Essen. Vor 2000 Jahren lockte der Cherusker 22.000 Römer und ihren Führer Varus in den Hinterhalt. An die „Schlacht im Teutoburger Wald”, die einen Wendepunkt in Europas Geschichte markierte, erinnern nun drei Ausstellungen.
„Quintili Vare, redde legiones!” – Oh Quintilius Varus, gib mir meine Legionen wieder! – soll der entsetzte Kaiser Augustus in Rom ausgerufen haben. Doch da gab es nichts zurückzugeben. Die 17., 18. und 19. römische Legion samt Tross und Hilfstruppen, zusammen 22 000 Mann, waren im Nordosten Germaniens von einer Allianz germanischer Stämme unter Führung des Cheruskers Arminius in einen Hinterhalt gelockt und aufgerieben worden.
Wie der Kopf des Varus den Weg nach Rom fand
Der Verursacher des kaiserlichen Weinkrampfes konnte nicht mehr dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass das Imperium innerhalb von vier Tagen ein Achtel seiner Streitkräfte eingebüsst hatte. Publius Quintilius Varus, Oberbefehlshaber in Germanien, hatte sich nach der Niederlage ins Schwert gestürzt.
Dass Augustus den Unglücksraben trotzdem noch einmal abgekanzelt hat, ist nicht zu belegen, aber auch nicht auszuschließen. Zumindest der Kopf des Varus fand doch noch den Weg nach Rom – auf dem Umweg über den Markomannenkönig Marbod.
Arminius hatte dem germanischen Warlord über Böhmen und die Elbvölker bis an die Ostsee das Haupt des Varus im Sinne eines Koalitionsangebotes geschickt; Marbod lehnte ab und leitete den Schädel an Varus' Familie weiter. Immerhin bereitete Augustus seinem glücklosen Statthalter ein ehrenvolles Begräbnis.
Die „Schlacht im Teutoburger Wald”, über die der Historiker Tacitus berichtet (der im Übrigen in seinen „Annalen” vom heldenhaften Arminius als „Befreier Germaniens” sprach und so einen Mythos begründete, der 1529 von Ulrich von Hutten in den ersten deutsch-patriotischen Helden und Freiheitskämpfer unmodelliert wurde), fand im Herbst des Jahres 9. n. Chr. statt. Jetzt rüstet Deutschland zur 2000-jährigen Wiederkehr des Gemetzels, das einen Wendepunkt der europäischen Geschichte markiert. Landauf, landab wollen Hobby-Barbaren und Freizeit-Legionäre Schlachtszenen nachspielen.
"Unweit des Teutoburger Waldes" - wo mag das sein?
Die Post gibt eine Sonderbriefmarke heraus. Die Ausstellung „Imperium – Konflikt – Mythos” im Museum Kalkriese bei Osnabrück soll 13 Millionen Euro kosten. Weitere Ausstellungen zum Thema stehen in Detmold (Lippisches Landesmuseum) und Haltern (Römermuseum) an. Alle drei Orte sind als Originalschauplätze mit der Varusschlacht und ihren Folgen verbunden.
Sogar in England hat Arminius seine Sympathisanten: weil der Cherusker auch die Romanisierung und Zivilisierung der wilden Angelsachsen verhindert habe, die sonst nie so wunderbar ungezähmt im fünften Jahrhundert in England hätten einfallen können.
Denn die Varusschlacht, die Tacitus trotz anders lautendem Sprachgebrauch in seinen „Annalen” nur „haud procul Teutoburgiensi saltu” (unweit des Teutoburger Waldes) ansiedelte, bedeutete den Anfang vom Ende der römischen Bemühungen, die rechtsrheinischen Gebiete Germaniens bis zur Elbe dem Imperium einzuverleiben. Augustus' Romanisierungspolitik war gescheitert; die abgefallene Provinz Germania Magna zwischen Elbe und Rhein geriet nie wieder unter das Joch Roms – obwohl Rom offenbar, wie die jüngsten sensationellen Entdeckungen eines römisch-germanischen Schlachtfeldes von Wiershausen bei Northeim belegen – bis weit ins dritte Jahrhundert hinein militärische Vorstösse unternahm.
Bis heute kursieren 700 Theorien über die Schlacht
Der „Jahrhundertfund” von Wiershausen hat, nicht sehr glücklich angesichts des Jubiläumsjahres, die Diskussion um den wahren Ort der Varusschlacht neu angeheizt. 1987 war es einem Offizier der britischen Armee im Osnabrücker Land gelungen, erste Relikte einer römisch-germanischen Schlacht aus dem torfigen Boden zu bergen. Seit diesem Fund – der eine Annahme des Historikers Theodor Mommsen zu bestätigen schien, der aufgrund zahlreicher Münzfunde schon 1885 das Fleckchen Kalkriese zum wahrscheinlichsten Ort ernennt hatte – galt die Stätte als weitgehend identifiziert.
Dennoch kursieren noch über 700 verschiedene Theorien. Dass es eine Schlacht von Kalkriese 9 n. Chr. gab, ist unstrittig. Doch mehren sich die Anzeichen, dass es sich nicht um die entscheidene, von Augustus beklagte Schlacht handelt, sondern um eine Art Vorgeplänkel, an der die 1. Legion beteiligt war. Dass Varus auf dem Weg nach Xanten eine andere Route einschlug. Dass die tatsächliche „Schlacht im Teutoburger Wald” vermutlich gar nicht jene geo- und machtpolitischen Folgen hatte, die ihr lange zugeschrieben wurden. Wobei man streng genommen nicht einmal den geografischen Angaben hundertprozentig trauen kann.
Im Sinne des Tacitus
Nicht etwa der „Teutoburger Wald” gab der Schlacht ihren Namen. Im Gegenteil: Der Fürstbischof von Paderborn war nach Lektüre der erst 1514 wiederentdeckten „Annalen” so überzeugt, die Stätte müsse sich auf seinem Territorium befinden, dass er 1672 befahl, die bis dahin Osning genannte Formation im Sinne von Tacitus umzubenennen.