Xanten. Die Netflix-Serie „Barbaren“ zeigt den Sieg der Germanen über die Römer. In Xanten fand man einst einen wichtigen Beleg für die Schlacht
„Als die Römer frech geworden/ zogen sie nach Deutschlands Norden/ Vorne mit Trompetenschall/ ritt der Generalfeldmarschall, Herr Quintilius Varus ...“ – Die „Schlacht im Teutoburger Wald“ beschäftigt die Deutschen, seit im späten Mittelalter Tacitus’ Berichte darüber wiederentdeckt wurden. Aus dem Germanenfürst Arminius machte man bald den deutschen Helden Hermann, dichtete Lieder wie das obige und allerlei patriotische Prosa.
Netflix-Serie „Barbaren“: Die Verfilmung der Varusschlacht war überfällig
Mit der Netflix-Serie „Barbaren“ gibt es nun ein brandneues Kapitel in der Rezeptionsgeschichte des mittlerweile Varusschlacht genannten Blutbads im Jahre 9 nach Christus. Eine überfällige Verfilmung, möchte man meinen, angesichts der Beliebtheit archaischer Schwerthauereien wie „Game of Thrones“ oder „Vikings“ und der packenden Dramaturgie des überlieferten Stoffes.
Der Rhein als Reichsgrenze
Mit dem weltgeschichtlich bedeutenden Sieg germanischer Stämme über ganze drei Legionen des römischen Imperiums kommt dabei ein Geschehen auf den Bildschirm, das sich gewissermaßen unter unseren Füßen ereignet hat – nicht nur am vermuteten Schlachtfeld bei Kalkriese im Osnabrücker Land, (hier gibt es ein Museum) auch an Rhein und Lippe wo die Legionäre Roms ihre Lager hatten.
In Xanten lagerten Roms Legionen
Im Archäologischen Park Xanten (APX) kann man sich heute noch ein Bild davon machen, wie die Römer einst in der germanischen Provinz lebten. Ihre Stadt „Colonia Ulpia Traiana“ bauten sie direkt an den Rhein, der die Grenze des Imperiums bildete. Gleich neben der Stadt hatten sie zuvor schon das Militärlager Vetera errichtet. Und das war nicht irgendeines, wie Ingo Martell vom APX erklärt: „Vetera Castra ist bis heute das größte bekannte römische Standlager der Antike. Es war einer der Hauptaufmarschstützpunkte im heutigen Deutschland. Von daher ist es gar nicht anders denkbar, als dass mindestens eine der drei Legionen, die in der Varusschlacht untergingen, hier stationiert war.“
Der Grabstein des Centurios aus Xanten
Vom heutigen Xanten aus zogen die Legionäre ins wilde Germanien rechts des Rheines, um die Barbaren zu unterwerfen. Die Lippe aufwärts ging es gen Haltern, wo im Feindesland zeitweilig ein weiteres Lager Schutz gewährte – auch hier dokumentiert ein Museum die römischen Spuren.
Nach dem Feldzug zu Marsern, Chatten und Cheruskern wollte Statthalter Varus wohl mit seinem Heer zurück ins sichere Lager Vetera. Das erwähnt in der Serie „Barbaren“ sogar historisch korrekt und in bestem Latein Protagonist Arminius: „Ad Vetera“ zögen die Legionen, sollten aber vorher doch einen Umweg durch jenen dunklen Wald machen ...
Der wurde Varus und seinen insgesamt 20.000 Römern jedoch zum Verhängnis. In Xanten kamen sie nie wieder an. Und doch fand man dort den bis heute einzigen wirklich handfesten Beweis für die sonst nur in schriftlichen Quellen bezeugte Varusschlacht: „Es ist das Grabdenkmal des Centurio Marcus Caelius, das nahe beim Lager Vetera gefunden wurde“, so Ingo Martell. „In dessen Inschrift wird explizit erwähnt, dass er im ,Krieg des Varus’ fiel. Und dieses Stück gilt bis heute als einziges gesichertes epigraphisches Zeugnis der Varusschlacht.“
Anschauen kann man sich das einzigartige Relikt im Römermuseum auf dem Gelände des APX – allerdings nur in Kopie. Für einen Blick auf das Original muss man ins Rheinische Landesmuseum nach Bonn, wo noch diverse weitere kostbare römische Funde aus Xanten zu sehen sind.
Experte urteilt: Viele stimmige Bilder in der Serie
Die deutsche Netflix-Serie „Barbaren“ bietet den Zusehern erwartungsgemäß reichlich Action mit langhaarigen Germanen und waffenklirrenden Römern. Die Macher legten nach eigener Aussage aber auch Wert darauf, das Geschehen möglichst historisch korrekt darzustellen. Doch was sagt der Experte vom APX zum Resultat? „Als Privatperson hab ich mich beim Anschauen der Serie erst einmal gefreut, dass es viele stimmige Bilder zu sehen gibt“, so Martell. Auch der Kniff der Macher, die Römer ausschließlich Latein mit italienischem Zungenschlag sprechen zu lassen, gefällt dem APX-Pressesprecher: „Mich als Archäologen und Geschichts-Fan hat das gefreut, Latein mal als lebendige Sprache zu hören. Ich fand die Umsetzung ansprechend“.
Auch was die Ausrüstung der römischen Armee angeht, findet Martell viele lobende Worte: „Da gibt es in der Serie ein stimmiges Bild, was in der Zeit konsistent ist. Denn die Macher haben der Versuchung widerstanden, möglichst viele und spektakuläre Dinge aus verschiedenen römischen Jahrhunderten zusammenzuwürfeln.“
Historisch exakter als „Rome“ und Ridley Scotts „Gladiator“
Gleichwohl sehe er in der Serie auch zahlreiche Unkorrektheiten: „Für mich als Archäologen gibt es natürlich genügend Material, um beckmesserisch heranzugehen – dieses Horn hat nicht so laut getutet und jenes Schwert sah noch ein bisschen anders aus. Aber gerade bei diesen Details sieht man, dass – im Vergleich etwa mit der älteren TV-Serie „Rome“ oder Ridley Scotts „Gladiator“ – die Macher sich mit dem neueren Stand der Wissenschaft auseinandergesetzt haben, um etwa bei der Ausrüstung der Soldaten möglichst viele Dinge authentisch erscheinen zu lassen – natürlich im Rahmen, den die Dramaturgie zulässt.“
Sein Fazit zur Serie verbindet der Experte vom APX dann noch einmal mit einem Freizeit-Tipp: „Das Gesamtbild, das ein Zuseher von der historischen Situation mitnimmt, gibt schon einen Eindruck von dem, was geschehen ist. Ich will nicht sagen, dass alles richtig gut gelungen ist, das ginge zu weit. Aber wer mehr wissen möchte, kann sich in Büchern schlau machen – und natürlich in den Museen der Region.“