Berlin. Frust im Bett? Wer besseren Sex haben will, kann einiges dafür tun, sagt Paartherapeutin Katrin Hinrichs. Zum Beispiel Pornos gucken.
- In einer Langzeitbeziehung kann die Leidenschaft abnehmen
- Dagegen können Partner allerdings etwas tun
- Was eine Sex-Expertin rät
Kein Orgasmus, keine Streicheleinheiten? Vielleicht sogar gar keinen Sex mehr? Vor allem Paare, die schon länger zusammen sind, nehmen die Flaute viel zu schnell als gegeben an, sagt Paartherapeutin Katrin Hinrichs. Zu ihrem Sex-Podcast mit Autor Hajo Schumacher gibt es jetzt das Buch „Ich frage für einen Freund. . . Das Sex-ABC für Spaß in den besten Jahren“ (Klartext-Verlag, 19,95 Euro). Die zentrale Botschaft: Sex kommt nicht von alleine. Man muss etwas tun. Zum Beispiel Pornos gucken.
„Sex in den besten Jahren“ – das klingt nach Spaß und wenig Konflikten. Aber das Buch räumt mit dieser Vorstellung auf. Vielfach ist die Rede sogar davon, dass nicht mehr allzu viel läuft. Was ist los mit den Leuten in den besten Jahren?
Katrin Hinrichs: Bevor ich jetzt ins Detail gehe – einmal vorne weg: Sex sollte nicht als Problem betrachtet werden. Ich verstehe Sex als Prozess lebenslangen Lernens, unser ganzes Leben lang verändert sich unsere Sexualität. Wichtig ist, dass Partner dabei ihr Miteinander gemeinsam entwickeln. Das funktioniert aber nur, wenn man sich untereinander verständigt. Wie auch immer. Denn: Ja! Fehlende oder schlechte Kommunikation kann zum Problem für die Sexualität in einer Partnerschaft werden. Unter anderem darum geht es in unserem Buch.
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Also, wenn es nicht mehr richtig prickelt, einfach mal sagen: „Du, wir müssen reden.“ Das ist doch oft das komplette Aus.
Hinrichs: Stimmt. Nein, es geht sicher nicht um das Zerreden. Versachlichung ist in vielen Partnerschaften das Ende von Romantik. Kommunikation ist aber viel mehr als Reden. Ein Mittel der Verständigung kann Körpersprache sein. Wir können uns gegenseitig zeigen, was uns Genuss verschafft. Dazu gehört Mut, sich dem anderen unvoreingenommen anzuvertrauen. Wissen Sie – das steckt ja schon im Wort. Vertrauen erwächst nur, wenn man sich auch traut …
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Was ist denn zu tun, wenn die Leidenschaft eingeschlafen ist? Körpersprache ist ja nicht ganz einfach. Wie sollte diese aussehen?
Hinrichs: Wenn ich Lust habe, kann ich beispielsweise mein Becken sanft gegen das meines Partners oder meiner Partnerin drücken. Oder mich im Bett anschmiegen. Aber viele sagen mir: Oh, nein, das kann ich nicht. Sie haben Angst davor, sich zu zeigen. Sie trauen sich nicht. Ich sage deshalb laut und deutlich: Traut Euch.
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Gar nicht so einfach, oder?
Hinrichs: Noch eine Sache ist dann wichtig. Ich erinnere das Gespräch mit einem Mann, dem ich sagte: Er sollte seine Frau doch einmal absichtslos berühren. Er habe ihr dann über den Kopf gestreichelt. Dabei ist sie eingeschlafen. Er war enttäuscht. Ich fand: Wunderbar. Dass sich die Frau dieses Mannes unter seiner Berührung so entspannen konnte.
Aber besser als einzuschlafen, hätte sie vielleicht gesagt: Ich bräuchte mal wieder Sex.
Hinrichs: Wenn das so einfach wäre. Da ist, was ich möchte, da gibt es, was Du Dir wünscht – und da gibt es auch noch: das Wir! In dieser Gemengelage ein Gleichgewicht herbeizuführen, ist durchaus herausfordernd. Deshalb: Das Kommunizieren ist und bleibt der springende Punkt. Sex ist kein Selbstläufer. Man muss für guten Sex etwas tun.
Wohl gerade beim Sex in den besten Jahren, wie Sie sagen.
Hinrichs: Ja, der Körper verändert sich. Und der Sex halt auch. Man stelle sich doch nur mal vor, da hat einer ein neues Kniegelenk. Da ist dann die Bewegungsfähigkeit erstmal eingeschränkt. Es entstehen völlig andere Grundsituationen. Damit der Sex unter sich verändernden Bedingungen genussvoll bleibt, muss der Sex sich verändern. Das ist jedoch nicht grundsätzlich ein Problem, wenn man etwas flexibel ist. Raus aus der Komfortzone, sage ich häufig.
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Okay, der Körper verändert sich. Die Lust auf Sex aber bleibt?
Hinrichs: Ja! Die Lust hat kein Verfallsdatum. Oder sagen wir es so: Der Hauthunger bleibt. Lebenslang. Wie sehr wir uns und die Welt um uns herum sich auch ändern.
Sex ist anscheinend kompliziert. Wie schreiten Sie ein, wenn es zu Schwierigkeiten kommt?
