Köln/München. Eine Münchener Anwaltskanzlei verschickt Tausende Abmahnungen wegen angeblichen Filesharings. Wir geben Tipps, wie Betroffene sich wehren können.

Plötzlich liegt da eine Abmahnung im Briefkasten mit einer Forderung von über 900 Euro. Der Vorwurf: "illegales Tauschbörsenangebot über Ihren Internetanschluss". Derzeit schwappt eine Abmahnwelle durch Deutschland. Hinter den Schreiben steht die Münchner Kanzlei Waldorf Frommer, die sich auf Urheberrechtsverletzungen mittels Filesharing-Software spezialisiert hat. "Das ist per se kein unseriöses Geschäft, allerdings werden teilweise die Falschen abgemahnt", warnt Rechtsanwalt Christian Solmecke aus Köln.

Was ist Filesharing überhaupt?

Übersetzt bedeutet "Filesharing" so viel wie "Datenaustausch". Dabei geben Internet-Benutzer Dateien an andere Benutzer über ein sogenanntes Peer-to-Peer-Netzwerk (P2P-Netzwerk) weiter. Üblicherweise befinden sich diese Dateien auf den Computern der jeweiligen Teilnehmer, von wo sie an interessierte Nutzer verteilt werden. Um auf diese Filesharing-Netzwerke zugreifen zu können, benötigt der User spezielle Computerprogramme oder Browser.

Problematisch und strafbar wird es dann, wenn der Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte herunterlädt und anderen Usern zur Verfügung stellt, also etwa Musik, Filme und Software. Das Strafausmaß für Filesharing ist abhängig davon, ob das Kopieren zu privaten oder kommerziellen Zwecken erfolgt ist. Das Spektrum erstreckt sich dabei von Geldstrafen bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Welche Kanzlei steckt hinter den Abmahnungen, die zurzeit kursieren?

Die Münchner Kanzlei Waldorf Frommer hat sich auf den Bereich Urheber- und Medienrecht sowie Kennzeichen- und Persönlichkeitsrecht spezialisiert. Auf der Website wirbt das Büro „für ein neues Bewusstsein im Urheberrecht“, sieht sich in der Aufgabe „geistiges Eigentum zu schützen“. Zu ihren Kunden gehören zahlreiche namhafte Firmen aus dem In- und Ausland, wie z.B. Emi Music Germany, Warner Bros. Entertainment, Sony Entertainment Germany und Twentieth Century Fox Home Entertainment. "Waldorf Frommer gilt als älteste Kanzlei der Abmahnindustrie", sagt Jurist Christian Solmecke, der sich auf Internet- und Medienrecht spezialisiert hat.

Wie geht Waldorf Frommer vor?

Pro Jahr werden ungefähr 100.000 Abmahnungen an Privatpersonen verschickt, davon kommt Waldorf Frommer geschätzt auf 60.000 bis 70.000 Schreiben. Der Aufbau ist immer identisch, die Beschuldigung der Urheberrechtsverletzung durch Filesharing stets die gleiche. Waldorf Frommer scheut sich auch nicht, Klage einzureichen, drei bis vier Prozent ihrer Fälle landen vor Gericht.

Wofür erhalte ich eine Abmahnung?

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User, die lediglich einen Streaming-Dienst benutzt haben, müssen sich nicht vor einer Abmahnung fürchten. Streaming-Anbieter gelten als relativ sicher, wenn sie keine Kopien auf der eigenen Festplatte erstellen und diese online nicht verbreiten. Seit Anfang des Jahres nimmt Solmecke allerdings eine erneute Abmahnflut wahr. Dafür macht er in erster Linie die Software „Popcorn Time“ verantwortlich, die verstärkt seit Mitte letzten Jahres aktiv ist. "Das Portal sieht wie ein gewöhnliches Streaming-Portal aus. Was die meisten aber nicht wissen: Dahinter versteckt sich eine Tauschbörse, das Streaming ist von vornherein illegal. Besonders unter Jugendlichen ist diese Software populär."

