Berlin. Kinder sollen die Beziehung oft komplettieren. Doch was tun, wenn plötzlich Gefühle wie Wut, Ärger und Eifersucht aufkommen?
Ein gemeinsamer Filmabend auf dem Sofa, spontanes Essengehen oder bis spät in die Nacht am PC sitzen und zocken – so sahen die Abende von Marco Gänzle aus, bevor er vor zweieinhalb Jahren Vater wurde. Dann, mit der Geburt seines ersten Sohnes, änderte sich für ihn und seine Frau Mona alles.
Malen sich werdende Eltern vorher das Familienleben in den tollsten Farben aus, ist der neue Lebensabschnitt auch geprägt von Übermüdung, Überforderung und Hormonschwankungen. Wenn ein Neugeborenes in eine Paarbeziehung kommt, dann zählen zunächst einmal nur noch dessen Bedürfnisse. Diese Realität trifft viele frischgebackene Eltern hart und kann langfristig Folgen für die Partnerschaft haben – immerhin haben laut Statistischem Bundesamt die Paare bei rund der Hälfte aller Scheidungen minderjährige Kinder.
Kinder als Beziehungskiller? Babys belasten eine Beziehung unweigerlich
Auch Marco merkt sehr schnell, dass er bei Mona nicht mehr an erster Stelle steht. „Es war eine krasse Umstellung, zu merken, dass das Leben nicht mehr so ist wie vorher“, erinnert sich der heute mittlerweile zweifache Vater. „Teilweise hat es mich schon geärgert, dass ich nicht mehr spontan Dinge tun konnte.“
Mit jedem Kind, das in eine Paarbeziehung kommt, rumple es, erklärt der Paar-und Familienberater Sven Liefold. „Es kann helfen, sich darauf einzustellen, dass man übersehen wird und nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit bekommt”, sagt er. Denn: Elternschaft sei eine riesige Veränderung und eine Herausforderung für eine Partnerschaft.
Bereits während der Schwangerschaft fühlen sich viele Väter ein Stück weit ausgeschlossen – so auch Marco, der Mona beispielsweise wegen der damals grassierenden Corona-Pandemie nicht zu den frauenärztlichen Untersuchungen begleiten konnte. Und wenn das Baby dann auf der Welt ist, kann die enge Bindung zwischen Mutter und Kind schnell zu Neid und Eifersucht beim Partner führen.
Aufgabenverteilung in Familien: Wenn Fürsorge- und Hausarbeit nicht gesehen werden
Auch Marco war nicht klar, wie viel Nähe Neugeborene fordern. „Ich habe nicht verstanden, dass meine Frau overtouched ist, weil das Kind den ganzen Tag auf ihr ist“, sagt er. Er war von viel mehr Selbstständigkeit des Säuglings ausgegangen, dachte er beschäftige sich die meiste Zeit mit sich selbst.
In anderen Bereichen fehlte Marco damals ebenfalls Verständnis. Zwar hatte er während des Wochenbetts ein paar Wochen Urlaub – doch er startete recht schnell wieder mit seiner Lohnarbeit im Schichtbetrieb, Mona übernahm zu Hause die Fürsorgearbeit für das Kind. „Typisch männlich habe ich nicht gesehen, was daheim so passiert, wenn ich arbeite – und, dass das irgendwann zu viel für meine Frau sein kann“, sagt er.
„Ich war sehr egoistisch“, sagt er rückblickend. „Ich habe nicht verstanden, warum sie den Haushalt nicht immer geschafft hat und abends kaputt war. Ich dachte, ich gehe arbeiten und sie ist doch nur daheim.“ Marco und Mona diskutierten und stritten in dieser Zeit viel miteinander. Inzwischen sagt der zweifache Vater über die erste Babyzeit: „Ich war sehr ich-zentriert.“
Statt des Partners stehen Bedürfnisse des Kindes im Vordergrund
Marco und Mona sind kein Einzelfall. Zahlreiche Studien belegen übereinstimmend, dass nach der Geburt des ersten Kindes die Qualität der Paarbeziehung zunächst deutlich nachlässt. Der Vater sollte sich damit abfinden, dass es ganz normal sei, dass im ersten Babyjahr die Bedürfnisse des Kindes die allerwichtigsten sind, sagt Sven Liefold. „Es ist völlig in Ordnung, wenn die Beziehung erst einmal hinten ansteht“, erklärt er. „Im ersten Jahr ist das in der Regel überhaupt kein Grund zur Sorge.“
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Der Beziehung von Marco und Mona half es, dass er sehr viel zum Thema las und letztlich auch zwei Monate Elternzeit nahm. „Da habe ich verstanden, was alles passiert, wenn ich nicht da bin”, sagt Marco. Denn neben der Fürsorgearbeit steigt mit der Geburt des ersten Kindes auch die wöchentliche Belastung durch Hausarbeit. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung sind es bei Männern dreieinhalb Stunden, bei Frauen sogar achteinhalb Stunden mehr als ohne Kind. Wenn Väter in Elternzeit gehen, kann das zum Verständnis beitragen und Ärger, Wut und Eifersucht minimieren.
Doch es gibt auch Lösungen für Väter in Vollzeitbeschäftigung: Mehr verbindliche Exklusiv-Zeit zwischen Vater und Kind, beispielsweise auch an festen Terminen am Wochenende, erhöht laut Liefold die Wahrscheinlichkeit, dass die Eifersucht weniger wird. „Es wird auf jeden Fall die Beziehung zum Kind stärken und für Nähe sorgen“, sagt er. „Die Frau muss so weniger Zeit und Energie für das Kind aufwenden und somit werden bei ihr vielleicht Ressourcen für Zweisamkeit frei.”
Veränderungen in der Paarbeziehung durch Kind groß
Doch der Paarberater stellt auch klar: „Die Zeit, die vorher war, ist definitiv vorbei. Man sollte schauen, wie man wieder nach und nach seine Räume findet, aber auch akzeptieren, dass nicht immer Platz dafür da sein wird.“ Gegen die negativen Gedanken und Gefühle helfe auch, „wenn beide das Gefühl haben, ein Team zu sein und die Kindsfürsorge und alles, was dazu gehört, als gemeinsame Aufgabe zu sehen“, sagt Liefold. Um die Aufgaben besser zu verteilen, empfiehlt er einen verbindlichen Verantwortungsplan.
Auch beim Thema Sexualität, das oft eng mit Eifersucht verwoben ist, rät er zu einem fest eingeplanten monatlichen Termin – vorausgesetzt beide Partner sind wieder für Intimität bereit. Neben Raum und Lust für Sexualität fehlt es frischgebackenen Eltern oft auch an Zeit für Gespräche. Dabei reichen für die Beziehungspflege schon regelmäßig wenige Minuten, in denen es erst einmal nicht um Lösungen gehe, sondern nur ums Befinden, so Liefold.
Neben einer faireren Aufteilung von Care- und Fürsorgearbeit nehmen Marco und Mona sich inzwischen täglich diese kleinen Oasen, wie sie es nennen, und sprechen über ihre Gedanken und Gefühle – zum Beispiel, wenn die inzwischen zweieinhalb und eineinhalbjährigen Kinder Mittagsschlaf machen. „Das ist sehr viel wert“, sagt Marco.
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