Berlin. Bei der Entstehung von Darmkrebs spielt der Lebensstil eine große Rolle. Erste Anzeichen für die Krankheit können Bauchschmerzen sein.

Krebs entsteht immer dann, wenn sich im Laufe des Lebens zufällige Fehler im Erbgut einer Zelle anhäufen und diese Zelle vom Körper nicht vernichtet wird, sondern beginnt, sich unkontrolliert zu vermehren.

Bei etwa 40 Prozent aller Neuerkrankungen wird dieser Vorgang durch beeinflussbare Faktoren mit verursacht. Zu ihnen gehören unter anderem eine ungesunde Ernährung, Übergewicht, regelmäßiger Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Tabakkonsum. So ist es auch beim Darmkrebs und seinen häufigsten Formen, dem Dick- und Enddarmkrebs, dem sogenannten kolorektalen Karzinom.

Darmkrebs gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen

Im Jahr 2018 sind laut Schätzung der deutschen epidemiologischen Krebsregister und des Zentrums für Krebsregisterdaten im Robert-Koch-Institut (RKI) rund 33.000 Männer und 26.000 Frauen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt.

Nach Informationen des Krebsinformationsdienstes ist Darmkrebs damit derzeit bei Männern die dritthäufigste und bei Frauen die zweithäufigste Tumorerkrankung hierzulande. Deutschland liege bei den Neuerkrankungsraten im internationalen Vergleich mit an der Spitze, heißt es. Fachleute machen dafür unter anderem die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten verantwortlich. Jährlich sterben mehr als 25.000 Patienten an der Krankheit.

Bewegungsmangel, der übermäßige Verzehr von rotem oder verarbeitetem Fleisch, ungesundes Essen, übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen – all diese Faktoren erhöhten das Risiko, Darmkrebs zu bekommen merklich. Das stehe außer Frage, meint auch Niels Halama, Darmkrebs-Spezialist und Immunologe am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg.

Auf einmal sehr viel jüngere Patienten mit einem Darmtumor

Darm-Krebszellen: Die Entstehung von Darmkrebs wird von Faktoren wie einer ungesunden Ernährung und wenig Bewegung beeinflusst.
Darm-Krebszellen: Die Entstehung von Darmkrebs wird von Faktoren wie einer ungesunden Ernährung und wenig Bewegung beeinflusst. © ASSOCIATED PRESS | STEVE GSCHMEISSNER/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Zudem steige das Risiko mit steigendem Lebensalter. Auch das zeige die Statistik eindeutig. „Was wir gerade aktuell nur leider sehen ist, dass wir überraschenderweise auf einmal sehr viel jüngere Patienten mit einem Darmtumor haben“, so Halama.

„Und die passen meist auch nicht ins Risikoprofil: Das sind meist schlanke Menschen, die nicht rauchen, nicht trinken und sich auch noch regelmäßig bewegen.“ Theorien gibt es wie immer viele, was hinter diesem Phänomen stecken könnte, jedoch bislang wenig Haltbares. „Es ist natürlich so, dass wir in der jungen Generation, die jetzt mit Darmkrebs auftaucht, natürlich andere Lebensgewohnheiten haben, gerade was die Ernährung angeht“, erklärt Halama.

Gerade der Einsatz von Chemikalien und Zusatzstoffen sei ist massiv angestiegen. „Das sind aber natürlich reine Spekulation. Ob da wirklich ein Zusammenhang besteht, ist noch zu klären.“ Stress als Ursache sei dagegen bereits auszuschließen.

Vorsorge: Wahl zwischen Stuhltest und Darmspiegelung

Nun aber bereits jüngere Menschen zur Darmkrebs-Vorsorge zur raten, das hält Halama zu verfrüht. „Da würde man sehr viele unnützerweise endoskopieren“, so der Onkologe. Eine Vorsorgeuntersuchung zu nutzen, so wie in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und weiteren Fachgesellschaften empfohlen, hält Halama für wichtig und sinnvoll.

Die wichtigste Untersuchung ist hier die Darmspiegelung, auch Koloskopie genannt. Aber auch ein Stuhltest auf nicht sichtbares Blut gehört zum gesetzlichen Früherkennungsprogramm in Deutschland. Seit wenigen Monaten können Männer schon ab dem Alter von 50 Jahren zwischen einem jährlichen Stuhlbluttest und Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren wählen. Frauen haben erst ab dem Alter von 55 Jahren Anspruch auf die Darmspiegelung. Ab dann werden die Kosten dafür von den Krankenkassen übernommen.

„Vielen ist die Darmspiegelung peinlich“

Laut Schätzung von Experten nutzen aktuell aber lediglich fünf bis sechs Prozent der Berechtigten dieses Angebot. „Und das, obwohl die Koloskopie wirklich der Goldstandard ist“, erklärt Halama, „und mit ihr schon Frühformen erkannt werden können.“ Werden diese rechtzeitig gefunden und könnten entfernt werden, bliebe den Patienten viel Leid erspart.