Wie kann es sein, dass mir Filesharing vorgeworfen wird, obwohl ich nichts getan habe?

Wer ein Abmahnschreiben erhält, sollte zunächst prüfen, ob eventuell noch andere Zugriff auf das eigene Netzwerk hatten – manchmal ist das Wlan nämlich nicht durch ein Passwort geschützt. "Außerdem sollte ich kontrollieren, ob die angegebene IP-Adresse in der Abmahnung tatsächlich meine ist. Denn nicht selten wird aus einer '1' schon mal eine '7'", rät Solmecke.

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Wie sieht so eine Abmahnung aus?

Das Schreiben besteht aus sechs Seiten. Auf der ersten Seite findet sich der Verstoß („illegales Tauschbörsenangebot über Ihren Internetanschluss“), der vertretende Mandant, sowie Datum und Uhrzeit des Vergehens. Dabei wird Ihre IP-Adresse mit der getauschten Musik- oder Filmdatei in Verbindung gebracht.

Auf den Seiten zwei und drei wird darauf hingewiesen, dass ein Auskunftsverfahren im Namen des jeweiligen Mandanten gegen Ihren Internetprovider durchgeführt wurde, ein Beschluss des Landgerichts ist der Abmahnung beigefügt.

Die Seiten vier und fünf erklären, dass Sie als Anschlussinhaber persönlich für sämtliche Verstöße gegen das Urheberrecht haften.

Ab Seite sechs folgt die Aufschlüsselung der Ansprüche, die gegen Sie bestehen. Insgesamt fordert Waldorf Frommer häufig eine Summe von 956 Euro: 450 Euro für die Ermittlung der Urheberrechtsverletzung und eine Gebühr von 506 Euro für die Rechtsverfolgungskosten.

Was soll ich jetzt tun?

Das Schreiben sollte auf keinen Fall einfach ignorieren werden. "Wenn Sie tatenlos bleiben, kann es im schlimmsten Fall passieren, dass Waldorf Frommer vor Gericht eine einstweilige Verfügung erwirkt. Das kann die eigentlichen Kosten der Abmahnung weiter in die Höhe treiben", warnt Jurist Solmecke.

Wenn nicht Sie selbst gegen das Urheberrecht verstoßen haben, sondern eine andere Person, die Ihren Internetanschluss genutzt hat, sollten sie eine „Störerhaftung“ in Betracht ziehen. Damit haften Sie nicht in vollem Umfang, sondern müssen nur – wenn überhaupt – für Anwalts- und Ermittlungskosten aufkommen.

Solmecke warnt außerdem davor, die dem Abmahnschreiben beigefügte Unterlassungserklärung leichtfertig zu unterschrieben. "Die Erklärung ist für Sie unvorteilhaft formuliert, eine Unterschrift käme einem Schuldanerkenntnis gleich." Im Internet findet man zahlreiche Muster für derartige Unterlassungserklärungen – davon gibt es richtige, aber auch falsche, womit es noch teurer werden kann. Um wirklich sicher zu gehen, so der Rat des Anwalts, sollten sich Betroffene an einen Anwalt wenden, der eine abgewandelte Unterlassungserklärung aufsetzt.

Was kostet so ein Rechtsbeistand?

Die meisten Rechtsschutzversicherungen greifen in Fällen von Urheberrechtsverletzungen nicht. Das heißt: Sie müssen erstmal für die Anwaltskosten aufkommen. Am besten vereinbart man mit dem Anwalt einen Pauschalpreis, dieser kann laut Christian Solmecke zwischen 300 und 600 Euro liegen. Damit werden auch Einsprüche gegen künftige Abmahnungen gedeckt, denn "nicht selten verschickt Waldorf Frommer Abmahnungen für zwei oder drei Fälle zu unterschiedlichen Zeiten", so Solmecke. Eine Erstberatung beim Anwalt sei hingegen kostenlos.