Essen. . Tabellen mit festen Zeiten können nur eine grobe Orientierung bieten. Denn das Bedürfnis nach Nachtruhe ist individuell unterschiedlich.
Im Internet und in sozialen Netzwerken macht derzeit eine Tabelle die Runde, die empfiehlt, wann Kinder ins Bett gehen sollten – je nach Alter und Weckzeit. Die Lehrerin einer Schule in Wisconsin/USA hatte sie gefunden und auf die Facebookseite der Schule gestellt. Unter Müttern und Vätern lösten die Empfehlungen große Diskussionen aus.
Forscher und Mediziner raten dazu, solche Tabellen nicht zu ernst zu nehmen. Denn auf die Frage nach der optimalen Schlafenszeit und Schlafdauer gibt es nicht die eine richtige Antwort. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin in Berlin sowie Jakob Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte erklären, auf was Eltern achten sollten.
Wie aussagekräftig sind Tabellen, die Schlafenszeiten empfehlen?
Nicht besonders. „Sowohl die Zeit, wann ein Kind ins Bett gehen sollte, als auch die Länge des Schlafs sind sehr individuell“, sagt Schlafmediziner Dieter Kunz. „Solche Tabellen können immer nur eine grobe Orientierung bieten. Jedes Kind ist anders“, sagt auch Jakob Maske. Von einer individuellen Schlafvarianz von zwei Stunden, spricht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Im Babyalter sei die Spanne noch größer. Das bedeutet: Nicht jedes Kind muss gleich lang schlafen, um morgens fit zu sein. Die BZgA geht von durchschnittlichen Schlafzeiten aus: Zweijährige bräuchten zwölf bis 13 Stunden Schlaf, Drei- bis Fünfjährige elf bis zwölf Stunden, Grundschulkinder zehn.
Wie können Eltern herausfinden, wie viel Schlaf ihr Kind braucht?
Das Kind sollte morgens gut aufstehen können und in der Schule wach sein, sagt Jakob Maske. Wie viel Schlaf ein Kind braucht, lässt sich sehr schön zum Beispiel in den Ferien beobachten. „Eltern sollten ihre Kinder einfach mal ausschlafen lassen und sie auch nicht ins Bett schicken, wann sie es für richtig halten, sondern wenn das Kind wirklich müde ist“, erklärt Dieter Kunz.
Welche Schlaftypen gibt es?
Neben den „Normalen“ gibt es Früh- und insbesondere um die Pubertät Spättypen. Letztere kann man zum Beispiel nicht einfach um 20 Uhr ins Bett schicken. Sie liegen dann noch stundenlang wach, weil sie nicht schlafen können, und fühlen sich schlecht dabei. „Dann kann es zur Katastrophe werden, wenn Eltern den Kindern vorschreiben, wann sie zu schlafen haben“, sagt Dieter Kunz. Das ist gerade für Kinder gefährlich, weil sie sich zu Recht ungerecht behandelt fühlen.
Was halten Sie von dem Vorschlag, der gerade diskutiert wird, die Schule später anfangen zu lassen?
„Sehr viel“, sagt Schlafmediziner Dieter Kunz. „Eine Mathe-Klausur morgens um acht Uhr hat nichts mit Chancengleichheit zu tun.“ Auch Kinder- und Jugendarzt Jakob Maske sagt, Kinder könnten dem Schulunterricht besser folgen, wenn er später beginnt. „Aber ein späterer Start bringt natürlich wieder andere Probleme mit sich, weil sich alles in den Nachmittag hinein verschiebt.“
Was sollten Eltern vor dem Zubettgehen der Kinder beachten?
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Zwei Dinge. Erstens: zur Ruhe kommen. „Sagen Sie Ihrem Kind etwas Nettes. Unterlassen Sie zumindest abends kluge Sätze, die beginnen mit ‘in Zukunft solltest Du. . .’“, rät Schlafmediziner Kunz. Zweitens: abends kein helles Licht. Auch wenn das Kind noch lesen möchte, sollte das Licht nur auf das Papier fallen, nicht in die Augen. „Viele Kinder werden beim Lesen sogar müde und schlafen schneller ein“, sagt Jakob Maske. E-Books oder Handy sollten vor dem Schlafengehen tabu sein. Denn das Licht suggeriert dem Gehirn, dass es Tag ist. Die Ausschüttung von Melatonin, dem Hormon, das dem Körper mitteilt, dass es Nacht ist, wird unterdrückt. Auch Fernsehen und Computer sollten tabu sein. Die BZgA empfiehlt, das Zubettgehen rechtzeitig einzuläuten und eine Stunde vorher auf Toben oder starke visuelle Reize zu verzichten. Ein gutes Mittel, um die Nachtruhe einzuläuten seien Einschlafrituale.
Wie macht sich Schlafmangel bei Kindern bemerkbar?
„Durch Müdigkeit in der Schule, die auch zu einem Leistungsabfall führen kann“, sagt Jakob Maske. Die BZgA zitiert Untersuchungen aus Israel, die zum Ergebnis hatten, dass bereits eine Stunde Schlaf mehr oder weniger erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat. Müde Kinder waren demnach kaum zu Kreativität fähig und zeigten Verhaltensauffälligkeiten wie Nervosität und Ängstlichkeit. Schlafmangel kann sich aber auch auf den Körper auswirken: Gehäufte Infekte könnten eine Folge von zu wenig Schlaf sein, weil das Immunsystem dann nicht optimal funktioniere, sagt Jakob Maske. Laut BZgA kann sich chronischer Schlafmangel auch auf Wachstum und Entwicklung des Kindes negativ auswirken.