Hamburg/Berlin. Es klingt so verlockend: Verträge, Rechnungen, Mahnungen, Unterlagen – der ganze Papierkram wandert vom Schreibtisch in die Cloud und wird dort sortiert und verwaltet. Schöne neue Welt oder ein Alptraum?
Alles sofort finden, nie wieder eine Frist verpassen, und vor allem Schluss mit dem Papierchaos: Das versprechen Anbieter von Dokumentenmanagementsystemen (DMS) in der Cloud. Sie lassen ihre Kunden alle ihre Dateien hochladen und sich auch deren E-Mails weiterleiten. Die werden von Spezialsoftware analysiert, konvertiert und in ein Ordnerschema sortiert, angehängte Dokumente wie Textdateien, Tabellen, Rechnungen oder Verträge ebenso. Per App können Dokumente teils mit Hilfe der Handykamera erfasst werden. An Fristen oder Termine wird per Mail erinnert.
Doch damit nicht genug: DMS-Dienste wie Doctape, Doo, Fileee oder Gini locken auch mit der Möglichkeit, die digitalisierten Unterlagen jederzeit und überall parat zu haben oder auch zu teilen, einfach per Browser oder App. Und Volltextsuche beendet die nervige Sucherei.
"Anbieter wissen über meine Termine Bescheid"
Das alles klingt traumhaft, birgt aber Risiken. Die wichtigste Frage sei, welche sensiblen Daten Nutzer von sich in der Cloud preisgeben wollen, sagt Sissi Closs, Professorin für Informations- und Medientechnik an der Hochschule Karlsruhe. «Die Transparenz ist bei cloudbasierten DMS sehr hoch. Die Anbieter wissen über meine Termine Bescheid und was ich sonst so mache.»
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Einige Dienste bieten sogar einen Briefpost-Service an. Bei Dropscan etwa kann sich der Kunde eine Briefadresse einrichten, an die seine Post geht. Der Dienst scannt den Umschlag und schickt dem Nutzer eine E-Mail. Der entscheidet dann, ob der Brief geöffnet und gescannt, vernichtet oder an ihn weiterversandt werden soll. Gini bietet mit dem E-Post-Scanservice der Post einen ähnlichen Dienst.
Rechnungen und Verträge trotzdem abheften
Den zentralen Vorteil der Dienste sieht Prof. Closs darin, dass Daten, die vorher über verschiedene Medien und Systeme und an verschiedenen Orten verstreut waren, zentral gebündelt und verfügbar gemacht werden. Allerdings müssten Anwender auf den Datenschutz und die Zuverlässigkeit des Dienstes achten, sagt Closs.
«Der Nutzer muss nicht immer den Ordner aus dem Schrank hervorkramen», sieht auch Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale Bundesverband Vorteile. Gleichzeitig weist er aber auf die Gefahr hin, dass Daten verloren gehen oder gelöscht werden könnten. Er empfiehlt daher zum einen ein Backup der Daten. Und: «Der Nutzer sollte Rechnungen und Verträge trotzdem abheften», rät er.
Gefahr einer Kontrolle durch Geheimdienste
Die DMS-Dienste sind meist in einer Basisversion mit begrenztem Speicherplatz kostenlos. Die Premiumversionen mit mehr Speicherkapazität und/oder größerem Funktionsumfang kosten Geld. Bei werbefinanzierten Diensten rät der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar dagegen grundsätzlich zur Vorsicht. «Anbieter, die mit kostenlosen Diensten locken, sind auf andere Einnahmequellen angewiesen.» Dabei würden häufig die Inhalte ausgewertet, um personalisiert werben zu können. «Nicht immer wird dies dem Nutzer vorab in der erforderlichen Deutlichkeit mitgeteilt.»
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«Wie alle Clouddienste weisen auch cloudbasierte DMS spezifische Risiken für den Datenschutz auf», warnt Caspar. Neben der Speicherung der Daten außerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs durch Dritte sei dies vor allem der Datentransport per Internet. Dort bestehe auch immer die Gefahr einer Kontrolle durch Geheimdienste. «Insoweit sollte zumindest sichergestellt sein, dass eine Verschlüsselung der gespeicherten Daten und eine verschlüsselte Übertragung erfolgt.»
Das empfiehlt auch Glatzner: «Der Nutzer sollte einen genauen Blick in die Geschäftsbedingungen werfen und auf die Verschlüsselung seiner Daten und auch auf eine verschlüsselte Übermittlung achten», sagt er. Zudem sollte er sich vergewissern, dass die Server des DMS-Anbieters in Europa stehen und sich dieser somit an die europäischen Datenschutzrichtlinien halten muss.
Prof. Closs selbst würde zumindest sensible Daten derzeit nicht auf Internetserver auslagern: «Noch ist mir die Lagerung meiner persönlichen Daten in der Cloud zu unsicher», sagt sie. Auch Verbraucherschützer Glatzner empfiehlt, sensible Dokumente nicht in der Cloud zu lagern. Für den Nutzer bleibe es beim Dilemma, zwischen Komfort und Sicherheit abwägen zu müssen. (dpa)