Hinrichs: Ich muss ganz genau hinhören. Wenn ich höre, dass ein Mann, nennen wir ihn mal Hans-Dieter, in einer langen Ehe sagt, es klappt nicht mehr, da frage ich dann natürlich nach. Und erfrage, wann und wo denn noch Erregungszustände erlebt werden. Oft höre ich dann, dass es zum Beispiel beim Pornogucken am PC bestens funktioniert. Aber das ist natürlich eine ganz andere Situation. Und jetzt muss man es irgendwie hinkriegen, dass Hans-Dieter seine – sagen wir mal – Isolde im Bett wieder aufregend findet.
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Porno und Isolde liegen zu weit auseinander?
Hinrichs: Beim Pornogucken bearbeitet der Mann seinen Penis meist selbst. Häufig übt er dabei einen enormen Druck aus. Und da liegt das Problem: Keine Vagina hat Kraft wie eine Männerfaust. Man muss unterscheiden lernen – darauf konzentriere ich die entsprechenden Gespräche.
Über Pornogucken wird wahrscheinlich auch nicht so gern gesprochen.
Hinrichs: Pornos sind eine Lernsituation. Pornos verdeutlichen, was wir uns wünschen. Mehr zunächst nicht. Doch diese Wünsche können wir in eine Partnerschaft einbringen. Hans-Dieter könnte – nachdem ihm seine Bedürfnisse klarer geworden sind – Isolde neue Abenteuer vorschlagen.
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Was sagt denn dann ein Hans-Dieter, wenn sie ihm das vorschlagen?
Hinrichs: Meist kommt dann so etwas wie „ach so“. Ich sag dann: Es ist wie beim Klavierspielen. Sie können zwar den Flohwalzer spielen, aber das Klavier beherrschen, ist etwas ganz anderes. Und gebe Ihnen dann Körperübungen für Zuhause auf.
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Wie sehen diese Übungen aus?
Hinrichs: Der Körper muss neu lernen, neu spüren. Und er lebt von Wiederholungen. Deshalb gebe ich einem Mann mitunter Spürübungen für sein Geschlecht auf. Ich verordne eine Art Re-Sensibilisierung für den Penis. Sanftes Streicheln. Gemeinsam mit der Partnerin oder dem Partner. Ohne Leistungsdruck. Man muss sich Zeit geben, zusammen. Um sich gegenseitig zu erkunden und entdecken zu können, wobei genau man sich wohl fühlt. Das ist ein Weg, um am Ende auch neu zu fühlen.
Und damit klappt es dann?
Hinrichs: Sagen wir so. Es ist halt ein Lernprozess. Was ich hier beschreibe, funktioniert nicht von heute auf morgen. Wenn es zum Beispiel Probleme mit der Erektion gibt, ist es für die meisten Männer sehr schwer, sich überhaupt erst einmal dazu zu bekennen. Ein Mann mit Erektionsschwierigkeiten sagte einmal zu mir: „Ich stehe mit einem Bein im Grab“.
Frauen sind da anders?
Hinrichs: Nun, bei Frauen kommt die Lust häufig beim Tun – das ist ein Unterschied. Und Frauen können eben auch einfach mal mitmachen, selbst wenn ihre Lust gerade nur gering ausgeprägt ist. Diese Differenzierungen kann ein Penis nicht vollbringen.
Der Penis als Seismograph für eine gute Beziehung?
Hinrichs: Noch so ein verquerer Mythos. „Sex muss Spaß machen, sonst lieben die Partner sich nicht?“ Völliger Quatsch.
Sie sagen ja, reden – sich verständigen – hilft. Sollte man über den Penis und das, was er tut oder nicht tut, ganz ernst reden?
Hinrichs: Ach. Zu viel Ernsthaftigkeit ist doch ebenfalls ein Lustkiller, oder? Auch im Bett darf gelacht werden. Schließlich entspannt Humor doch total. Man sollte einfach mal an die Tanzschule denken. Wenn einem da einer beim Foxtrott auf den Fuß gelatscht ist, hat man doch auch miteinander gelacht. Ohne den anderen zu verletzten. Wichtig ist jedoch: Über Probleme lacht man nicht.
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Mit welchen Problemen kommen die Jüngeren zu ihnen?
Hinrichs: Gerade junge Männer stehen unter enormem Performancedruck. Da fragte doch ein Siebzehnjähriger, der selbst erst ein einziges Mal Sex hatte, ob er sich seinen Penis verlängern lassen sollte. Warum? Weil alles, was er über Sex wusste, hat er von Pornos gelernt. Die Botschaft an ihn war klar: Er muss es genauso drauf haben wie die Darsteller in den Filmen, die er schaute. Das sind ja aber natürlich komplett falsche Vorbilder – sich so zu orientieren, kann nur zu Stress führen. Zu so großem Stress, dass die Erektion ausbleibt.
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Jugendliche mit Potenzproblemen, wer hätte das gedacht.
Hinrichs: Natürlich gibt es das. Häufiger jedoch ist bei jungen Männern mit noch nicht ganz so viel Erfahrung in der Sexualität: das Zu-Früh-Kommen.
Was hilft gegen Zu-Früh-Kommen? An etwas Albernes denken?
Hinrichs: Auf keinen Fall. Anti-erotische Gedanken sind in jedem Fall ein Lustkiller. Es geht vielmehr darum, dass man die Angst nimmt. Und diese Vorstellung eines Leistungsprinzips aus den Köpfen bekommt. Es gucken ja schon Zwölfjährige Pornos. Aber damit tauchen sie in eine Welt ein, in der es ausschließlich um Leistung geht. Das wird der Sexualität nicht gerecht.
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