LSD genommen zu haben, beschreibt Jobs als eine „der wichtigsten Erfahrungen seines Lebens“.

Seine Wertschätzung für einfach, klare Linien, für eine Produktsprache, die eher weglässt als hinzufügt (Isaacson spricht von „Poesie, die sich mit Ingenieurskunst verbindet“), gründet aber nicht auf psychedelischen Abenteuern. Die Idee für die Plastikhaut des ersten Computer-Modells sei ihm bei einem Bummel im Konsum-Tempel „Macys“ gekommen , schreibt Isaacson. Beim Betrachten einer Küchenmaschine.

Allgemeine Regeln fand Jobs irgendwie anstößig

Mit dem Erfolg, Jobs war bereits mit 25 Jahren Millionär, roch aber schlecht, weil er aus Prinzip damals nur einmal in der Woche duschte, kam die Hybris. Er weigerte sich, an seinem Mercedes Coupé ein Autokennzeichen zu installieren. Begründung: „Ich will nicht, dass mir jemand folgt.“ Regeln, die für alle galten, fand Jobs irgendwie anstößig. Für sich. Als Bill Clinton ihn auf dem Höhepunkt der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky um Rat fragte, sagt er am Telefon sinngemäß nur: „Auspacken!“

Video von Trauerfeier für Steve Jobs

Apple gewährt auch der breiteren Öffentlichkeit einen Einblick in die firmeninterne Trauerfeier für den am 5. Oktober gestorbenen Unternehmensmitgründer Steve Jobs. Einen öffentlichen Festakt für Jobs gab es nicht.

Auf der Trauerfeier am 19. Oktober, zu der auch Jobs Frau Laurene gekommen war, sprach neben Apple-Chef Tim Cook auch der frühere US-Vizepräsident Al Gore. Musikalische Beiträge gab es von Sängerin Norah Jones und der britischen Band Coldplay. (dapd)

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Der private Jobs war kein Vagabund. Drei nennenswerte Beziehungen, darunter eine Liebelei zur Protestsong-Duse Joan Baez, deren Version von Dylans „Love Is Just A Four-Letter-Word“ er bis zuletzt auf seinem iPod hatte – mehr war da nicht. Jobs hatte auch keine Zeit für mehr. Die zweite Hälfte seiner Lebenszeit steckte in Apple. Und Apple steckte in ihm. Apple war sein Kind. Es zu verteidigen, mit allen Mitteln, war für Jobs Ehrensache. Auch dann, als der Krebs ihn bereits aufzehrte.

Jobs: „Ich werde Android vernichten“

Weil er sich von Google missbraucht und patentrechtlich beklaut fühlte, drohte er noch kurz vor seinem Tod mit Vergeltungsmaßnahmen, deren Heftigkeit überrascht.

“Wenn es sein muss, werde ich meinen letzten Atemzug dafür verwenden, und jeden Penny von Apples 40 Milliarden Dollar bei der Bank, um dieses Unrecht zu korrigieren. Ich werde Android vernichten, weil es ein gestohlenes Produkt ist.”

Auch von Microsoft und seinem Gründer Bill Gates hatte Jobs keine sehr hohe Meinung. “Er hat schamlos die Ideen anderer Leute kopiert”, heißt es bei Isaacson. Zusatz: Bill wäre vielleicht “schlauer” geworden, wenn er auch mal LSD probiert hätte.

Apple sollte Moden und Hypes überdauern

Bei allem missionarischen Streben nach der Schrittmacher-Rolle im Berufsleben ging es Jobs nicht in erster Linie ums Geld. “Meine Leidenschaft war es, großartige Produkte herzustellen”, sagte er selbst. Umsatzzahlen im Blick behalten zu müssen, fand Jobs unerfreulich. Er wollte Apple zu einem Markenzeichen des Computerzeitalters machen, das Moden und Hypes überdauert. Er sah sich in einer Reihe mit Größen wie Walt Disney. Dazu überschritt er Grenzen, fordert sich und seinen engsten Mitarbeitern 150 Prozent ab, wenn 100 schon zu viel waren. Sein Biograf beschreibt ihn als “getrieben von Dämonen”. Steve Jobs Leben? “Lehre und Warnung” zugleich...