Berlin. . Viele Arbeitnehmer ignorieren Stress-Symptome, bis es zu einem Zusammenbruch wie beim BMW-Chef Krüger auf der IAA kommt. Experten raten zu Auszeiten.
Erst wenn ein Prominenter wie der 49-jährige BMW-Chef Harald Krüger auf der IAA vor den Augen der Öffentlichkeit stürzt, steht das Thema wieder im Rampenlicht: Stress, eine zu hohe Belastung im Beruf. Die meisten Berufstätigen (60 Prozent) folgen dem Motto „Augen zu und durch“, so ein Ergebnis der aktuellen Stress-Studie der Techniker-Krankenkasse. Jeder dritte Berufstätige fühlt sich demnach ausgebrannt.
Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Berlin, und Stephanie Schluck vom Männergesundheitsportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erklären, wie riskant Stress sein kann und auf welche Warnsignale jeder achten sollte:
Ist Stress grundsätzlich ungesund?
Nein. Erst, wenn der Körper über längere Zeit keine Ruhepausen hat, kann das zu tiefgreifenden Veränderungen der Gesundheit führen. „Wichtig ist, dass das Stresssystem des Körpers nicht ständig auf Hochtouren laufen muss“, sagt Isabella Heuser. „Es muss immer wieder in eine Ruhephase zurückschwingen.“
Was genau passiert bei Stress im Körper?
Es gibt zwei Stress-Systeme, ein schnell reagierendes Adrenalin-System und ein etwas trägeres Cortisol-System. Bei ersterem bekommen wir einen trockenen Mund, das Herz schlägt schneller, wir werden wacher und können uns sehr gut konzentrieren. Das Cortisol-System kurbelt wichtige Organe und Stoffwechselvorgänge an und schwächt andere ab.
Welche Warnsignale gibt es für schädlichen Stress?
Wer über einen längeren Zeitraum nicht erholsam schläft, sollte aufmerksam werden. Als erholsam gilt der Tiefschlaf, der für die Regeneration der Körperfunktionen sorgt. „Wer nachts mit Herzklopfen hochschreckt, sich morgens wie erschlagen fühlt, sollte etwas verändern“, so Isabella Heuser. Ein weiterer Hinweis auf ungesunden Stress ist ein vermehrter Konsum von Suchtmitteln wie Zigaretten und Alkohol. Auch geistige Erschöpfung kann ein Hinweis auf zu viel Stress sein.
Was kann passieren, wenn diese Signale ignoriert werden?
Fehlt der erholsame Schlaf, kann es zu einem ständig erhöhtem Blutdruck und Herzschlag kommen, was schließlich Herzrhythmusstörungen und andere Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zum Infarkt zur Folge haben kann. Isabella Heuser: „Der Körper sagt mit lautem Getöse: ,Ich kann nicht mehr’.“ Auch psychische Probleme wie Depressionen könnten eine Folge sein, so Stephanie Schluck. Bei Männern komme häufig noch eine schlechte Ernährung und Bewegungsmangel und in der Folge Übergewicht hinzu. Das begünstige zum Beispiel einen Herzinfarkt.
Manche Menschen scheinen mehr Stress ertragen zu können als andere. Warum?
Einerseits hat das etwas mit den äußeren Umständen zu tun, also wie viel Unterstützung jemand hat. Außerdem gibt es die im Menschen liegenden sogenannten Resilienzfaktoren, also die Fähigkeit, mit Stress umzugehen und relativ schnell zur Ruhe zu kommen. „Diese Faktoren sind eine Mischung aus Genen und Erziehung“, sagt Isabella Heuser. Wer schon als Kind viel Unterstützung erfahren habe, ohne jedoch überbehütet worden zu sein, der hätte gute Chancen, eine hohe Stresstoleranz zu entwickeln. „Trotzdem: Man kann jeden in die Erschöpfung treiben.“
Wer ist besonders von negativem Stress betroffen?
„Es ist wichtig zu sagen, dass es nicht nur die Politiker und Top-Manager sind, die unter negativem Stress leiden“, sagt Isabella Heuser. Auch alleinerziehende Mütter stünden unter enormem Stress, Mitarbeiter von Jugendämtern, auch einfache Angestellte. „Ein entscheidender Faktor ist, ob der Mensch dem Stress unkontrolliert ausgeliefert ist, oder ob er mitbestimmen kann, wann er ihn hat.“ Auch eine zu starke Identifikation mit dem Beruf ist nicht gut. Man muss geistig loslassen können.
Gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Bei Frauen wirkt sich negativer Stress stärker auf die Gesundheit aus. Männer hätten jedoch ein anderes Problem, sagt Stephanie Schluck. „Sie stehen unter dem Druck Ernährer, Vater und Liebhaber zugleich sein zu wollen. Darunter brechen viele zusammen.“ Hinzu komme, dass Männer seltener zum Arzt gehen als Frauen.
Was kann man tun, um sich vor den negativen Folgen von Stress zu schützen?
Jeder weiß es, zu Wenige tun es: Auszeiten nehmen. Zum Beispiel an einem Tag in der Woche nur das tun, was man möchte. „Ein Buch lesen, Serien gucken, Sport machen – es ist egal. Wichtig ist, nicht an die Arbeit zu denken“, erklärt Isabella Heuser. Dazu gehöre auch, keine Arbeits-E-Mails zu lesen und auch das Handy einmal auszuschalten.
Im Beruf sollte man die Illusion beerdigen, dass Multi-Tasking möglich ist, rät Heuser. „Niemand kann das. Sagen Sie also einfach mal Stopp.“