Das Problem sei laut Halama, das die Untersuchung vielen aus ihm unerklärlichen Gründen peinlich sei oder sie schlicht Angst davor hätten, das hätten Untersuchungen gezeigt. „Dabei ist das Risiko als gesunder Mensch, wenn man zwei Stunden auf der Autobahn fährt, höher, dass man da in einen schweren Unfall gerät, als das Risiko für eine schwere Komplikation durch eine Koloskopie“, beruhigt Halama.

Dieses liege weit unter einem Prozent. Außerdem bekomme man von der Prozedur ohnehin nichts mit, da der Eingriff normalerweise unter Narkose erfolge. „Klar kann es danach mal zu Druckgefühlen im Bauch oder leichten Schmerzen im Bereich der Darms kommen, weil dieser ein bisschen gedehnt wird“, räumt der Darmkrebs-Spezialist ein. „Das ist aber keine wirklich relevante Komplikation.“

Erste Anzeichen: veränderte Stuhlgewohnheiten, Bauchschmerzen

Auch wenn die Früherkennungsuntersuchungen heute eine hohe Qualität haben und zuverlässiger sind als die Früherkennungsmethoden vieler anderer Krebsarten, eine hundertprozentige Sicherheit bieten sie laut Krebsinformationsdienst nicht. „Im Augenblick gehen wir davon aus, dass der Entstehungszeitraum, bis ein Tumor wirklich im Darm sichtbar wird, im Bereich zwischen drei, fünf und zehn Jahren liegt“, erklärt Halama. Es könne also durchaus passieren, dass sich im Zeitraum zwischen den Untersuchungen ein Tumor entwickle.

Als ersten Anzeichen eines Tumors im Dickdarm gelten veränderte Stuhlgewohnheiten, Bauchschmerzen oder Blut im Stuhl. Diese Symptome können aber auch auf andere Darmerkrankungen hinweisen und viele davon sind vergleichsweise harmlos. „Das ist das Dilemma“, so Halama.

Gewichtsverlust von zehn Prozent in wenigen Monaten

„Aus der klinischen Erfahrung kann ich aber sagen, dass eines der wichtigsten Symptome, das einen wirklich dazu bewegen sollte, sich direkt und umgehend auf ein kolorektales Karzinom hin untersuchen zu lassen, ist der unerklärte Gewichtsverlust von etwa zehn Prozent in wenigen Monaten ohne eine Veränderung der Essgewohnheiten.“ Auch wenn sich der Stuhl plötzlich und ohne erkennbaren Grund verändere und dies zwei oder mehr Wochen anhalte, sei dies ein Grund zur Sorge.

Im Fall der Fälle stehen Darmkrebspatienten verschiedene Behandlungsverfahren zur Verfügung: Eine wichtige Rolle spielen neben der Operation auch die Chemotherapie und die Bestrahlung. Welche Therapie für den Einzelnen geeignet seien, hängt laut Krebsinformationsdienst von verschiedenen Faktoren ab: zum Beispiel vom Krankheitsstadium und vom Allgemeinzustand des Betroffenen, aber auch von seinen Wünschen und Vorstellungen.

Heilungschancen in den letzten Jahren deutlich gestiegen

„Insgesamt muss man sagen, dass die Heilungschancen bei Darmkrebs in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind“, beruhigt Onkologe Halama. Das liege insbesondere an der besseren Verzahnung mit den Kollegen der Chirurgie und der Strahlentherapie. Außerdem stünden heute neue Medikamente zur Verfügung, mit denen man aggressiver therapieren könne.

„Wenn der Krebs noch keine Metastasen gebildet hat, also noch keine anderen Organe betroffen sind, liegen die Erfolgsraten im Bereich von 70 bis 80 Prozent Heilungschance“, so Halama. „Und selbst bei Patienten wo der Tumor wiederkommt, kann dieser oftmals mit einer erneuten Operation dann auch ein für alle Mal entfernt werden.“

Hervorragende Ergebnisse mit der Immuntherapie

Zudem gebe es eine Variante von Darmkrebs, die durch das Immunsystem erkannt werden könne, ergänzt der Darmkrebs-Spezialist, sogenannte mikrosatelliten-instabilen Tumoren. „Sie haben eine noch deutlich bessere Prognose“, so Halama. „Selbst wenn sie durch eine Operation nicht komplett entfernt werden können, sind sie das Paradebeispiel der Immuntherapie, mit der dann wirklich hervorragende Ergebnisse erzielen können.“

Diese Sonderform des Darmkrebs sei aber relativ selten. „Insgesamt hat sich also schon einiges getan, sicherlich gibt es im Bereich der Forschung mit Blick auf Darmkrebs aber noch erheblichen Bedarf, die Situation für Patienten zu verbessern“, meint der Onkologe. „Das kann man glaube ich ganz nüchtern so sagen.“